wieder die Stände, die Städte, kurz allerlei Körperschaften, zuletzt in äußerster Zuspitzung das kleine Völkchen der -- Fa¬ milie. Statt zu sagen, die spukende Person aller bisherigen Gesellschaften sei das Volk gewesen, könnten daher auch die beiden Extreme genannt werden, nämlich entweder die "Mensch¬ heit" oder die "Familie", beide die "naturwüchsigsten Ein¬ heiten". Wir wählen das Wort "Volk", weil man seine Ab¬ stammung mit dem griechischen Polloi, den "Vielen" oder der "Menge" zusammengebracht hat, mehr aber noch deshalb, weil die "nationalen Bestrebungen" heute an der Tagesordnung sind, und weil auch die neuesten Empörer diese trügerische Person noch nicht abgeschüttelt haben, obwohl andererseits die letztere Erwägung dem Ausdruck "Menschheit" den Vorzug geben müßte, da man von allen Seiten drauf und dran ist, für die "Menschheit" zu schwärmen.
Also das Volk, -- die Menschheit oder die Familie --, haben seither, wie es scheint, Geschichte gespielt: kein egoisti¬ sches Interesse sollte in diesen Gesellschaften aufkommen, son¬ dern lediglich allgemeine, nationale oder Volksinteressen, Stan¬ desinteressen, Familieninteressen und "allgemein menschliche Interessen". Wer aber hat die Völker, deren Untergang die Geschichte erzählt, zu Fall gebracht? Wer anders als der Egoist, der seine Befriedigung suchte! Schlich sich einmal ein egoistisches Interesse ein, so war die Gesellschaft "verdor¬ ben" und ging ihrer Auflösung entgegen, wie z. B. das Römer¬ thum beweist mit seinem ausgebildeten Privatrecht, oder das Christenthum mit der unaufhaltsam hereinbrechenden "vernünf¬ tigen Selbstbestimmung", dem "Selbstbewußtsein", der "Auto¬ nomie des Geistes" u. s. w.
Das Christenvolk hat zwei Gesellschaften hervorgebracht,
wieder die Stände, die Städte, kurz allerlei Körperſchaften, zuletzt in äußerſter Zuſpitzung das kleine Völkchen der — Fa¬ milie. Statt zu ſagen, die ſpukende Perſon aller bisherigen Geſellſchaften ſei das Volk geweſen, könnten daher auch die beiden Extreme genannt werden, nämlich entweder die „Menſch¬ heit“ oder die „Familie“, beide die „naturwüchſigſten Ein¬ heiten“. Wir wählen das Wort „Volk“, weil man ſeine Ab¬ ſtammung mit dem griechiſchen Polloi, den „Vielen“ oder der „Menge“ zuſammengebracht hat, mehr aber noch deshalb, weil die „nationalen Beſtrebungen“ heute an der Tagesordnung ſind, und weil auch die neueſten Empörer dieſe trügeriſche Perſon noch nicht abgeſchüttelt haben, obwohl andererſeits die letztere Erwägung dem Ausdruck „Menſchheit“ den Vorzug geben müßte, da man von allen Seiten drauf und dran iſt, für die „Menſchheit“ zu ſchwärmen.
Alſo das Volk, — die Menſchheit oder die Familie —, haben ſeither, wie es ſcheint, Geſchichte geſpielt: kein egoiſti¬ ſches Intereſſe ſollte in dieſen Geſellſchaften aufkommen, ſon¬ dern lediglich allgemeine, nationale oder Volksintereſſen, Stan¬ desintereſſen, Familienintereſſen und „allgemein menſchliche Intereſſen“. Wer aber hat die Völker, deren Untergang die Geſchichte erzählt, zu Fall gebracht? Wer anders als der Egoiſt, der ſeine Befriedigung ſuchte! Schlich ſich einmal ein egoiſtiſches Intereſſe ein, ſo war die Geſellſchaft „verdor¬ ben“ und ging ihrer Auflöſung entgegen, wie z. B. das Römer¬ thum beweiſt mit ſeinem ausgebildeten Privatrecht, oder das Chriſtenthum mit der unaufhaltſam hereinbrechenden „vernünf¬ tigen Selbſtbeſtimmung“, dem „Selbſtbewußtſein“, der „Auto¬ nomie des Geiſtes“ u. ſ. w.
