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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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den Krieg noch gesehen hatten, erkannten vollkommen
dessen Entsezliches, und daß ein solcher, der ihn muth¬
willig entzündet, wie sehr ihn spätere verblendete
Zeiten auch als Helden und Halbgott verehren, doch
ein verabscheuungswürdiger Mörder und Verfolger
der Menschheit ist, und sie meinten, daß nun die
Zeiten aus seien, wo man solches beginne, weil man
zur Einsicht gekommen: aber sie bedachten nicht,
daß andere Zeiten und andere Menschen kommen
würden, die den Krieg nicht kennen, die ihre Lei¬
denschaften walten lassen, und im Übermuthe wieder
das Ding, das so entsezlich ist, hervor rufen
würden.

Es war in unserem Schlosse abermals der Herbst
gekommen, aber ein so lieblicher, daß man die meiste
Zeit im Freien zubringen konnte, und daß die Bewoh¬
ner des Schlosses täglich große Spaziergänge mach¬
ten, um noch das lezte ruhige Lächeln der Natur vor
den Stürmen und Frösten zu genießen.

So sassen sie auch einmal alle an einem Nach¬
mittage auf einem Hügel, der in dem Garten nahe
an dem Gitterthore, das auf das Feld führt, entstan¬
den war. Alfred und Julius hatten nehmlich alle
Ferien aller ihrer Studienjahre dazu verwendet, mit
eigenen Händen und kleinen Schubkarren einen Hügel

Stifter, Jugendschriften. II. 17

den Krieg noch geſehen hatten, erkannten vollkommen
deſſen Entſezliches, und daß ein ſolcher, der ihn muth¬
willig entzündet, wie ſehr ihn ſpätere verblendete
Zeiten auch als Helden und Halbgott verehren, doch
ein verabſcheuungswürdiger Mörder und Verfolger
der Menſchheit iſt, und ſie meinten, daß nun die
Zeiten aus ſeien, wo man ſolches beginne, weil man
zur Einſicht gekommen: aber ſie bedachten nicht,
daß andere Zeiten und andere Menſchen kommen
würden, die den Krieg nicht kennen, die ihre Lei¬
denſchaften walten laſſen, und im Übermuthe wieder
das Ding, das ſo entſezlich iſt, hervor rufen
würden.

Es war in unſerem Schloſſe abermals der Herbſt
gekommen, aber ein ſo lieblicher, daß man die meiſte
Zeit im Freien zubringen konnte, und daß die Bewoh¬
ner des Schloſſes täglich große Spaziergänge mach¬
ten, um noch das lezte ruhige Lächeln der Natur vor
den Stürmen und Fröſten zu genießen.

So ſaſſen ſie auch einmal alle an einem Nach¬
mittage auf einem Hügel, der in dem Garten nahe
an dem Gitterthore, das auf das Feld führt, entſtan¬
den war. Alfred und Julius hatten nehmlich alle
Ferien aller ihrer Studienjahre dazu verwendet, mit
eigenen Händen und kleinen Schubkarren einen Hügel

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[257/0268] den Krieg noch geſehen hatten, erkannten vollkommen deſſen Entſezliches, und daß ein ſolcher, der ihn muth¬ willig entzündet, wie ſehr ihn ſpätere verblendete Zeiten auch als Helden und Halbgott verehren, doch ein verabſcheuungswürdiger Mörder und Verfolger der Menſchheit iſt, und ſie meinten, daß nun die Zeiten aus ſeien, wo man ſolches beginne, weil man zur Einſicht gekommen: aber ſie bedachten nicht, daß andere Zeiten und andere Menſchen kommen würden, die den Krieg nicht kennen, die ihre Lei¬ denſchaften walten laſſen, und im Übermuthe wieder das Ding, das ſo entſezlich iſt, hervor rufen würden. Es war in unſerem Schloſſe abermals der Herbſt gekommen, aber ein ſo lieblicher, daß man die meiſte Zeit im Freien zubringen konnte, und daß die Bewoh¬ ner des Schloſſes täglich große Spaziergänge mach¬ ten, um noch das lezte ruhige Lächeln der Natur vor den Stürmen und Fröſten zu genießen. So ſaſſen ſie auch einmal alle an einem Nach¬ mittage auf einem Hügel, der in dem Garten nahe an dem Gitterthore, das auf das Feld führt, entſtan¬ den war. Alfred und Julius hatten nehmlich alle Ferien aller ihrer Studienjahre dazu verwendet, mit eigenen Händen und kleinen Schubkarren einen Hügel Stifter, Jugendſchriften. II. 17

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/268>, abgerufen am 21.11.2024.