Was heißt das, Wir genießen Alle "Gleichheit der poli¬ tischen Rechte"? Nur dieß, daß der Staat keine Rücksicht auf Meine Person nehme, daß Ich ihm, wie jeder Andere, nur ein Mensch bin, ohne eine andere ihm imponirende Bedeutung zu haben. Ich imponire ihm nicht als Adliger, Sohn eines Edelmannes, oder gar als Erbe eines Beamten, dessen Amt Mir erblich zugehört (wie im Mittelalter die Grafschaften u. s. w. und später unter dem absoluten Königthum, wo erb¬ liche Aemter vorkommen). Nun hat der Staat eine unzählige Menge von Rechten zu vergeben, z. B. das Recht, ein Ba¬ taillon, Compagnie u. s. w. zu führen, das Recht, an einer Universität zu lesen u. s. w., er hat sie zu vergeben, weil sie die seinigen, d. h. Staatsrechte oder "politische" Rechte sind. Dabei ist's ihm gleich, an wen er sie ertheilt, wenn der Em¬ pfänger nur die Pflichten erfüllt, welche aus den überlassenen Rechten entspringen. Wir sind ihm Alle recht und -- gleich, Einer nicht mehr und nicht weniger werth, als der Andere. Wer den Armeebefehl empfängt, das gilt Mir gleich, spricht der souveraine Staat, vorausgesetzt, daß der Belehnte die Sache gehörig versteht. "Gleichheit der politischen Rechte" hat sonach den Sinn, daß Jeder jedes Recht, welches der Staat zu vergeben hat, erwerben darf, wenn er nur die daran geknüpften Bedingungen erfüllt, Bedingungen, welche nur in der Natur des jedesmaligen Rechtes, nicht in einer Vorliebe für die Person (persona grata) gesucht werden sollen: die Natur des Rechtes, Officier zu werden, bringt es z. B. mit sich, daß man gesunde Glieder und ein angemessenes Maaß von Kenntnissen besitze, aber sie hat nicht adlige Geburt zur Bedingung; könnte hingegen selbst der verdienteste Bürgerliche jene Charge nicht erreichen, so fände eine Ungleichheit der
Was heißt das, Wir genießen Alle „Gleichheit der poli¬ tiſchen Rechte“? Nur dieß, daß der Staat keine Rückſicht auf Meine Perſon nehme, daß Ich ihm, wie jeder Andere, nur ein Menſch bin, ohne eine andere ihm imponirende Bedeutung zu haben. Ich imponire ihm nicht als Adliger, Sohn eines Edelmannes, oder gar als Erbe eines Beamten, deſſen Amt Mir erblich zugehört (wie im Mittelalter die Grafſchaften u. ſ. w. und ſpäter unter dem abſoluten Königthum, wo erb¬ liche Aemter vorkommen). Nun hat der Staat eine unzählige Menge von Rechten zu vergeben, z. B. das Recht, ein Ba¬ taillon, Compagnie u. ſ. w. zu führen, das Recht, an einer Univerſität zu leſen u. ſ. w., er hat ſie zu vergeben, weil ſie die ſeinigen, d. h. Staatsrechte oder „politiſche“ Rechte ſind. Dabei iſt's ihm gleich, an wen er ſie ertheilt, wenn der Em¬ pfänger nur die Pflichten erfüllt, welche aus den überlaſſenen Rechten entſpringen. Wir ſind ihm Alle recht und — gleich, Einer nicht mehr und nicht weniger werth, als der Andere. Wer den Armeebefehl empfängt, das gilt Mir gleich, ſpricht der ſouveraine Staat, vorausgeſetzt, daß der Belehnte die Sache gehörig verſteht. „Gleichheit der politiſchen Rechte“ hat ſonach den Sinn, daß Jeder jedes Recht, welches der Staat zu vergeben hat, erwerben darf, wenn er nur die daran geknüpften Bedingungen erfüllt, Bedingungen, welche nur in der Natur des jedesmaligen Rechtes, nicht in einer Vorliebe für die Perſon (persona grata) geſucht werden ſollen: die Natur des Rechtes, Officier zu werden, bringt es z. B. mit ſich, daß man geſunde Glieder und ein angemeſſenes Maaß von Kenntniſſen beſitze, aber ſie hat nicht adlige Geburt zur Bedingung; könnte hingegen ſelbſt der verdienteſte Bürgerliche jene Charge nicht erreichen, ſo fände eine Ungleichheit der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0143"n="135"/><p>Was heißt das, Wir genießen Alle „Gleichheit der poli¬<lb/>
tiſchen Rechte“? Nur dieß, daß der Staat keine Rückſicht auf<lb/>
