nen zu wollen. Daß die Gesellschaft gar kein Ich ist, das geben, verleihen oder gewähren könnte, sondern ein Instrument oder Mittel, aus dem Wir Nutzen ziehen mögen, daß Wir keine gesellschaftlichen Pflichten, sondern lediglich Interessen haben, zu deren Verfolgung Uns die Gesellschaft dienen müsse, daß Wir der Gesellschaft kein Opfer schuldig sind, sondern, opfern Wir etwas, es Uns opfern: daran denken die Socialen nicht, weil sie -- als Liberale -- im religiösen Princip gefangen sitzen und eifrig trachten nach einer, wie es der Staat bisher war, -- heiligen Gesellschaft!
Die Gesellschaft, von der Wir alles haben, ist eine neue Herrin, ein neuer Spuk, ein neues "höchstes Wesen", das Uns "in Dienst und Pflicht nimmt!"
Die nähere Würdigung des politischen sowohl als des socialen Liberalismus kann ihre Stelle erst weiter unten finden. Wir gehen für jetzt dazu über, sie vor den Richterstuhl des humanen oder kritischen Liberalismus zu stellen.
§. 3.Der humane Liberalismus.
Da in dem sich kritisirenden, dem "kritischen" Liberalis¬ mus, wobei der Kritiker ein Liberaler bleibt und über das Princip des Liberalismus, den Menschen, nicht hinausgeht, der Liberalismus sich vollendet, so mag er vorzugsweise nach dem Menschen benannt werden und der "humane" heißen.
Der Arbeiter gilt für den materiellsten und egoistischsten Menschen. Er leistet für die Menschheit gar nichts, thut alles für sich, zu seiner Wohlfahrt.
Das Bürgerthum hat, weil es den Menschen nur sei¬ ner Geburt nach für frei ausgab, ihn im Uebrigen in den
11 *
nen zu wollen. Daß die Geſellſchaft gar kein Ich iſt, das geben, verleihen oder gewähren könnte, ſondern ein Inſtrument oder Mittel, aus dem Wir Nutzen ziehen mögen, daß Wir keine geſellſchaftlichen Pflichten, ſondern lediglich Intereſſen haben, zu deren Verfolgung Uns die Geſellſchaft dienen müſſe, daß Wir der Geſellſchaft kein Opfer ſchuldig ſind, ſondern, opfern Wir etwas, es Uns opfern: daran denken die Socialen nicht, weil ſie — als Liberale — im religiöſen Princip gefangen ſitzen und eifrig trachten nach einer, wie es der Staat bisher war, — heiligen Geſellſchaft!
Die Geſellſchaft, von der Wir alles haben, iſt eine neue Herrin, ein neuer Spuk, ein neues „höchſtes Weſen“, das Uns „in Dienſt und Pflicht nimmt!“
Die nähere Würdigung des politiſchen ſowohl als des ſocialen Liberalismus kann ihre Stelle erſt weiter unten finden. Wir gehen für jetzt dazu über, ſie vor den Richterſtuhl des humanen oder kritiſchen Liberalismus zu ſtellen.
§. 3.Der humane Liberalismus.
Da in dem ſich kritiſirenden, dem „kritiſchen“ Liberalis¬ mus, wobei der Kritiker ein Liberaler bleibt und über das Princip des Liberalismus, den Menſchen, nicht hinausgeht, der Liberalismus ſich vollendet, ſo mag er vorzugsweiſe nach dem Menſchen benannt werden und der „humane“ heißen.
Der Arbeiter gilt für den materiellſten und egoiſtiſchſten Menſchen. Er leiſtet für die Menſchheit gar nichts, thut alles für ſich, zu ſeiner Wohlfahrt.
