recht gesund und recht krank, und konnten ihren Ge¬ schäften nicht nachgehen. Man hatte vorher in Winter¬ abenden erzählt, wie in andern Ländern eine Krankheit sei, und die Leute an ihr wie an einem Strafgerichte dahin sterben; aber niemand hatte geglaubt, daß sie in unsere Wälder herein kommen werde, weil nie etwas Fremdes zu uns herein kömmt, bis sie kam. In den Rathschlägerhäusern ist sie zuerst ausgebro¬ chen, und es starben gleich alle, die an ihr erkrankten. Die Nachricht verbreitete sich in der Gegend, die Menschen erschraken, und rannten gegen einander. Einige warteten, ob es weiter greifen würde, andere flohen, und trafen die Krankheit in den Gegenden, in welche sie sich gewendet hatten. Nach einigen Tagen brachte man schon die Todten auf den Oberplaner Kirchhof, um sie zu begraben, gleich darauf von nahen und fernen Dörfern und von dem Marktfleken selbst. Man hörte fast den ganzen Tag die Zügengloke läu¬ ten, und das Todtengeläute konnte man nicht mehr jedem einzelnen Todten verschaffen, sondern man läutete es allgemein für alle. Bald konnte man sie auch nicht mehr in dem Kirchhofe begraben, sondern man machte große Gruben auf dem freien Felde, that die Todten hinein, und scharrte sie mit Erde zu. Von manchem Hause ging kein Rauch empor, in manchem
recht geſund und recht krank, und konnten ihren Ge¬ ſchäften nicht nachgehen. Man hatte vorher in Winter¬ abenden erzählt, wie in andern Ländern eine Krankheit ſei, und die Leute an ihr wie an einem Strafgerichte dahin ſterben; aber niemand hatte geglaubt, daß ſie in unſere Wälder herein kommen werde, weil nie etwas Fremdes zu uns herein kömmt, bis ſie kam. In den Rathſchlägerhäuſern iſt ſie zuerſt ausgebro¬ chen, und es ſtarben gleich alle, die an ihr erkrankten. Die Nachricht verbreitete ſich in der Gegend, die Menſchen erſchraken, und rannten gegen einander. Einige warteten, ob es weiter greifen würde, andere flohen, und trafen die Krankheit in den Gegenden, in welche ſie ſich gewendet hatten. Nach einigen Tagen brachte man ſchon die Todten auf den Oberplaner Kirchhof, um ſie zu begraben, gleich darauf von nahen und fernen Dörfern und von dem Marktfleken ſelbſt. Man hörte faſt den ganzen Tag die Zügengloke läu¬ ten, und das Todtengeläute konnte man nicht mehr jedem einzelnen Todten verſchaffen, ſondern man läutete es allgemein für alle. Bald konnte man ſie auch nicht mehr in dem Kirchhofe begraben, ſondern man machte große Gruben auf dem freien Felde, that die Todten hinein, und ſcharrte ſie mit Erde zu. Von manchem Hauſe ging kein Rauch empor, in manchem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0055"n="42"/>
recht geſund und recht krank, und konnten ihren Ge¬<lb/>ſchäften nicht nachgehen. Man hatte vorher in Winter¬<lb/>
abenden erzählt, wie in andern Ländern eine Krankheit<lb/>ſei, und die Leute an ihr wie an einem Strafgerichte<lb/>
dahin ſterben; aber niemand hatte geglaubt, daß ſie<lb/>
in unſere Wälder herein kommen werde, weil nie<lb/>
etwas Fremdes zu uns herein kömmt, bis ſie kam.<lb/>
In den Rathſchlägerhäuſern iſt ſie zuerſt ausgebro¬<lb/>
chen, und es ſtarben gleich alle, die an ihr erkrankten.<lb/>
Die Nachricht verbreitete ſich in der Gegend, die<lb/>
Menſchen erſchraken, und rannten gegen einander.<lb/>
Einige warteten, ob es weiter greifen würde, andere<lb/>
flohen, und trafen die Krankheit in den Gegenden,<lb/>
in welche ſie ſich gewendet hatten. Nach einigen Tagen<lb/>
brachte man ſchon die Todten auf den Oberplaner<lb/>
Kirchhof, um ſie zu begraben, gleich darauf von nahen<lb/>
und fernen Dörfern und von dem Marktfleken ſelbſt.<lb/>
Man hörte faſt den ganzen Tag die Zügengloke läu¬<lb/>
ten, und das Todtengeläute konnte man nicht mehr<lb/>
jedem einzelnen Todten verſchaffen, ſondern man<lb/>
läutete es allgemein für alle. Bald konnte man ſie auch<lb/>
nicht mehr in dem Kirchhofe begraben, ſondern man<lb/>
machte große Gruben auf dem freien Felde, that die<lb/>
Todten hinein, und ſcharrte ſie mit Erde zu. Von<lb/>
manchem Hauſe ging kein Rauch empor, in manchem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[42/0055]
recht geſund und recht krank, und konnten ihren Ge¬
ſchäften nicht nachgehen. Man hatte vorher in Winter¬
abenden erzählt, wie in andern Ländern eine Krankheit
ſei, und die Leute an ihr wie an einem Strafgerichte
dahin ſterben; aber niemand hatte geglaubt, daß ſie
in unſere Wälder herein kommen werde, weil nie
etwas Fremdes zu uns herein kömmt, bis ſie kam.
In den Rathſchlägerhäuſern iſt ſie zuerſt ausgebro¬
chen, und es ſtarben gleich alle, die an ihr erkrankten.
Die Nachricht verbreitete ſich in der Gegend, die
Menſchen erſchraken, und rannten gegen einander.
Einige warteten, ob es weiter greifen würde, andere
flohen, und trafen die Krankheit in den Gegenden,
in welche ſie ſich gewendet hatten. Nach einigen Tagen
brachte man ſchon die Todten auf den Oberplaner
Kirchhof, um ſie zu begraben, gleich darauf von nahen
und fernen Dörfern und von dem Marktfleken ſelbſt.
Man hörte faſt den ganzen Tag die Zügengloke läu¬
ten, und das Todtengeläute konnte man nicht mehr
jedem einzelnen Todten verſchaffen, ſondern man
läutete es allgemein für alle. Bald konnte man ſie auch
nicht mehr in dem Kirchhofe begraben, ſondern man
machte große Gruben auf dem freien Felde, that die
Todten hinein, und ſcharrte ſie mit Erde zu. Von
manchem Hauſe ging kein Rauch empor, in manchem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/55>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.