Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

und die Gleres an der Strasse rann. Da wurden die
Klippen lebendig, lauter Rauch und lauter Blizen
und Krachen, und auf jeden Schuß fiel ein Mann,
und es wurde immer geladen, und es krachte immer
wieder, als ob ihrer viele Tausende oben wären; und
wenn die Soldaten hinauf schossen, so trafen sie
niemand, weil sie niemand sahen, und wenn sie
hinauf wollten, so konnten sie nicht, weil die Felsen
zu steil waren, und weil sie erschossen wurden. Und
als sie sich beeilten, und im Laufe fort wollten, um
aus dem entsezlichen Wege zu kommen, und als sie
gegen den Ausgang gelangten, wo die Strasse durch
die engsten Schluchten läuft, da sprangen unzählige
Felsstüke von den Bergen nieder, aufgehängte Bäume
rollten herab, schmetterten alles nieder, machten
in der Enge einen Verhau, die Franzosen konnten
nicht vor, sie mußten zurük, sie flogen, sie rannten
-- da hatten sie aber das brennende Dorf, das sie
selbst angezündet hatten unter den Füssen, die hölzer¬
nen Häuser waren alle in Glut, daß man nicht
zwischen ihnen durch konnte. Da waren sie in der
Noth, da war mancher schneeweiße Mantel ein rother,
mancher schwamm in der Gleres, mancher lag auf
der Deke des Pferdes, ohne daß der Reiter dabei
war, viele Männer lagen auf der Strasse, viele ver¬

und die Gleres an der Straſſe rann. Da wurden die
Klippen lebendig, lauter Rauch und lauter Blizen
und Krachen, und auf jeden Schuß fiel ein Mann,
und es wurde immer geladen, und es krachte immer
wieder, als ob ihrer viele Tauſende oben wären; und
wenn die Soldaten hinauf ſchoſſen, ſo trafen ſie
niemand, weil ſie niemand ſahen, und wenn ſie
hinauf wollten, ſo konnten ſie nicht, weil die Felſen
zu ſteil waren, und weil ſie erſchoſſen wurden. Und
als ſie ſich beeilten, und im Laufe fort wollten, um
aus dem entſezlichen Wege zu kommen, und als ſie
gegen den Ausgang gelangten, wo die Straſſe durch
die engſten Schluchten läuft, da ſprangen unzählige
Felsſtüke von den Bergen nieder, aufgehängte Bäume
rollten herab, ſchmetterten alles nieder, machten
in der Enge einen Verhau, die Franzoſen konnten
nicht vor, ſie mußten zurük, ſie flogen, ſie rannten
— da hatten ſie aber das brennende Dorf, das ſie
ſelbſt angezündet hatten unter den Füſſen, die hölzer¬
nen Häuſer waren alle in Glut, daß man nicht
zwiſchen ihnen durch konnte. Da waren ſie in der
Noth, da war mancher ſchneeweiße Mantel ein rother,
mancher ſchwamm in der Gleres, mancher lag auf
der Deke des Pferdes, ohne daß der Reiter dabei
war, viele Männer lagen auf der Straſſe, viele ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0247" n="236"/>
und die Gleres an der Stra&#x017F;&#x017F;e rann. Da wurden die<lb/>
Klippen lebendig, lauter Rauch und lauter Blizen<lb/>
und Krachen, und auf jeden Schuß fiel ein Mann,<lb/>
und es wurde immer geladen, und es krachte immer<lb/>
wieder, als ob ihrer viele Tau&#x017F;ende oben wären; und<lb/>
wenn die Soldaten hinauf &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o trafen &#x017F;ie<lb/>
niemand, weil &#x017F;ie niemand &#x017F;ahen, und wenn &#x017F;ie<lb/>
hinauf wollten, &#x017F;o konnten &#x017F;ie nicht, weil die Fel&#x017F;en<lb/>
zu &#x017F;teil waren, und weil &#x017F;ie er&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en wurden. Und<lb/>
als &#x017F;ie &#x017F;ich beeilten, und im Laufe fort wollten, um<lb/>
aus dem ent&#x017F;ezlichen Wege zu kommen, und als &#x017F;ie<lb/>
gegen den Ausgang gelangten, wo die Stra&#x017F;&#x017F;e durch<lb/>
die eng&#x017F;ten Schluchten läuft, da &#x017F;prangen unzählige<lb/>
Fels&#x017F;tüke von den Bergen nieder, aufgehängte Bäume<lb/>
rollten herab, &#x017F;chmetterten alles nieder, machten<lb/>
in der Enge einen Verhau, die Franzo&#x017F;en konnten<lb/>
nicht vor, &#x017F;ie mußten zurük, &#x017F;ie flogen, &#x017F;ie rannten<lb/>
&#x2014; da hatten &#x017F;ie aber das brennende Dorf, das &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t angezündet hatten unter den Fü&#x017F;&#x017F;en, die hölzer¬<lb/>
nen Häu&#x017F;er waren alle in Glut, daß man nicht<lb/>
zwi&#x017F;chen ihnen durch konnte. Da waren &#x017F;ie in der<lb/>
Noth, da war mancher &#x017F;chneeweiße Mantel ein rother,<lb/>
mancher &#x017F;chwamm in der Gleres, mancher lag auf<lb/>
der Deke des Pferdes, ohne daß der Reiter dabei<lb/>
war, viele Männer lagen auf der Stra&#x017F;&#x017F;e, viele ver¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0247] und die Gleres an der Straſſe rann. Da wurden die Klippen lebendig, lauter Rauch und lauter Blizen und Krachen, und auf jeden Schuß fiel ein Mann, und es wurde immer geladen, und es krachte immer wieder, als ob ihrer viele Tauſende oben wären; und wenn die Soldaten hinauf ſchoſſen, ſo trafen ſie niemand, weil ſie niemand ſahen, und wenn ſie hinauf wollten, ſo konnten ſie nicht, weil die Felſen zu ſteil waren, und weil ſie erſchoſſen wurden. Und als ſie ſich beeilten, und im Laufe fort wollten, um aus dem entſezlichen Wege zu kommen, und als ſie gegen den Ausgang gelangten, wo die Straſſe durch die engſten Schluchten läuft, da ſprangen unzählige Felsſtüke von den Bergen nieder, aufgehängte Bäume rollten herab, ſchmetterten alles nieder, machten in der Enge einen Verhau, die Franzoſen konnten nicht vor, ſie mußten zurük, ſie flogen, ſie rannten — da hatten ſie aber das brennende Dorf, das ſie ſelbſt angezündet hatten unter den Füſſen, die hölzer¬ nen Häuſer waren alle in Glut, daß man nicht zwiſchen ihnen durch konnte. Da waren ſie in der Noth, da war mancher ſchneeweiße Mantel ein rother, mancher ſchwamm in der Gleres, mancher lag auf der Deke des Pferdes, ohne daß der Reiter dabei war, viele Männer lagen auf der Straſſe, viele ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/247
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/247>, abgerufen am 22.11.2024.