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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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einen immer kleineren Kreis um sie zog, und dann in
einen lichten streifenweise niederfallenden Nebel über¬
ging, der jedes Weitere verzehrte, und verhüllte, und
zulezt nichts anderes war als der unersättlich nieder¬
fallende Schnee.

"Warte Sanna," sagte der Knabe, "wir wollen ein
wenig stehen bleiben, und horchen, ob wir nicht etwas
hören können, was sich im Thale meldet, sei es nun
ein Hund oder eine Gloke oder die Mühle oder sei es
ein Ruf, der sich hören läßt, hören müssen wir etwas,
und dann werden wir wissen, wohin wir zu gehen
haben."

Sie blieben nun stehen, aber sie hörten nichts.
Sie blieben noch ein wenig länger stehen, aber es
meldete sich nichts, es war nicht ein einziger Laut auch
nicht der leiseste außer ihrem Athem zu vernehmen,
ja in der Stille, die herrschte, war es, als sollten sie
den Schnee hören, der auf ihre Wimpern fiel. Die
Voraussage der Großmutter hatte sich noch immer
nicht erfüllt, der Wind war nicht gekommen, ja was
in diesen Gegenden selten ist, nicht das leiseste Lüftchen
rührte sich an dem ganzen Himmel.

Nachdem sie lange gewartet hatten, gingen sie
wieder fort.

"Es thut auch nichts, Sanna," sagte der Knabe,

einen immer kleineren Kreis um ſie zog, und dann in
einen lichten ſtreifenweiſe niederfallenden Nebel über¬
ging, der jedes Weitere verzehrte, und verhüllte, und
zulezt nichts anderes war als der unerſättlich nieder¬
fallende Schnee.

„Warte Sanna,“ ſagte der Knabe, „wir wollen ein
wenig ſtehen bleiben, und horchen, ob wir nicht etwas
hören können, was ſich im Thale meldet, ſei es nun
ein Hund oder eine Gloke oder die Mühle oder ſei es
ein Ruf, der ſich hören läßt, hören müſſen wir etwas,
und dann werden wir wiſſen, wohin wir zu gehen
haben.“

Sie blieben nun ſtehen, aber ſie hörten nichts.
Sie blieben noch ein wenig länger ſtehen, aber es
meldete ſich nichts, es war nicht ein einziger Laut auch
nicht der leiſeſte außer ihrem Athem zu vernehmen,
ja in der Stille, die herrſchte, war es, als ſollten ſie
den Schnee hören, der auf ihre Wimpern fiel. Die
Vorausſage der Großmutter hatte ſich noch immer
nicht erfüllt, der Wind war nicht gekommen, ja was
in dieſen Gegenden ſelten iſt, nicht das leiſeſte Lüftchen
rührte ſich an dem ganzen Himmel.

Nachdem ſie lange gewartet hatten, gingen ſie
wieder fort.

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[53/0064] einen immer kleineren Kreis um ſie zog, und dann in einen lichten ſtreifenweiſe niederfallenden Nebel über¬ ging, der jedes Weitere verzehrte, und verhüllte, und zulezt nichts anderes war als der unerſättlich nieder¬ fallende Schnee. „Warte Sanna,“ ſagte der Knabe, „wir wollen ein wenig ſtehen bleiben, und horchen, ob wir nicht etwas hören können, was ſich im Thale meldet, ſei es nun ein Hund oder eine Gloke oder die Mühle oder ſei es ein Ruf, der ſich hören läßt, hören müſſen wir etwas, und dann werden wir wiſſen, wohin wir zu gehen haben.“ Sie blieben nun ſtehen, aber ſie hörten nichts. Sie blieben noch ein wenig länger ſtehen, aber es meldete ſich nichts, es war nicht ein einziger Laut auch nicht der leiſeſte außer ihrem Athem zu vernehmen, ja in der Stille, die herrſchte, war es, als ſollten ſie den Schnee hören, der auf ihre Wimpern fiel. Die Vorausſage der Großmutter hatte ſich noch immer nicht erfüllt, der Wind war nicht gekommen, ja was in dieſen Gegenden ſelten iſt, nicht das leiſeſte Lüftchen rührte ſich an dem ganzen Himmel. Nachdem ſie lange gewartet hatten, gingen ſie wieder fort. „Es thut auch nichts, Sanna,“ ſagte der Knabe,

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/64>, abgerufen am 21.11.2024.