Das Bürgerthum hat, weil es den Menſchen nur ſei¬ ner Geburt nach für frei ausgab, ihn im Uebrigen in den
11 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0171"n="163"/>
nen</hi> zu wollen. Daß die Geſellſchaft gar kein Ich iſt, das<lb/>
geben, verleihen oder gewähren könnte, ſondern ein Inſtrument<lb/>
oder Mittel, aus dem Wir Nutzen ziehen mögen, daß Wir keine<lb/>
geſellſchaftlichen Pflichten, ſondern lediglich Intereſſen haben,<lb/>
zu deren Verfolgung Uns die Geſellſchaft dienen müſſe, daß<lb/>
Wir der Geſellſchaft kein Opfer ſchuldig ſind, ſondern, opfern<lb/>
Wir etwas, es Uns opfern: daran denken die Socialen nicht,<lb/>
weil ſie — als Liberale — im religiöſen Princip gefangen<lb/>ſitzen und eifrig trachten nach einer, wie es der Staat bisher<lb/>
war, — heiligen Geſellſchaft!</p><lb/><p>Die Geſellſchaft, von der Wir alles haben, iſt eine neue<lb/>
Herrin, ein neuer Spuk, ein neues „höchſtes Weſen“, das<lb/>
Uns „in Dienſt und Pflicht nimmt!“</p><lb/><p>Die nähere Würdigung des politiſchen ſowohl als des<lb/>ſocialen Liberalismus kann ihre Stelle erſt weiter unten finden.<lb/>
Wir gehen für jetzt dazu über, ſie vor den Richterſtuhl des<lb/>
humanen oder kritiſchen Liberalismus zu ſtellen.</p><lb/></div><divn="4"><head><hirendition="#b">§. 3.</hi><hirendition="#g">Der humane Liberalismus.</hi><lb/></head><p>Da in dem ſich kritiſirenden, dem „kritiſchen“ Liberalis¬<lb/>
mus, wobei der Kritiker ein Liberaler bleibt und über das<lb/>
Princip des Liberalismus, den Menſchen, nicht hinausgeht,<lb/>
der Liberalismus ſich vollendet, ſo mag er vorzugsweiſe nach<lb/>
dem Menſchen benannt werden und der „humane“ heißen.</p><lb/><p>Der Arbeiter gilt für den materiellſten und egoiſtiſchſten<lb/>
Menſchen. Er leiſtet <hirendition="#g">für die Menſchheit</hi> gar nichts, thut<lb/>
alles <hirendition="#g">für ſich</hi>, zu ſeiner Wohlfahrt.</p><lb/><p>Das Bürgerthum hat, weil es <hirendition="#g">den Menſchen</hi> nur ſei¬<lb/>
ner Geburt nach für frei ausgab, ihn im Uebrigen in den<lb/><fwplace="bottom"type="sig">11 *<lb/></fw></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[163/0171]
nen zu wollen. Daß die Geſellſchaft gar kein Ich iſt, das
geben, verleihen oder gewähren könnte, ſondern ein Inſtrument
oder Mittel, aus dem Wir Nutzen ziehen mögen, daß Wir keine
geſellſchaftlichen Pflichten, ſondern lediglich Intereſſen haben,
zu deren Verfolgung Uns die Geſellſchaft dienen müſſe, daß
Wir der Geſellſchaft kein Opfer ſchuldig ſind, ſondern, opfern
Wir etwas, es Uns opfern: daran denken die Socialen nicht,
weil ſie — als Liberale — im religiöſen Princip gefangen
ſitzen und eifrig trachten nach einer, wie es der Staat bisher
war, — heiligen Geſellſchaft!
Die Geſellſchaft, von der Wir alles haben, iſt eine neue
Herrin, ein neuer Spuk, ein neues „höchſtes Weſen“, das
Uns „in Dienſt und Pflicht nimmt!“
Die nähere Würdigung des politiſchen ſowohl als des
ſocialen Liberalismus kann ihre Stelle erſt weiter unten finden.
Wir gehen für jetzt dazu über, ſie vor den Richterſtuhl des
humanen oder kritiſchen Liberalismus zu ſtellen.
§. 3. Der humane Liberalismus.
Da in dem ſich kritiſirenden, dem „kritiſchen“ Liberalis¬
mus, wobei der Kritiker ein Liberaler bleibt und über das
Princip des Liberalismus, den Menſchen, nicht hinausgeht,
der Liberalismus ſich vollendet, ſo mag er vorzugsweiſe nach
dem Menſchen benannt werden und der „humane“ heißen.
Der Arbeiter gilt für den materiellſten und egoiſtiſchſten
Menſchen. Er leiſtet für die Menſchheit gar nichts, thut
alles für ſich, zu ſeiner Wohlfahrt.
Das Bürgerthum hat, weil es den Menſchen nur ſei¬
ner Geburt nach für frei ausgab, ihn im Uebrigen in den
11 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/171>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.