Mann, und es konnte kein Dienstbote bei ihm aus¬ halten, und kein Knecht und keine Magd konnte die Arbeit verrichten, die das große Haus verlangte. Sie gingen immer davon, oder er schikte sie fort. Einmal erschien eine große Magd mit braunem Angesichte und starken Armen, und sagte, sie wolle ihm dienen, wenn er ihr nur die Nahrung gäbe, und manchmal ein Tuch auf einen Rok und ein Linnen auf ein Hemd. Der Bauer dachte, er könne es versuchen. Die braune Magd waltete und wirthschaftete nun, als ob zwei gekommen wären, und aß doch nur für eine, und lernte immer besser schaffen und arbeiten. Der Bauer dachte, er habe es getroffen, und die Magd war Jahre in dem Hause. Einmal, da der Bauer zwei Ochsen zu verkaufen hatte, und da er sie in einem Joche den Gallbrunerwald hinunter nach Roh¬ rach auf den Viehmarkt getrieben, und verkauft hatte, nahm er das ledige Joch auf seine Schultern, und ging durch den Wald nach Hause zurük. Da hörte er eine Stimme, die rief: "Jochträger, Jochträger, sag' der Sture Mure, die Rauh-Rinde sei todt -- Joch¬ träger, Jochträger, sag' der Sture Mure, die Rauh- Rinde sei todt." Der Bauer sah unter die Bäume, er konnte aber nichts sehen und erbliken, und da fürchtete er sich, und fing so schnell zu gehen an, als er konnte,
Mann, und es konnte kein Dienſtbote bei ihm aus¬ halten, und kein Knecht und keine Magd konnte die Arbeit verrichten, die das große Haus verlangte. Sie gingen immer davon, oder er ſchikte ſie fort. Einmal erſchien eine große Magd mit braunem Angeſichte und ſtarken Armen, und ſagte, ſie wolle ihm dienen, wenn er ihr nur die Nahrung gäbe, und manchmal ein Tuch auf einen Rok und ein Linnen auf ein Hemd. Der Bauer dachte, er könne es verſuchen. Die braune Magd waltete und wirthſchaftete nun, als ob zwei gekommen wären, und aß doch nur für eine, und lernte immer beſſer ſchaffen und arbeiten. Der Bauer dachte, er habe es getroffen, und die Magd war Jahre in dem Hauſe. Einmal, da der Bauer zwei Ochſen zu verkaufen hatte, und da er ſie in einem Joche den Gallbrunerwald hinunter nach Roh¬ rach auf den Viehmarkt getrieben, und verkauft hatte, nahm er das ledige Joch auf ſeine Schultern, und ging durch den Wald nach Hauſe zurük. Da hörte er eine Stimme, die rief: »Jochträger, Jochträger, ſag’ der Sture Mure, die Rauh-Rinde ſei todt — Joch¬ träger, Jochträger, ſag’ der Sture Mure, die Rauh- Rinde ſei todt.« Der Bauer ſah unter die Bäume, er konnte aber nichts ſehen und erbliken, und da fürchtete er ſich, und fing ſo ſchnell zu gehen an, als er konnte,
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Mann, und es konnte kein Dienſtbote bei ihm aus¬
halten, und kein Knecht und keine Magd konnte die
Arbeit verrichten, die das große Haus verlangte. Sie
gingen immer davon, oder er ſchikte ſie fort. Einmal
erſchien eine große Magd mit braunem Angeſichte
und ſtarken Armen, und ſagte, ſie wolle ihm dienen,
wenn er ihr nur die Nahrung gäbe, und manchmal
ein Tuch auf einen Rok und ein Linnen auf ein
Hemd. Der Bauer dachte, er könne es verſuchen.
Die braune Magd waltete und wirthſchaftete nun, als
ob zwei gekommen wären, und aß doch nur für eine,
und lernte immer beſſer ſchaffen und arbeiten. Der
Bauer dachte, er habe es getroffen, und die Magd
war Jahre in dem Hauſe. Einmal, da der Bauer
zwei Ochſen zu verkaufen hatte, und da er ſie in
einem Joche den Gallbrunerwald hinunter nach Roh¬
rach auf den Viehmarkt getrieben, und verkauft hatte,
nahm er das ledige Joch auf ſeine Schultern, und
ging durch den Wald nach Hauſe zurük. Da hörte er
eine Stimme, die rief: »Jochträger, Jochträger, ſag’
der Sture Mure, die Rauh-Rinde ſei todt — Joch¬
träger, Jochträger, ſag’ der Sture Mure, die Rauh-
Rinde ſei todt.« Der Bauer ſah unter die Bäume, er
konnte aber nichts ſehen und erbliken, und da fürchtete
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/114>, abgerufen am 21.11.2024.
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