liches vor. Die Wahrheit ist aber Geist, durchaus Unsinn¬ liches, daher nur für das "höhere Bewußtsein", nicht für das "irdisch gesinnte".
Demnach geht mit Luther die Erkenntniß auf, daß die Wahrheit, weil sie Gedanke ist, nur für den denkenden Menschen sei. Und dieß heißt, daß der Mensch fortan einen schlechthin anderen Standpunkt einnehmen müsse, nämlich den himmlischen, gläubigen, wissenschaftlichen, oder den Standpunkt des Denkens gegenüber seinem Gegenstande dem -- Ge¬ danken, den Standpunkt des Geistes gegenüber dem Geiste. Also: Nur der Gleiche erkennt den Gleichen! "Du gleichst dem Geist, den Du begreifst."
Weil der Protestantismus die mittelalterliche Hierarchie knickte, konnte die Meinung Wurzel fassen, es sei die Hierarchie überhaupt durch ihn gebrochen worden, und gänzlich übersehen werden, daß er gerade eine "Reformation" war, also eine Auf¬ frischung der veralteten Hierarchie. Jene mittelalterliche war nur eine schwächliche Hierarchie gewesen, da sie alle mögliche Barbarei des Profanen unbezwungen neben sich hergehen lassen mußte, und erst die Reformation stählte die Kraft der Hierarchie. Wenn Bruno Bauer meint *): "Wie die Reformation haupt¬ sächlich die abstracte Losreißung des religiösen Princips von Kunst, Staat und Wissenschaft, also die Befreiung desselben von jenen Mächten war, mit denen es sich im Alterthum der Kirche und in der Hierarchie des Mittelalters verbunden hatte, so sind auch die theologischen und kirchlichen Richtungen, welche aus der Reformation hervorgingen, nur die consequente Durch¬ führung dieser Abstraction des religiösen Princips von den
*) Anekdota II, 152.
liches vor. Die Wahrheit iſt aber Geiſt, durchaus Unſinn¬ liches, daher nur für das „höhere Bewußtſein“, nicht für das „irdiſch geſinnte“.
Demnach geht mit Luther die Erkenntniß auf, daß die Wahrheit, weil ſie Gedanke iſt, nur für den denkenden Menſchen ſei. Und dieß heißt, daß der Menſch fortan einen ſchlechthin anderen Standpunkt einnehmen müſſe, nämlich den himmliſchen, gläubigen, wiſſenſchaftlichen, oder den Standpunkt des Denkens gegenüber ſeinem Gegenſtande dem — Ge¬ danken, den Standpunkt des Geiſtes gegenüber dem Geiſte. Alſo: Nur der Gleiche erkennt den Gleichen! „Du gleichſt dem Geiſt, den Du begreifſt.“
Weil der Proteſtantismus die mittelalterliche Hierarchie knickte, konnte die Meinung Wurzel faſſen, es ſei die Hierarchie überhaupt durch ihn gebrochen worden, und gänzlich überſehen werden, daß er gerade eine „Reformation“ war, alſo eine Auf¬ friſchung der veralteten Hierarchie. Jene mittelalterliche war nur eine ſchwächliche Hierarchie geweſen, da ſie alle mögliche Barbarei des Profanen unbezwungen neben ſich hergehen laſſen mußte, und erſt die Reformation ſtählte die Kraft der Hierarchie. Wenn Bruno Bauer meint *): „Wie die Reformation haupt¬ ſächlich die abſtracte Losreißung des religiöſen Princips von Kunſt, Staat und Wiſſenſchaft, alſo die Befreiung deſſelben von jenen Mächten war, mit denen es ſich im Alterthum der Kirche und in der Hierarchie des Mittelalters verbunden hatte, ſo ſind auch die theologiſchen und kirchlichen Richtungen, welche aus der Reformation hervorgingen, nur die conſequente Durch¬ führung dieſer Abſtraction des religiöſen Princips von den
*) Anekdota II, 152.
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liches vor. Die Wahrheit iſt aber Geiſt, durchaus Unſinn¬
liches, daher nur für das „höhere Bewußtſein“, nicht für das
„irdiſch geſinnte“.
Demnach geht mit Luther die Erkenntniß auf, daß die
Wahrheit, weil ſie Gedanke iſt, nur für den denkenden
Menſchen ſei. Und dieß heißt, daß der Menſch fortan einen
ſchlechthin anderen Standpunkt einnehmen müſſe, nämlich den
himmliſchen, gläubigen, wiſſenſchaftlichen, oder den Standpunkt
des Denkens gegenüber ſeinem Gegenſtande dem — Ge¬
danken, den Standpunkt des Geiſtes gegenüber dem Geiſte.
Alſo: Nur der Gleiche erkennt den Gleichen! „Du gleichſt
dem Geiſt, den Du begreifſt.“
Weil der Proteſtantismus die mittelalterliche Hierarchie
knickte, konnte die Meinung Wurzel faſſen, es ſei die Hierarchie
überhaupt durch ihn gebrochen worden, und gänzlich überſehen
werden, daß er gerade eine „Reformation“ war, alſo eine Auf¬
friſchung der veralteten Hierarchie. Jene mittelalterliche war
nur eine ſchwächliche Hierarchie geweſen, da ſie alle mögliche
Barbarei des Profanen unbezwungen neben ſich hergehen laſſen
mußte, und erſt die Reformation ſtählte die Kraft der Hierarchie.
Wenn Bruno Bauer meint *): „Wie die Reformation haupt¬
ſächlich die abſtracte Losreißung des religiöſen Princips von
Kunſt, Staat und Wiſſenſchaft, alſo die Befreiung deſſelben
von jenen Mächten war, mit denen es ſich im Alterthum der
Kirche und in der Hierarchie des Mittelalters verbunden hatte,
ſo ſind auch die theologiſchen und kirchlichen Richtungen, welche
aus der Reformation hervorgingen, nur die conſequente Durch¬
führung dieſer Abſtraction des religiöſen Princips von den
*)
Anekdota II, 152.
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/118>, abgerufen am 27.11.2024.
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