Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

sie das eine, Clementia war das zweite und das
braune Mädchen das dritte. Blondköpfchen waren
der Vater und Emma. Braunköpfchen war Sigis¬
mund allein. Auch ein Weißköpfchen war unter den
Kindern vorhanden -- die Großmutter. Ihre Haare,
die grau waren, waren endlich so weiß geworden,
daß, wenn eine Loke neben der Krause der weißen
Haube zufällig hervor schaute, sie von derselben nicht
zu unterscheiden war.

Emma war eine schöne Jungfrau geworden, die
ernsthaft blikte, blaue Augen im stillen Haupte trug,
die Fülle der blonden Haare auf den Naken gehen
ließ, und wie ein altdeutsches Bild war. Clementia
war rosig und zart, und das süsse Feuer der schwar¬
zen Augen schaute unter den schwarzen Haaren
aus der Tiefe der Seele. Sigismund war muthig
heiter und frei, er war wirklich ein Mund des
Sieges; denn wenn seine Rede tönte, flogen ihm die
Herzen zu.

Es kamen aus der Nachbarschaft Leute, Jünglinge
und Mädchen, selbst aus der fernen Hauptstadt kamen
Bekannte, die Bewohner des abgelegenen Hofes zu
besuchen. Alle waren fröhlich, nur das braune Mäd¬
chen nicht. Seine Wangen waren, wie wenn es krank
wäre, und sein Blik war traurig. Wenn alle freudig

ſie das eine, Clementia war das zweite und das
braune Mädchen das dritte. Blondköpfchen waren
der Vater und Emma. Braunköpfchen war Sigis¬
mund allein. Auch ein Weißköpfchen war unter den
Kindern vorhanden — die Großmutter. Ihre Haare,
die grau waren, waren endlich ſo weiß geworden,
daß, wenn eine Loke neben der Krauſe der weißen
Haube zufällig hervor ſchaute, ſie von derſelben nicht
zu unterſcheiden war.

Emma war eine ſchöne Jungfrau geworden, die
ernſthaft blikte, blaue Augen im ſtillen Haupte trug,
die Fülle der blonden Haare auf den Naken gehen
ließ, und wie ein altdeutſches Bild war. Clementia
war roſig und zart, und das ſüſſe Feuer der ſchwar¬
zen Augen ſchaute unter den ſchwarzen Haaren
aus der Tiefe der Seele. Sigismund war muthig
heiter und frei, er war wirklich ein Mund des
Sieges; denn wenn ſeine Rede tönte, flogen ihm die
Herzen zu.

Es kamen aus der Nachbarſchaft Leute, Jünglinge
und Mädchen, ſelbſt aus der fernen Hauptſtadt kamen
Bekannte, die Bewohner des abgelegenen Hofes zu
beſuchen. Alle waren fröhlich, nur das braune Mäd¬
chen nicht. Seine Wangen waren, wie wenn es krank
wäre, und ſein Blik war traurig. Wenn alle freudig

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0216" n="205"/>
&#x017F;ie das eine, Clementia war das zweite und das<lb/>
braune Mädchen das dritte. Blondköpfchen waren<lb/>
der Vater und Emma. Braunköpfchen war Sigis¬<lb/>
mund allein. Auch ein Weißköpfchen war unter den<lb/>
Kindern vorhanden &#x2014; die Großmutter. Ihre Haare,<lb/>
die grau waren, waren endlich &#x017F;o weiß geworden,<lb/>
daß, wenn eine Loke neben der Krau&#x017F;e der weißen<lb/>
Haube zufällig hervor &#x017F;chaute, &#x017F;ie von der&#x017F;elben nicht<lb/>
zu unter&#x017F;cheiden war.</p><lb/>
        <p>Emma war eine &#x017F;chöne Jungfrau geworden, die<lb/>
ern&#x017F;thaft blikte, blaue Augen im &#x017F;tillen Haupte trug,<lb/>
die Fülle der blonden Haare auf den Naken gehen<lb/>
ließ, und wie ein altdeut&#x017F;ches Bild war. Clementia<lb/>
war ro&#x017F;ig und zart, und das &#x017F;ü&#x017F;&#x017F;e Feuer der &#x017F;chwar¬<lb/>
zen Augen &#x017F;chaute unter den &#x017F;chwarzen Haaren<lb/>
aus der Tiefe der Seele. Sigismund war muthig<lb/>
heiter und frei, er war wirklich ein Mund des<lb/>
Sieges; denn wenn &#x017F;eine Rede tönte, flogen ihm die<lb/>
Herzen zu.</p><lb/>
        <p>Es kamen aus der Nachbar&#x017F;chaft Leute, Jünglinge<lb/>
und Mädchen, &#x017F;elb&#x017F;t aus der fernen Haupt&#x017F;tadt kamen<lb/>
Bekannte, die Bewohner des abgelegenen Hofes zu<lb/>
be&#x017F;uchen. Alle waren fröhlich, nur das braune Mäd¬<lb/>
chen nicht. Seine Wangen waren, wie wenn es krank<lb/>
wäre, und &#x017F;ein Blik war traurig. Wenn alle freudig<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0216] ſie das eine, Clementia war das zweite und das braune Mädchen das dritte. Blondköpfchen waren der Vater und Emma. Braunköpfchen war Sigis¬ mund allein. Auch ein Weißköpfchen war unter den Kindern vorhanden — die Großmutter. Ihre Haare, die grau waren, waren endlich ſo weiß geworden, daß, wenn eine Loke neben der Krauſe der weißen Haube zufällig hervor ſchaute, ſie von derſelben nicht zu unterſcheiden war. Emma war eine ſchöne Jungfrau geworden, die ernſthaft blikte, blaue Augen im ſtillen Haupte trug, die Fülle der blonden Haare auf den Naken gehen ließ, und wie ein altdeutſches Bild war. Clementia war roſig und zart, und das ſüſſe Feuer der ſchwar¬ zen Augen ſchaute unter den ſchwarzen Haaren aus der Tiefe der Seele. Sigismund war muthig heiter und frei, er war wirklich ein Mund des Sieges; denn wenn ſeine Rede tönte, flogen ihm die Herzen zu. Es kamen aus der Nachbarſchaft Leute, Jünglinge und Mädchen, ſelbſt aus der fernen Hauptſtadt kamen Bekannte, die Bewohner des abgelegenen Hofes zu beſuchen. Alle waren fröhlich, nur das braune Mäd¬ chen nicht. Seine Wangen waren, wie wenn es krank wäre, und ſein Blik war traurig. Wenn alle freudig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/216
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/216>, abgerufen am 24.11.2024.