Meine Perſon nehme, daß Ich ihm, wie jeder Andere, nur<lb/>
ein Menſch bin, ohne eine andere ihm imponirende Bedeutung<lb/>
zu haben. Ich imponire ihm nicht als Adliger, Sohn eines<lb/>
Edelmannes, oder gar als Erbe eines Beamten, deſſen Amt<lb/>
Mir erblich zugehört (wie im Mittelalter die Grafſchaften<lb/>
u. ſ. w. und ſpäter unter dem abſoluten Königthum, wo erb¬<lb/>
liche Aemter vorkommen). Nun hat der Staat eine unzählige<lb/>
Menge von Rechten zu vergeben, z. B. das Recht, ein Ba¬<lb/>
taillon, Compagnie u. ſ. w. zu führen, das Recht, an einer<lb/>
Univerſität zu leſen u. ſ. w., er hat ſie zu vergeben, weil ſie<lb/>
die ſeinigen, d. h. Staatsrechte oder „politiſche“ Rechte ſind.<lb/>
Dabei iſt's ihm gleich, an wen er ſie ertheilt, wenn der Em¬<lb/>
pfänger nur die Pflichten erfüllt, welche aus den überlaſſenen<lb/>
Rechten entſpringen. Wir ſind ihm Alle recht und —<hirendition="#g">gleich</hi>,<lb/>
Einer nicht mehr und nicht weniger werth, als der Andere.<lb/>
Wer den Armeebefehl empfängt, das gilt Mir gleich, ſpricht<lb/>
der ſouveraine Staat, vorausgeſetzt, daß der Belehnte die<lb/>
Sache gehörig verſteht. „Gleichheit der politiſchen Rechte“<lb/>
hat ſonach den Sinn, daß Jeder jedes Recht, welches der<lb/>
Staat zu vergeben hat, erwerben darf, wenn er nur die daran<lb/>
geknüpften Bedingungen erfüllt, Bedingungen, welche nur in<lb/>
der Natur des jedesmaligen Rechtes, nicht in einer Vorliebe<lb/>
für die Perſon (<hirendition="#aq">persona grata</hi>) geſucht werden ſollen: die<lb/>
Natur des Rechtes, Officier zu werden, bringt es z. B. mit<lb/>ſich, daß man geſunde Glieder und ein angemeſſenes Maaß<lb/>
von Kenntniſſen beſitze, aber ſie hat nicht adlige Geburt zur<lb/>
Bedingung; könnte hingegen ſelbſt der verdienteſte Bürgerliche<lb/>
jene Charge nicht erreichen, ſo fände eine Ungleichheit der<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[135/0143]
Was heißt das, Wir genießen Alle „Gleichheit der poli¬
tiſchen Rechte“? Nur dieß, daß der Staat keine Rückſicht auf
Meine Perſon nehme, daß Ich ihm, wie jeder Andere, nur
ein Menſch bin, ohne eine andere ihm imponirende Bedeutung
zu haben. Ich imponire ihm nicht als Adliger, Sohn eines
Edelmannes, oder gar als Erbe eines Beamten, deſſen Amt
Mir erblich zugehört (wie im Mittelalter die Grafſchaften
u. ſ. w. und ſpäter unter dem abſoluten Königthum, wo erb¬
liche Aemter vorkommen). Nun hat der Staat eine unzählige
Menge von Rechten zu vergeben, z. B. das Recht, ein Ba¬
taillon, Compagnie u. ſ. w. zu führen, das Recht, an einer
Univerſität zu leſen u. ſ. w., er hat ſie zu vergeben, weil ſie
die ſeinigen, d. h. Staatsrechte oder „politiſche“ Rechte ſind.
Dabei iſt's ihm gleich, an wen er ſie ertheilt, wenn der Em¬
pfänger nur die Pflichten erfüllt, welche aus den überlaſſenen
Rechten entſpringen. Wir ſind ihm Alle recht und — gleich,
Einer nicht mehr und nicht weniger werth, als der Andere.
Wer den Armeebefehl empfängt, das gilt Mir gleich, ſpricht
der ſouveraine Staat, vorausgeſetzt, daß der Belehnte die
Sache gehörig verſteht. „Gleichheit der politiſchen Rechte“
hat ſonach den Sinn, daß Jeder jedes Recht, welches der
Staat zu vergeben hat, erwerben darf, wenn er nur die daran
geknüpften Bedingungen erfüllt, Bedingungen, welche nur in
der Natur des jedesmaligen Rechtes, nicht in einer Vorliebe
für die Perſon (persona grata) geſucht werden ſollen: die
Natur des Rechtes, Officier zu werden, bringt es z. B. mit
ſich, daß man geſunde Glieder und ein angemeſſenes Maaß
von Kenntniſſen beſitze, aber ſie hat nicht adlige Geburt zur
Bedingung; könnte hingegen ſelbſt der verdienteſte Bürgerliche
jene Charge nicht erreichen, ſo fände eine Ungleichheit der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/143>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.