Das Chriſtenvolk hat zwei Geſellſchaften hervorgebracht,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0286"n="278"/>
wieder die Stände, die Städte, kurz allerlei Körperſchaften,<lb/>
zuletzt in äußerſter Zuſpitzung das kleine Völkchen der —<hirendition="#g">Fa¬<lb/>
milie</hi>. Statt zu ſagen, die ſpukende Perſon aller bisherigen<lb/>
Geſellſchaften ſei das Volk geweſen, könnten daher auch die<lb/>
beiden Extreme genannt werden, nämlich entweder die „Menſch¬<lb/>
heit“ oder die „Familie“, beide die „naturwüchſigſten Ein¬<lb/>
heiten“. Wir wählen das Wort „Volk“, weil man ſeine Ab¬<lb/>ſtammung mit dem griechiſchen <hirendition="#aq">Polloi</hi>, den „Vielen“ oder der<lb/>„Menge“ zuſammengebracht hat, mehr aber noch deshalb, weil<lb/>
die „nationalen Beſtrebungen“ heute an der Tagesordnung<lb/>ſind, und weil auch die neueſten Empörer dieſe trügeriſche<lb/>
Perſon noch nicht abgeſchüttelt haben, obwohl andererſeits die<lb/>
letztere Erwägung dem Ausdruck „Menſchheit“ den Vorzug<lb/>
geben müßte, da man von allen Seiten drauf und dran iſt,<lb/>
für die „Menſchheit“ zu ſchwärmen.</p><lb/><p>Alſo das Volk, — die Menſchheit oder die Familie —,<lb/>
haben ſeither, wie es ſcheint, Geſchichte geſpielt: kein <hirendition="#g">egoiſti¬<lb/>ſches</hi> Intereſſe ſollte in dieſen Geſellſchaften aufkommen, ſon¬<lb/>
dern lediglich allgemeine, nationale oder Volksintereſſen, Stan¬<lb/>
desintereſſen, Familienintereſſen und „allgemein menſchliche<lb/>
Intereſſen“. Wer aber hat die Völker, deren Untergang die<lb/>
Geſchichte erzählt, zu Fall gebracht? Wer anders als der<lb/>
Egoiſt, der <hirendition="#g">ſeine</hi> Befriedigung ſuchte! Schlich ſich einmal<lb/>
ein egoiſtiſches Intereſſe ein, ſo war die Geſellſchaft „verdor¬<lb/>
ben“ und ging ihrer Auflöſung entgegen, wie z. B. das Römer¬<lb/>
thum beweiſt mit ſeinem ausgebildeten Privatrecht, oder das<lb/>
Chriſtenthum mit der unaufhaltſam hereinbrechenden „vernünf¬<lb/>
tigen Selbſtbeſtimmung“, dem „Selbſtbewußtſein“, der „Auto¬<lb/>
nomie des Geiſtes“ u. ſ. w.</p><lb/><p>Das Chriſtenvolk hat zwei Geſellſchaften hervorgebracht,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[278/0286]
wieder die Stände, die Städte, kurz allerlei Körperſchaften,
zuletzt in äußerſter Zuſpitzung das kleine Völkchen der — Fa¬
milie. Statt zu ſagen, die ſpukende Perſon aller bisherigen
Geſellſchaften ſei das Volk geweſen, könnten daher auch die
beiden Extreme genannt werden, nämlich entweder die „Menſch¬
heit“ oder die „Familie“, beide die „naturwüchſigſten Ein¬
heiten“. Wir wählen das Wort „Volk“, weil man ſeine Ab¬
ſtammung mit dem griechiſchen Polloi, den „Vielen“ oder der
„Menge“ zuſammengebracht hat, mehr aber noch deshalb, weil
die „nationalen Beſtrebungen“ heute an der Tagesordnung
ſind, und weil auch die neueſten Empörer dieſe trügeriſche
Perſon noch nicht abgeſchüttelt haben, obwohl andererſeits die
letztere Erwägung dem Ausdruck „Menſchheit“ den Vorzug
geben müßte, da man von allen Seiten drauf und dran iſt,
für die „Menſchheit“ zu ſchwärmen.
Alſo das Volk, — die Menſchheit oder die Familie —,
haben ſeither, wie es ſcheint, Geſchichte geſpielt: kein egoiſti¬
ſches Intereſſe ſollte in dieſen Geſellſchaften aufkommen, ſon¬
dern lediglich allgemeine, nationale oder Volksintereſſen, Stan¬
desintereſſen, Familienintereſſen und „allgemein menſchliche
Intereſſen“. Wer aber hat die Völker, deren Untergang die
Geſchichte erzählt, zu Fall gebracht? Wer anders als der
Egoiſt, der ſeine Befriedigung ſuchte! Schlich ſich einmal
ein egoiſtiſches Intereſſe ein, ſo war die Geſellſchaft „verdor¬
ben“ und ging ihrer Auflöſung entgegen, wie z. B. das Römer¬
thum beweiſt mit ſeinem ausgebildeten Privatrecht, oder das
Chriſtenthum mit der unaufhaltſam hereinbrechenden „vernünf¬
tigen Selbſtbeſtimmung“, dem „Selbſtbewußtſein“, der „Auto¬
nomie des Geiſtes“ u. ſ. w.
Das Chriſtenvolk hat zwei Geſellſchaften hervorgebracht,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/286>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.