Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Thurme zu Oberplan, und die Klänge kamen zu uns
unter die Föhren herauf.

"Siehe," sagte der Großvater, "ist es schon vier Uhr,
und schon Feierabendläuten; siehst du, Kind, diese
Zunge sagt uns beinahe mit vernehmlichen Worten,
wie gut und wie glüklich und wie befriedigt wieder alles
in dieser Gegend ist."

Wir hatten uns bei diesen Worten umgekehrt, und
schauten nach der Kirche zurük. Sie ragte mit ihrem
dunkeln Ziegeldache und mit ihrem dunkeln Thurme,
von dem die Töne kamen, empor, und die Häuser
drängten sich wie eine graue Taubenschaar um sie.

"Weil es Feierabend ist," sagte der Großvater,
"müssen wir ein kurzes Gebeth thun."

Er nahm seinen Hut von dem Haupte, machte
ein Kreuz, und bethete. Ich nahm auch mein Hütchen
ab, und bethete ebenfalls. Als wir geendet, die
Kreuze gemacht, und unsere Kopfbedekungen wieder
aufgesezt hatten, sagte der Großvater: "Es ist ein
schöner Gebrauch, daß am Samstage nachmittags mit
der Gloke dieses Zeichen gegeben wird, daß nun
der Vorabend des Festes des Herrn beginne, und daß
alles strenge Irdische ruhen müsse, wie ich ja auch an
Samstagen nachmittags keine ernste Arbeit vornehme,
sondern höchstens einen Gang in benachbarte Dörfer

Thurme zu Oberplan, und die Klänge kamen zu uns
unter die Föhren herauf.

„Siehe,“ ſagte der Großvater, „iſt es ſchon vier Uhr,
und ſchon Feierabendläuten; ſiehst du, Kind, dieſe
Zunge ſagt uns beinahe mit vernehmlichen Worten,
wie gut und wie glüklich und wie befriedigt wieder alles
in dieſer Gegend iſt.“

Wir hatten uns bei dieſen Worten umgekehrt, und
ſchauten nach der Kirche zurük. Sie ragte mit ihrem
dunkeln Ziegeldache und mit ihrem dunkeln Thurme,
von dem die Töne kamen, empor, und die Häuſer
drängten ſich wie eine graue Taubenſchaar um ſie.

„Weil es Feierabend iſt,“ ſagte der Großvater,
„müſſen wir ein kurzes Gebeth thun.“

Er nahm ſeinen Hut von dem Haupte, machte
ein Kreuz, und bethete. Ich nahm auch mein Hütchen
ab, und bethete ebenfalls. Als wir geendet, die
Kreuze gemacht, und unſere Kopfbedekungen wieder
aufgeſezt hatten, ſagte der Großvater: „Es iſt ein
ſchöner Gebrauch, daß am Samſtage nachmittags mit
der Gloke dieſes Zeichen gegeben wird, daß nun
der Vorabend des Feſtes des Herrn beginne, und daß
alles ſtrenge Irdiſche ruhen müſſe, wie ich ja auch an
Samſtagen nachmittags keine ernſte Arbeit vornehme,
ſondern höchſtens einen Gang in benachbarte Dörfer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0058" n="45"/>
Thurme zu Oberplan, und die Klänge kamen zu uns<lb/>
unter die Föhren herauf.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Siehe,&#x201C; &#x017F;agte der Großvater, &#x201E;i&#x017F;t es &#x017F;chon vier Uhr,<lb/>
und &#x017F;chon Feierabendläuten; &#x017F;iehst du, Kind, die&#x017F;e<lb/>
Zunge &#x017F;agt uns beinahe mit vernehmlichen Worten,<lb/>
wie gut und wie glüklich und wie befriedigt wieder alles<lb/>
in die&#x017F;er Gegend i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wir hatten uns bei die&#x017F;en Worten umgekehrt, und<lb/>
&#x017F;chauten nach der Kirche zurük. Sie ragte mit ihrem<lb/>
dunkeln Ziegeldache und mit ihrem dunkeln Thurme,<lb/>
von dem die Töne kamen, empor, und die Häu&#x017F;er<lb/>
drängten &#x017F;ich wie eine graue Tauben&#x017F;chaar um &#x017F;ie.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Weil es Feierabend i&#x017F;t,&#x201C; &#x017F;agte der Großvater,<lb/>
&#x201E;&#x017F;&#x017F;en wir ein kurzes Gebeth thun.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Er nahm &#x017F;einen Hut von dem Haupte, machte<lb/>
ein Kreuz, und bethete. Ich nahm auch mein Hütchen<lb/>
ab, und bethete ebenfalls. Als wir geendet, die<lb/>
Kreuze gemacht, und un&#x017F;ere Kopfbedekungen wieder<lb/>
aufge&#x017F;ezt hatten, &#x017F;agte der Großvater: &#x201E;Es i&#x017F;t ein<lb/>
&#x017F;chöner Gebrauch, daß am Sam&#x017F;tage nachmittags mit<lb/>
der Gloke die&#x017F;es Zeichen gegeben wird, daß nun<lb/>
der Vorabend des Fe&#x017F;tes des Herrn beginne, und daß<lb/>
alles &#x017F;trenge Irdi&#x017F;che ruhen mü&#x017F;&#x017F;e, wie ich ja auch an<lb/>
Sam&#x017F;tagen nachmittags keine ern&#x017F;te Arbeit vornehme,<lb/>
&#x017F;ondern höch&#x017F;tens einen Gang in benachbarte Dörfer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0058] Thurme zu Oberplan, und die Klänge kamen zu uns unter die Föhren herauf. „Siehe,“ ſagte der Großvater, „iſt es ſchon vier Uhr, und ſchon Feierabendläuten; ſiehst du, Kind, dieſe Zunge ſagt uns beinahe mit vernehmlichen Worten, wie gut und wie glüklich und wie befriedigt wieder alles in dieſer Gegend iſt.“ Wir hatten uns bei dieſen Worten umgekehrt, und ſchauten nach der Kirche zurük. Sie ragte mit ihrem dunkeln Ziegeldache und mit ihrem dunkeln Thurme, von dem die Töne kamen, empor, und die Häuſer drängten ſich wie eine graue Taubenſchaar um ſie. „Weil es Feierabend iſt,“ ſagte der Großvater, „müſſen wir ein kurzes Gebeth thun.“ Er nahm ſeinen Hut von dem Haupte, machte ein Kreuz, und bethete. Ich nahm auch mein Hütchen ab, und bethete ebenfalls. Als wir geendet, die Kreuze gemacht, und unſere Kopfbedekungen wieder aufgeſezt hatten, ſagte der Großvater: „Es iſt ein ſchöner Gebrauch, daß am Samſtage nachmittags mit der Gloke dieſes Zeichen gegeben wird, daß nun der Vorabend des Feſtes des Herrn beginne, und daß alles ſtrenge Irdiſche ruhen müſſe, wie ich ja auch an Samſtagen nachmittags keine ernſte Arbeit vornehme, ſondern höchſtens einen Gang in benachbarte Dörfer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/58
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/58>, abgerufen am 26.11.2024.