werde es behutsam anfassen, daß es nicht schmuzig werde, ich werde nicht in dasselbe hinein sehen, und werde es sogleich, wenn der Herr Profeßor Andorf nach Hause kömmt, in seine Hände geben."
Ich sah ihn wieder an. Das Anständige in seiner Stellung fiel mir auf. Seine Worte waren in dem Wenigen, was er mir sagte, sehr gewählt, wie man es in der bessern Gesellschaft findet, nur seine blauen Augen hatten etwas Unstättes, als blikten sie immer hin und her. Ich hatte nicht den Muth, ihn durch Mißtrauen zu kränken, ich nestelte meine Arbeitstasche auf, zog das Buch hervor, und gab es in seine Hände. Ich hatte es in kein Papier eingeschlagen, weil ich es selber zu übergeben gedachte. Er bemerkte den Umstand gleich, und sagte: "Ich werde das Buch in ein Papier einwikeln, werde es so liegen lassen, bis der Herr Profeßor kömmt, und werde es ihm so übergeben."
"Ja thun Sie das," sagte ich, und mit diesen Worten schied ich aus dem Hause.
Aber kaum war ich auf der Gasse, so bemächtigte sich meiner eine Unruhe. Etwa zwanzig Schritte von dem rothen Pförtlein an der Mauer des nächsten Hauses saß gerne eine Obstfrau. Sie saß jeden Tag da, wenn nicht gar ein zu abscheuliches Wetter war;
werde es behutſam anfaſſen, daß es nicht ſchmuzig werde, ich werde nicht in dasſelbe hinein ſehen, und werde es ſogleich, wenn der Herr Profeßor Andorf nach Hauſe kömmt, in ſeine Hände geben.“
Ich ſah ihn wieder an. Das Anſtändige in ſeiner Stellung fiel mir auf. Seine Worte waren in dem Wenigen, was er mir ſagte, ſehr gewählt, wie man es in der beſſern Geſellſchaft findet, nur ſeine blauen Augen hatten etwas Unſtättes, als blikten ſie immer hin und her. Ich hatte nicht den Muth, ihn durch Mißtrauen zu kränken, ich neſtelte meine Arbeitstaſche auf, zog das Buch hervor, und gab es in ſeine Hände. Ich hatte es in kein Papier eingeſchlagen, weil ich es ſelber zu übergeben gedachte. Er bemerkte den Umſtand gleich, und ſagte: „Ich werde das Buch in ein Papier einwikeln, werde es ſo liegen laſſen, bis der Herr Profeßor kömmt, und werde es ihm ſo übergeben.“
„Ja thun Sie das,“ ſagte ich, und mit dieſen Worten ſchied ich aus dem Hauſe.
Aber kaum war ich auf der Gaſſe, ſo bemächtigte ſich meiner eine Unruhe. Etwa zwanzig Schritte von dem rothen Pförtlein an der Mauer des nächſten Hauſes ſaß gerne eine Obſtfrau. Sie ſaß jeden Tag da, wenn nicht gar ein zu abſcheuliches Wetter war;
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werde es behutſam anfaſſen, daß es nicht ſchmuzig
werde, ich werde nicht in dasſelbe hinein ſehen, und
werde es ſogleich, wenn der Herr Profeßor Andorf
nach Hauſe kömmt, in ſeine Hände geben.“
Ich ſah ihn wieder an. Das Anſtändige in ſeiner
Stellung fiel mir auf. Seine Worte waren in dem
Wenigen, was er mir ſagte, ſehr gewählt, wie man
es in der beſſern Geſellſchaft findet, nur ſeine blauen
Augen hatten etwas Unſtättes, als blikten ſie immer
hin und her. Ich hatte nicht den Muth, ihn durch
Mißtrauen zu kränken, ich neſtelte meine Arbeitstaſche
auf, zog das Buch hervor, und gab es in ſeine
Hände. Ich hatte es in kein Papier eingeſchlagen,
weil ich es ſelber zu übergeben gedachte. Er bemerkte
den Umſtand gleich, und ſagte: „Ich werde das Buch
in ein Papier einwikeln, werde es ſo liegen laſſen,
bis der Herr Profeßor kömmt, und werde es ihm ſo
übergeben.“
„Ja thun Sie das,“ ſagte ich, und mit dieſen
Worten ſchied ich aus dem Hauſe.
Aber kaum war ich auf der Gaſſe, ſo bemächtigte
ſich meiner eine Unruhe. Etwa zwanzig Schritte von
dem rothen Pförtlein an der Mauer des nächſten
Hauſes ſaß gerne eine Obſtfrau. Sie ſaß jeden Tag
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/246>, abgerufen am 16.02.2025.
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