Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

sich nieder. Das Aufstehen hatte ihnen ihre Müdig¬
keit erst recht gezeigt, und sie freuten sich auf das Sizen.
Konrad legte die Tasche aus Kalbfell ab. Er nahm
das Tuch heraus, in welches die Großmutter eine
Schachtel und mehrere Papierpäkchen gewikelt hatte,
und that es zu größerer Wärme um seine Schultern.
Auch die zwei Weisbrode nahm er aus dem Ränzchen,
und reichte sie beide an Sanna: Das Kind aß begierig.
Es aß eines der Brode und von dem zweiten auch noch
einen Theil. Den Rest reichte es aber Konrad, da es
sah, daß er nicht aß. Er nahm es, und verzehrte es.

Von da an saßen die Kinder, und schauten.

So weit sie in der Dämmerung zu sehen vermoch¬
ten, lag überall der flimmernde Schnee hinab, dessen
einzelne winzige Täfelchen hie und da in der Finster¬
niß seltsam zu funkeln begannen, als hätte er bei Tag
das Licht eingesogen, und gäbe es jezt von sich.

Die Nacht brach mit der in großen Höhen ge¬
wöhnlichen Schnelligkeit herein. Bald war es rings¬
herum finster, nur der Schnee fuhr fort, mit seinem
bleichen Lichte zu leuchten. Der Schneefall hatte nicht
nur aufgehört, sondern der Schleier an dem Himmel
fing auch an, sich zu verdünnen, und zu vertheilen;
denn die Kinder sahen ein Sternlein blizen. Weil der
Schnee wirklich gleichsam ein Licht von sich gab, und

ſich nieder. Das Aufſtehen hatte ihnen ihre Müdig¬
keit erſt recht gezeigt, und ſie freuten ſich auf das Sizen.
Konrad legte die Taſche aus Kalbfell ab. Er nahm
das Tuch heraus, in welches die Großmutter eine
Schachtel und mehrere Papierpäkchen gewikelt hatte,
und that es zu größerer Wärme um ſeine Schultern.
Auch die zwei Weisbrode nahm er aus dem Ränzchen,
und reichte ſie beide an Sanna: Das Kind aß begierig.
Es aß eines der Brode und von dem zweiten auch noch
einen Theil. Den Reſt reichte es aber Konrad, da es
ſah, daß er nicht aß. Er nahm es, und verzehrte es.

Von da an ſaßen die Kinder, und ſchauten.

So weit ſie in der Dämmerung zu ſehen vermoch¬
ten, lag überall der flimmernde Schnee hinab, deſſen
einzelne winzige Täfelchen hie und da in der Finſter¬
niß ſeltſam zu funkeln begannen, als hätte er bei Tag
das Licht eingeſogen, und gäbe es jezt von ſich.

Die Nacht brach mit der in großen Höhen ge¬
wöhnlichen Schnelligkeit herein. Bald war es rings¬
herum finſter, nur der Schnee fuhr fort, mit ſeinem
bleichen Lichte zu leuchten. Der Schneefall hatte nicht
nur aufgehört, ſondern der Schleier an dem Himmel
fing auch an, ſich zu verdünnen, und zu vertheilen;
denn die Kinder ſahen ein Sternlein blizen. Weil der
Schnee wirklich gleichſam ein Licht von ſich gab, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="66"/>
&#x017F;ich nieder. Das Auf&#x017F;tehen hatte ihnen ihre Müdig¬<lb/>
keit er&#x017F;t recht gezeigt, und &#x017F;ie freuten &#x017F;ich auf das Sizen.<lb/>
Konrad legte die Ta&#x017F;che aus Kalbfell ab. Er nahm<lb/>
das Tuch heraus, in welches die Großmutter eine<lb/>
Schachtel und mehrere Papierpäkchen gewikelt hatte,<lb/>
und that es zu größerer Wärme um &#x017F;eine Schultern.<lb/>
Auch die zwei Weisbrode nahm er aus dem Ränzchen,<lb/>
und reichte &#x017F;ie beide an Sanna: Das Kind aß begierig.<lb/>
Es aß eines der Brode und von dem zweiten auch noch<lb/>
einen Theil. Den Re&#x017F;t reichte es aber Konrad, da es<lb/>
&#x017F;ah, daß er nicht aß. Er nahm es, und verzehrte es.</p><lb/>
        <p>Von da an &#x017F;aßen die Kinder, und &#x017F;chauten.</p><lb/>
        <p>So weit &#x017F;ie in der Dämmerung zu &#x017F;ehen vermoch¬<lb/>
ten, lag überall der flimmernde Schnee hinab, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
einzelne winzige Täfelchen hie und da in der Fin&#x017F;ter¬<lb/>
niß &#x017F;elt&#x017F;am zu funkeln begannen, als hätte er bei Tag<lb/>
das Licht einge&#x017F;ogen, und gäbe es jezt von &#x017F;ich.</p><lb/>
        <p>Die Nacht brach mit der in großen Höhen ge¬<lb/>
wöhnlichen Schnelligkeit herein. Bald war es rings¬<lb/>
herum fin&#x017F;ter, nur der Schnee fuhr fort, mit &#x017F;einem<lb/>
bleichen Lichte zu leuchten. Der Schneefall hatte nicht<lb/>
nur aufgehört, &#x017F;ondern der Schleier an dem Himmel<lb/>
fing auch an, &#x017F;ich zu verdünnen, und zu vertheilen;<lb/>
denn die Kinder &#x017F;ahen ein Sternlein blizen. Weil der<lb/>
Schnee wirklich gleich&#x017F;am ein Licht von &#x017F;ich gab, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0077] ſich nieder. Das Aufſtehen hatte ihnen ihre Müdig¬ keit erſt recht gezeigt, und ſie freuten ſich auf das Sizen. Konrad legte die Taſche aus Kalbfell ab. Er nahm das Tuch heraus, in welches die Großmutter eine Schachtel und mehrere Papierpäkchen gewikelt hatte, und that es zu größerer Wärme um ſeine Schultern. Auch die zwei Weisbrode nahm er aus dem Ränzchen, und reichte ſie beide an Sanna: Das Kind aß begierig. Es aß eines der Brode und von dem zweiten auch noch einen Theil. Den Reſt reichte es aber Konrad, da es ſah, daß er nicht aß. Er nahm es, und verzehrte es. Von da an ſaßen die Kinder, und ſchauten. So weit ſie in der Dämmerung zu ſehen vermoch¬ ten, lag überall der flimmernde Schnee hinab, deſſen einzelne winzige Täfelchen hie und da in der Finſter¬ niß ſeltſam zu funkeln begannen, als hätte er bei Tag das Licht eingeſogen, und gäbe es jezt von ſich. Die Nacht brach mit der in großen Höhen ge¬ wöhnlichen Schnelligkeit herein. Bald war es rings¬ herum finſter, nur der Schnee fuhr fort, mit ſeinem bleichen Lichte zu leuchten. Der Schneefall hatte nicht nur aufgehört, ſondern der Schleier an dem Himmel fing auch an, ſich zu verdünnen, und zu vertheilen; denn die Kinder ſahen ein Sternlein blizen. Weil der Schnee wirklich gleichſam ein Licht von ſich gab, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/77
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/77>, abgerufen am 21.11.2024.