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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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Stämme der Haseln der Birken der Eschen der Erlen
suchten durch ihren steigenden Saft die verlorenen
Äste zu ersezen, und trieben Zweige, die schnell wuch¬
sen, dik wurden, und Blätter hatten, deren Größe
und dunkle Farbe nie vorher auf dem Nußberge gesehen
worden war. Die wenigen Äste, welche von früher
übrig geblieben waren, bedekten sich mit Nüssen, die
in diken Knöpfen und enge geschaart an den Zweigen
saßen, als müßten diese die Pflicht der verloren
gegangenen Äste übernehmen, und so viel Nüsse, als
sie nur immer könnten, auf die Welt bringen. Diesel¬
ben waren noch grünlich und weißlich, fingen aber be¬
reits an, sich mit einem sanften rothen Hauche zu färben.

In dieser Zeit war auch das Schuzhäuschen des
Vaters fertig geworden. Er hatte ein Stükchen Lan¬
des gekauft, das an der Morgenseite des Berges
gelegen war, woher am seltensten ein Gewitter zu
kommen pflegte. Er hatte das Häuschen so gebaut,
daß es gegen Mittag und Abend ein Fenster mit
eisernen Fensterläden hatte, und daß gegen Morgen
die Thür war. Im Innern stand an der Mitternacht¬
seite ein Bänklein an der Wand, davor ein Tischlein
war. Es befanden sich noch Stühle und Schemel in
dem Häuschen.

Die Kinder waren öfter, wenn sie auf dem Nu߬

Stämme der Haſeln der Birken der Eſchen der Erlen
ſuchten durch ihren ſteigenden Saft die verlorenen
Äſte zu erſezen, und trieben Zweige, die ſchnell wuch¬
ſen, dik wurden, und Blätter hatten, deren Größe
und dunkle Farbe nie vorher auf dem Nußberge geſehen
worden war. Die wenigen Äſte, welche von früher
übrig geblieben waren, bedekten ſich mit Nüſſen, die
in diken Knöpfen und enge geſchaart an den Zweigen
ſaßen, als müßten dieſe die Pflicht der verloren
gegangenen Äſte übernehmen, und ſo viel Nüſſe, als
ſie nur immer könnten, auf die Welt bringen. Dieſel¬
ben waren noch grünlich und weißlich, fingen aber be¬
reits an, ſich mit einem ſanften rothen Hauche zu färben.

In dieſer Zeit war auch das Schuzhäuschen des
Vaters fertig geworden. Er hatte ein Stükchen Lan¬
des gekauft, das an der Morgenſeite des Berges
gelegen war, woher am ſeltenſten ein Gewitter zu
kommen pflegte. Er hatte das Häuschen ſo gebaut,
daß es gegen Mittag und Abend ein Fenſter mit
eiſernen Fenſterläden hatte, und daß gegen Morgen
die Thür war. Im Innern ſtand an der Mitternacht¬
ſeite ein Bänklein an der Wand, davor ein Tiſchlein
war. Es befanden ſich noch Stühle und Schemel in
dem Häuschen.

Die Kinder waren öfter, wenn ſie auf dem Nu߬

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[168/0179] Stämme der Haſeln der Birken der Eſchen der Erlen ſuchten durch ihren ſteigenden Saft die verlorenen Äſte zu erſezen, und trieben Zweige, die ſchnell wuch¬ ſen, dik wurden, und Blätter hatten, deren Größe und dunkle Farbe nie vorher auf dem Nußberge geſehen worden war. Die wenigen Äſte, welche von früher übrig geblieben waren, bedekten ſich mit Nüſſen, die in diken Knöpfen und enge geſchaart an den Zweigen ſaßen, als müßten dieſe die Pflicht der verloren gegangenen Äſte übernehmen, und ſo viel Nüſſe, als ſie nur immer könnten, auf die Welt bringen. Dieſel¬ ben waren noch grünlich und weißlich, fingen aber be¬ reits an, ſich mit einem ſanften rothen Hauche zu färben. In dieſer Zeit war auch das Schuzhäuschen des Vaters fertig geworden. Er hatte ein Stükchen Lan¬ des gekauft, das an der Morgenſeite des Berges gelegen war, woher am ſeltenſten ein Gewitter zu kommen pflegte. Er hatte das Häuschen ſo gebaut, daß es gegen Mittag und Abend ein Fenſter mit eiſernen Fenſterläden hatte, und daß gegen Morgen die Thür war. Im Innern ſtand an der Mitternacht¬ ſeite ein Bänklein an der Wand, davor ein Tiſchlein war. Es befanden ſich noch Stühle und Schemel in dem Häuschen. Die Kinder waren öfter, wenn ſie auf dem Nu߬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/179>, abgerufen am 21.11.2024.