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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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(die egoistische Macht stopft den Denkenden den Mund). Der
theoretische Kampf kann nicht den Sieg vollenden und die
heilige Macht des Gedankens unterliegt der Gewalt des Egois¬
mus. Nur der egoistische Kampf, der Kampf von Egoisten
auf beiden Seiten, bringt Alles ins Klare.

Dieß Letzte nun, das Denken selbst zu einer Sache des
egoistischen Beliebens, einer Sache des Einzigen, gleichsam zu
einer bloßen Kurzweil oder Liebhaberei zu machen und ihm
die Bedeutung, "letzte entscheidende Macht zu sein", abzuneh¬
men, diese Herabsetzung und Entheiligung des Denkens, diese
Gleichstellung des gedankenlosen und gedankenvollen Ich's,
diese plumpe, aber wirkliche "Gleichkeit" -- vermag die Kritik
nicht herzustellen, weil sie selbst nur Priesterin des Denkens ist
und über das Denken hinaus nichts sieht als -- die Sündfluth.

Die Kritik behauptet z. B. zwar, daß die freie Kritik
über den Staat siegen dürfe, aber sie wahrt sich zugleich ge¬
gen den Vorwurf, welcher ihr von der Staatsregierung ge¬
macht wird, daß sie "Willkühr und Frechheit" sei; sie meint
also, "Willkühr und Frechheit" dürften nicht siegen, nur sie
dürfe es. Es ist vielmehr umgekehrt: der Staat kann nur
von frecher Willkühr wirklich besiegt werden.

Es kann nun, um hiermit zu schließen, einleuchten, daß
der Kritiker in seiner neuen Wendung sich selber nicht umge¬
wandelt, sondern nur "ein Versehen gut gemacht" hat, "mit
einem Gegenstande ins Reine gekommen" ist und zu viel sagt,
wenn er davon spricht, daß "die Kritik sich selbst kritisire";
sie oder vielmehr er hat nur ihr "Versehen" kritisirt und sie
von ihren " Inconsequenzen" geläutert. Wollte er die Kritik
kritisiren, so mußte er zusehen, ob an der Voraussetzung der¬
selben etwas sei.

(die egoiſtiſche Macht ſtopft den Denkenden den Mund). Der
theoretiſche Kampf kann nicht den Sieg vollenden und die
heilige Macht des Gedankens unterliegt der Gewalt des Egois¬
mus. Nur der egoiſtiſche Kampf, der Kampf von Egoiſten
auf beiden Seiten, bringt Alles ins Klare.

Dieß Letzte nun, das Denken ſelbſt zu einer Sache des
egoiſtiſchen Beliebens, einer Sache des Einzigen, gleichſam zu
einer bloßen Kurzweil oder Liebhaberei zu machen und ihm
die Bedeutung, „letzte entſcheidende Macht zu ſein“, abzuneh¬
men, dieſe Herabſetzung und Entheiligung des Denkens, dieſe
Gleichſtellung des gedankenloſen und gedankenvollen Ich's,
dieſe plumpe, aber wirkliche „Gleichkeit“ — vermag die Kritik
nicht herzuſtellen, weil ſie ſelbſt nur Prieſterin des Denkens iſt
und über das Denken hinaus nichts ſieht als — die Sündfluth.

Die Kritik behauptet z. B. zwar, daß die freie Kritik
über den Staat ſiegen dürfe, aber ſie wahrt ſich zugleich ge¬
gen den Vorwurf, welcher ihr von der Staatsregierung ge¬
macht wird, daß ſie „Willkühr und Frechheit“ ſei; ſie meint
alſo, „Willkühr und Frechheit“ dürften nicht ſiegen, nur ſie
dürfe es. Es iſt vielmehr umgekehrt: der Staat kann nur
von frecher Willkühr wirklich beſiegt werden.

Es kann nun, um hiermit zu ſchließen, einleuchten, daß
der Kritiker in ſeiner neuen Wendung ſich ſelber nicht umge¬
wandelt, ſondern nur „ein Verſehen gut gemacht“ hat, „mit
einem Gegenſtande ins Reine gekommen“ iſt und zu viel ſagt,
wenn er davon ſpricht, daß „die Kritik ſich ſelbſt kritiſire“;
ſie oder vielmehr er hat nur ihr „Verſehen“ kritiſirt und ſie
von ihren „ Inconſequenzen“ geläutert. Wollte er die Kritik
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[199/0207] (die egoiſtiſche Macht ſtopft den Denkenden den Mund). Der theoretiſche Kampf kann nicht den Sieg vollenden und die heilige Macht des Gedankens unterliegt der Gewalt des Egois¬ mus. Nur der egoiſtiſche Kampf, der Kampf von Egoiſten auf beiden Seiten, bringt Alles ins Klare. Dieß Letzte nun, das Denken ſelbſt zu einer Sache des egoiſtiſchen Beliebens, einer Sache des Einzigen, gleichſam zu einer bloßen Kurzweil oder Liebhaberei zu machen und ihm die Bedeutung, „letzte entſcheidende Macht zu ſein“, abzuneh¬ men, dieſe Herabſetzung und Entheiligung des Denkens, dieſe Gleichſtellung des gedankenloſen und gedankenvollen Ich's, dieſe plumpe, aber wirkliche „Gleichkeit“ — vermag die Kritik nicht herzuſtellen, weil ſie ſelbſt nur Prieſterin des Denkens iſt und über das Denken hinaus nichts ſieht als — die Sündfluth. Die Kritik behauptet z. B. zwar, daß die freie Kritik über den Staat ſiegen dürfe, aber ſie wahrt ſich zugleich ge¬ gen den Vorwurf, welcher ihr von der Staatsregierung ge¬ macht wird, daß ſie „Willkühr und Frechheit“ ſei; ſie meint alſo, „Willkühr und Frechheit“ dürften nicht ſiegen, nur ſie dürfe es. Es iſt vielmehr umgekehrt: der Staat kann nur von frecher Willkühr wirklich beſiegt werden. Es kann nun, um hiermit zu ſchließen, einleuchten, daß der Kritiker in ſeiner neuen Wendung ſich ſelber nicht umge¬ wandelt, ſondern nur „ein Verſehen gut gemacht“ hat, „mit einem Gegenſtande ins Reine gekommen“ iſt und zu viel ſagt, wenn er davon ſpricht, daß „die Kritik ſich ſelbſt kritiſire“; ſie oder vielmehr er hat nur ihr „Verſehen“ kritiſirt und ſie von ihren „ Inconſequenzen“ geläutert. Wollte er die Kritik kritiſiren, ſo mußte er zuſehen, ob an der Vorausſetzung der¬ ſelben etwas ſei.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/207>, abgerufen am 23.11.2024.