waren, saß es im Garten, und schaute mit den einsa¬ men Augen um sich.
Eines Sommers an einem sehr schönen Tage, da Fremde da waren, da man in dem großen Saale des Hauses Tanz Klavierspiel Pfänderspiele und städtische Vergnügen trieb, gingen Vater und Mutter gegen die Sandlehne zurük. Dort lag auf einem Sandhaufen in seinen schönen Kleidern das braune Mädchen, und schaute mit den verweinten Augen gegen die Erde. Die Mutter näherte sich, und fragte: "Was ist dir denn?"
Das Mädchen erhob sich ein wenig, und da Vater und Mutter sich auf ein Bänkchen neben dem Sand¬ haufen nieder gelassen hatten, saß es ihnen gleichsam zu Füssen.
"Liebes theures Mädchen," sagte die Mutter, "betrübe dich nicht, alles wird gut werden, wir lieben dich, wir geben dir alles, was dein Herz begehrt. Du bist ja unser Kind, unser liebes Kind. Oder hast du noch Vater und Mutter, so zeige es uns an, daß wir auch für sie thun, was wir können."
"Sture Mure ist todt, und der hohe Felsen ist todt," sagte das Mädchen.
"So bleibe bei uns," fuhr die Mutter fort, "hier ist deine Mutter, hier ist dein Vater, wir theilen
waren, ſaß es im Garten, und ſchaute mit den einſa¬ men Augen um ſich.
Eines Sommers an einem ſehr ſchönen Tage, da Fremde da waren, da man in dem großen Saale des Hauſes Tanz Klavierſpiel Pfänderſpiele und ſtädtiſche Vergnügen trieb, gingen Vater und Mutter gegen die Sandlehne zurük. Dort lag auf einem Sandhaufen in ſeinen ſchönen Kleidern das braune Mädchen, und ſchaute mit den verweinten Augen gegen die Erde. Die Mutter näherte ſich, und fragte: „Was iſt dir denn?“
Das Mädchen erhob ſich ein wenig, und da Vater und Mutter ſich auf ein Bänkchen neben dem Sand¬ haufen nieder gelaſſen hatten, ſaß es ihnen gleichſam zu Füſſen.
„Liebes theures Mädchen,“ ſagte die Mutter, „betrübe dich nicht, alles wird gut werden, wir lieben dich, wir geben dir alles, was dein Herz begehrt. Du biſt ja unſer Kind, unſer liebes Kind. Oder haſt du noch Vater und Mutter, ſo zeige es uns an, daß wir auch für ſie thun, was wir können.“
„Sture Mure iſt todt, und der hohe Felſen iſt todt,“ ſagte das Mädchen.
„So bleibe bei uns,“ fuhr die Mutter fort, „hier iſt deine Mutter, hier iſt dein Vater, wir theilen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0217"n="206"/>
waren, ſaß es im Garten, und ſchaute mit den einſa¬<lb/>
men Augen um ſich.</p><lb/><p>Eines Sommers an einem ſehr ſchönen Tage, da<lb/>
Fremde da waren, da man in dem großen Saale des<lb/>
Hauſes Tanz Klavierſpiel Pfänderſpiele und ſtädtiſche<lb/>
Vergnügen trieb, gingen Vater und Mutter gegen die<lb/>
Sandlehne zurük. Dort lag auf einem Sandhaufen<lb/>
in ſeinen ſchönen Kleidern das braune Mädchen, und<lb/>ſchaute mit den verweinten Augen gegen die Erde.<lb/>
Die Mutter näherte ſich, und fragte: „Was iſt dir<lb/>
denn?“</p><lb/><p>Das Mädchen erhob ſich ein wenig, und da Vater<lb/>
und Mutter ſich auf ein Bänkchen neben dem Sand¬<lb/>
haufen nieder gelaſſen hatten, ſaß es ihnen gleichſam<lb/>
zu Füſſen.</p><lb/><p>„Liebes theures Mädchen,“ſagte die Mutter,<lb/>„betrübe dich nicht, alles wird gut werden, wir lieben<lb/>
dich, wir geben dir alles, was dein Herz begehrt.<lb/>
Du biſt ja unſer Kind, unſer liebes Kind. Oder haſt<lb/>
du noch Vater und Mutter, ſo zeige es uns an, daß<lb/>
wir auch für ſie thun, was wir können.“</p><lb/><p>„Sture Mure iſt todt, und der hohe Felſen iſt<lb/>
todt,“ſagte das Mädchen.</p><lb/><p>„So bleibe bei uns,“ fuhr die Mutter fort, „hier<lb/>
iſt deine Mutter, hier iſt dein Vater, wir theilen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[206/0217]
waren, ſaß es im Garten, und ſchaute mit den einſa¬
men Augen um ſich.
Eines Sommers an einem ſehr ſchönen Tage, da
Fremde da waren, da man in dem großen Saale des
Hauſes Tanz Klavierſpiel Pfänderſpiele und ſtädtiſche
Vergnügen trieb, gingen Vater und Mutter gegen die
Sandlehne zurük. Dort lag auf einem Sandhaufen
in ſeinen ſchönen Kleidern das braune Mädchen, und
ſchaute mit den verweinten Augen gegen die Erde.
Die Mutter näherte ſich, und fragte: „Was iſt dir
denn?“
Das Mädchen erhob ſich ein wenig, und da Vater
und Mutter ſich auf ein Bänkchen neben dem Sand¬
haufen nieder gelaſſen hatten, ſaß es ihnen gleichſam
zu Füſſen.
„Liebes theures Mädchen,“ ſagte die Mutter,
„betrübe dich nicht, alles wird gut werden, wir lieben
dich, wir geben dir alles, was dein Herz begehrt.
Du biſt ja unſer Kind, unſer liebes Kind. Oder haſt
du noch Vater und Mutter, ſo zeige es uns an, daß
wir auch für ſie thun, was wir können.“
„Sture Mure iſt todt, und der hohe Felſen iſt
todt,“ ſagte das Mädchen.
„So bleibe bei uns,“ fuhr die Mutter fort, „hier
iſt deine Mutter, hier iſt dein Vater, wir theilen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/217>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.