"Leintücher, Leintücher, bindet Leintücher zusam¬ men," riefen mehrere Stimmen hinauf.
"Da ist eine Leiter," hörte man unten rufen, "die Leiter wird reichen, sie wird halten, für Kinder hält sie schon."
In dem Augenblike drängten sich der Altknecht und der Pferdeknecht durch die hier zusammenge¬ preßten Menschen, und trugen eine Leiter herbei. Sie war von den Wägen, die aus Gottes Vorsicht und mit dem Willen der Frau gerettet worden waren, genommen, und aus zwei Leitern eines Erntewagens zusammen gebunden worden.
Sie wurde angelehnt, und reichte.
Das braune Mädchen stieg zuerst aus dem Fen¬ ster. Es faßte festen Fuß auf den Sprossen, und half dann dem Knaben auch aus dem Fenster heraus. Die beiden Kinder kletterten nun schnell und geschikt über die Leiter herab.
Als sie auf dem Grase waren, kniete das braune Mädchen vor dem Knaben nieder, sezte sich auf seine eigenen Fersen, und sah den Knaben mit den schwar¬ zen Augen an.
Man hätte in der dunkeln Nacht und bei dem Scheine des Feuers sehen können, wie diese Augen freudesprühend waren, daß er gerettet sei.
„Leintücher, Leintücher, bindet Leintücher zuſam¬ men,“ riefen mehrere Stimmen hinauf.
„Da iſt eine Leiter,“ hörte man unten rufen, „die Leiter wird reichen, ſie wird halten, für Kinder hält ſie ſchon.“
In dem Augenblike drängten ſich der Altknecht und der Pferdeknecht durch die hier zuſammenge¬ preßten Menſchen, und trugen eine Leiter herbei. Sie war von den Wägen, die aus Gottes Vorſicht und mit dem Willen der Frau gerettet worden waren, genommen, und aus zwei Leitern eines Erntewagens zuſammen gebunden worden.
Sie wurde angelehnt, und reichte.
Das braune Mädchen ſtieg zuerſt aus dem Fen¬ ſter. Es faßte feſten Fuß auf den Sproſſen, und half dann dem Knaben auch aus dem Fenſter heraus. Die beiden Kinder kletterten nun ſchnell und geſchikt über die Leiter herab.
Als ſie auf dem Graſe waren, kniete das braune Mädchen vor dem Knaben nieder, ſezte ſich auf ſeine eigenen Ferſen, und ſah den Knaben mit den ſchwar¬ zen Augen an.
Man hätte in der dunkeln Nacht und bei dem Scheine des Feuers ſehen können, wie dieſe Augen freudeſprühend waren, daß er gerettet ſei.
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„Leintücher, Leintücher, bindet Leintücher zuſam¬
men,“ riefen mehrere Stimmen hinauf.
„Da iſt eine Leiter,“ hörte man unten rufen, „die
Leiter wird reichen, ſie wird halten, für Kinder hält
ſie ſchon.“
In dem Augenblike drängten ſich der Altknecht
und der Pferdeknecht durch die hier zuſammenge¬
preßten Menſchen, und trugen eine Leiter herbei.
Sie war von den Wägen, die aus Gottes Vorſicht
und mit dem Willen der Frau gerettet worden waren,
genommen, und aus zwei Leitern eines Erntewagens
zuſammen gebunden worden.
Sie wurde angelehnt, und reichte.
Das braune Mädchen ſtieg zuerſt aus dem Fen¬
ſter. Es faßte feſten Fuß auf den Sproſſen, und half
dann dem Knaben auch aus dem Fenſter heraus. Die
beiden Kinder kletterten nun ſchnell und geſchikt über
die Leiter herab.
Als ſie auf dem Graſe waren, kniete das braune
Mädchen vor dem Knaben nieder, ſezte ſich auf ſeine
eigenen Ferſen, und ſah den Knaben mit den ſchwar¬
zen Augen an.
Man hätte in der dunkeln Nacht und bei dem
Scheine des Feuers ſehen können, wie dieſe Augen
freudeſprühend waren, daß er gerettet ſei.
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/203>, abgerufen am 16.07.2024.
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