dem Haselnußgehege, das auf dem Halse ist, und schlugen mit Steinen Nüsse auf, oder spielten, wenn keine Nüsse waren, mit Blättern oder mit Hölzlein oder mit den weichen braunen Zöpfchen, die im ersten Frühjahre von den Zweigen der Nadelbäume herab fielen. Manchmal erzählte Konrad dem Schwesterchen Geschichten, oder wenn sie zu der rothen Unglüksäule kamen, führte er sie ein Stük auf dem Seitenwege links gegen die Höhen hinan, und sagte ihr, daß man da auf den Schneeberg gelange, daß dort Felsen und Steine seien, daß die Gemsen herum springen, und große Vögel fliegen. Er führte sie oft über den Wald hinaus, sie betrachteten dann den dürren Rasen und die kleinen Sträucher der Haidekräuter; aber er führte sie wieder zurük, und brachte sie immer vor der Abend¬ dämmerung nach Hause, was ihm stets Lob eintrug.
Einmal war am heiligen Abende, da die erste Morgendämmerung in dem Thale von Gschaid in Helle übergegangen war, ein dünner trokener Schleier über den ganzen Himmel gebreitet, so daß man die ohnedem schiefe und ferne Sonne im Südosten nur als einen undeutlichen rothen Flek sah, überdieß war an diesem Tage eine milde beinahe laulichte Luft unbeweglich im ganzen Thale und auch an dem Him¬ mel, wie die unveränderte und ruhige Gestalt der
dem Haſelnußgehege, das auf dem Halſe iſt, und ſchlugen mit Steinen Nüſſe auf, oder ſpielten, wenn keine Nüſſe waren, mit Blättern oder mit Hölzlein oder mit den weichen braunen Zöpfchen, die im erſten Frühjahre von den Zweigen der Nadelbäume herab fielen. Manchmal erzählte Konrad dem Schweſterchen Geſchichten, oder wenn ſie zu der rothen Unglükſäule kamen, führte er ſie ein Stük auf dem Seitenwege links gegen die Höhen hinan, und ſagte ihr, daß man da auf den Schneeberg gelange, daß dort Felſen und Steine ſeien, daß die Gemſen herum ſpringen, und große Vögel fliegen. Er führte ſie oft über den Wald hinaus, ſie betrachteten dann den dürren Raſen und die kleinen Sträucher der Haidekräuter; aber er führte ſie wieder zurük, und brachte ſie immer vor der Abend¬ dämmerung nach Hauſe, was ihm ſtets Lob eintrug.
Einmal war am heiligen Abende, da die erſte Morgendämmerung in dem Thale von Gſchaid in Helle übergegangen war, ein dünner trokener Schleier über den ganzen Himmel gebreitet, ſo daß man die ohnedem ſchiefe und ferne Sonne im Südoſten nur als einen undeutlichen rothen Flek ſah, überdieß war an dieſem Tage eine milde beinahe laulichte Luft unbeweglich im ganzen Thale und auch an dem Him¬ mel, wie die unveränderte und ruhige Geſtalt der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0045"n="34"/>
dem Haſelnußgehege, das auf dem Halſe iſt, und<lb/>ſchlugen mit Steinen Nüſſe auf, oder ſpielten, wenn<lb/>
keine Nüſſe waren, mit Blättern oder mit Hölzlein<lb/>
oder mit den weichen <choice><sic>brauen</sic><corr>braunen</corr></choice> Zöpfchen, die im erſten<lb/>
Frühjahre von den Zweigen der Nadelbäume herab<lb/>
fielen. Manchmal erzählte Konrad dem Schweſterchen<lb/>
Geſchichten, oder wenn ſie zu der rothen Unglükſäule<lb/>
kamen, führte er ſie ein Stük auf dem Seitenwege links<lb/>
gegen die Höhen hinan, und ſagte ihr, daß man da<lb/>
auf den Schneeberg gelange, daß dort Felſen und<lb/>
Steine ſeien, daß die Gemſen herum ſpringen, und<lb/>
große Vögel fliegen. Er führte ſie oft über den Wald<lb/>
hinaus, ſie betrachteten dann den dürren Raſen und<lb/>
die kleinen Sträucher der Haidekräuter; aber er führte<lb/>ſie wieder zurük, und brachte ſie immer vor der Abend¬<lb/>
dämmerung nach Hauſe, was ihm ſtets Lob eintrug.</p><lb/><p>Einmal war am heiligen Abende, da die erſte<lb/>
Morgendämmerung in dem Thale von Gſchaid in<lb/>
Helle übergegangen war, ein dünner trokener Schleier<lb/>
über den ganzen Himmel gebreitet, ſo daß man die<lb/>
ohnedem ſchiefe und ferne Sonne im Südoſten nur<lb/>
als einen undeutlichen rothen Flek ſah, überdieß war<lb/>
an dieſem Tage eine milde beinahe laulichte Luft<lb/>
unbeweglich im ganzen Thale und auch an dem Him¬<lb/>
mel, wie die unveränderte und ruhige Geſtalt der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[34/0045]
dem Haſelnußgehege, das auf dem Halſe iſt, und
ſchlugen mit Steinen Nüſſe auf, oder ſpielten, wenn
keine Nüſſe waren, mit Blättern oder mit Hölzlein
oder mit den weichen braunen Zöpfchen, die im erſten
Frühjahre von den Zweigen der Nadelbäume herab
fielen. Manchmal erzählte Konrad dem Schweſterchen
Geſchichten, oder wenn ſie zu der rothen Unglükſäule
kamen, führte er ſie ein Stük auf dem Seitenwege links
gegen die Höhen hinan, und ſagte ihr, daß man da
auf den Schneeberg gelange, daß dort Felſen und
Steine ſeien, daß die Gemſen herum ſpringen, und
große Vögel fliegen. Er führte ſie oft über den Wald
hinaus, ſie betrachteten dann den dürren Raſen und
die kleinen Sträucher der Haidekräuter; aber er führte
ſie wieder zurük, und brachte ſie immer vor der Abend¬
dämmerung nach Hauſe, was ihm ſtets Lob eintrug.
Einmal war am heiligen Abende, da die erſte
Morgendämmerung in dem Thale von Gſchaid in
Helle übergegangen war, ein dünner trokener Schleier
über den ganzen Himmel gebreitet, ſo daß man die
ohnedem ſchiefe und ferne Sonne im Südoſten nur
als einen undeutlichen rothen Flek ſah, überdieß war
an dieſem Tage eine milde beinahe laulichte Luft
unbeweglich im ganzen Thale und auch an dem Him¬
mel, wie die unveränderte und ruhige Geſtalt der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/45>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.