Wenn dann der folgende Tag, der Christtag, kömmt, so ist er ihnen so feierlich, wenn sie früh Morgens mit ihren schönsten Kleidern angethan in der warmen Stube stehen, wenn der Vater und die Mutter sich zum Kirchgange schmüken, wenn zu Mit¬ tage ein feierliches Mal ist, ein besseres als in jedem Tage des ganzen Jahres, und wenn nachmittags oder gegen den Abend hin Freunde und Bekannte kommen, auf den Stühlen und Bänken herum sizen, mit einander reden, und behaglich durch die Fenster in die Wintergegend hinaus schauen können, wo ent¬ weder die langsamen Floken niederfallen, oder ein trübender Nebel um die Berge steht, oder die blut¬ rothe kalte Sonne hinab sinkt. An verschiedenen Stellen der Stube, entweder auf einem Stühl¬ chen oder auf der Bank oder auf dem Fensterbrett¬ chen liegen die zaubrischen nun aber schon bekann¬ teren und vertrauteren Geschenke von gestern Abend herum.
Hierauf vergeht der lange Winter, es kömmt der Frühling und der unendlich dauernde Sommer --und wenn die Mutter wieder vom heiligen Christe erzählt, daß nun bald sein Festtag sein wird, und daß er auch diesmal herab kommen werde, ist es den Kindern, als sei seit seinem lezten Erscheinen eine ewige Zeit
Wenn dann der folgende Tag, der Chriſttag, kömmt, ſo iſt er ihnen ſo feierlich, wenn ſie früh Morgens mit ihren ſchönſten Kleidern angethan in der warmen Stube ſtehen, wenn der Vater und die Mutter ſich zum Kirchgange ſchmüken, wenn zu Mit¬ tage ein feierliches Mal iſt, ein beſſeres als in jedem Tage des ganzen Jahres, und wenn nachmittags oder gegen den Abend hin Freunde und Bekannte kommen, auf den Stühlen und Bänken herum ſizen, mit einander reden, und behaglich durch die Fenſter in die Wintergegend hinaus ſchauen können, wo ent¬ weder die langſamen Floken niederfallen, oder ein trübender Nebel um die Berge ſteht, oder die blut¬ rothe kalte Sonne hinab ſinkt. An verſchiedenen Stellen der Stube, entweder auf einem Stühl¬ chen oder auf der Bank oder auf dem Fenſterbrett¬ chen liegen die zaubriſchen nun aber ſchon bekann¬ teren und vertrauteren Geſchenke von geſtern Abend herum.
Hierauf vergeht der lange Winter, es kömmt der Frühling und der unendlich dauernde Sommer —und wenn die Mutter wieder vom heiligen Chriſte erzählt, daß nun bald ſein Feſttag ſein wird, und daß er auch diesmal herab kommen werde, iſt es den Kindern, als ſei ſeit ſeinem lezten Erſcheinen eine ewige Zeit
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Wenn dann der folgende Tag, der Chriſttag,
kömmt, ſo iſt er ihnen ſo feierlich, wenn ſie früh
Morgens mit ihren ſchönſten Kleidern angethan in
der warmen Stube ſtehen, wenn der Vater und die
Mutter ſich zum Kirchgange ſchmüken, wenn zu Mit¬
tage ein feierliches Mal iſt, ein beſſeres als in jedem
Tage des ganzen Jahres, und wenn nachmittags
oder gegen den Abend hin Freunde und Bekannte
kommen, auf den Stühlen und Bänken herum ſizen,
mit einander reden, und behaglich durch die Fenſter
in die Wintergegend hinaus ſchauen können, wo ent¬
weder die langſamen Floken niederfallen, oder ein
trübender Nebel um die Berge ſteht, oder die blut¬
rothe kalte Sonne hinab ſinkt. An verſchiedenen
Stellen der Stube, entweder auf einem Stühl¬
chen oder auf der Bank oder auf dem Fenſterbrett¬
chen liegen die zaubriſchen nun aber ſchon bekann¬
teren und vertrauteren Geſchenke von geſtern Abend
herum.
Hierauf vergeht der lange Winter, es kömmt der
Frühling und der unendlich dauernde Sommer —und
wenn die Mutter wieder vom heiligen Chriſte erzählt,
daß nun bald ſein Feſttag ſein wird, und daß er auch
diesmal herab kommen werde, iſt es den Kindern,
als ſei ſeit ſeinem lezten Erſcheinen eine ewige Zeit
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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