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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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oder Familienliebe, von den Gliedern derselben beobachtet wird.
Ein Sohn, welchem Aeltern und Geschwister gleichgültig ge¬
worden sind, ist Sohn gewesen; denn da die Sohnschaft
sich nicht mehr wirksam beweist, so hat sie keine größere Be¬
deutung, als der längst vergangene Zusammenhang von Mut¬
ter und Kind durch den Nabelstrang. Daß man einst in die¬
ser leiblichen Verbindung gelebt, das läßt sich als eine gesche¬
hene Sache nicht ungeschehen machen, und in so weit bleibt
man unwiderruflich der Sohn dieser Mutter und der Bruder
ihrer übrigen Kinder; aber zu einem fortdauernden Zusammen¬
hange käme es nur durch fortdauernde Pietät, diesen Familien¬
geist. Die Einzelnen sind nur dann im vollen Sinne Glieder
einer Familie, wenn sie das Bestehen der Familie zu ihrer
Aufgabe machen; nur als conservativ halten sie sich fern
davon, an ihrer Basis, der Familie, zu zweifeln. Eines muß
jedem Familiengliede fest und heilig sein, nämlich die Familie
selbst, oder sprechender: die Pietät. Daß die Familie beste¬
hen
soll, das bleibt dem Gliede derselben, so lange es sich
vom familienfeindlichen Egoismus frei erhält, eine unantastbare
Wahrheit. Mit Einem Worte --: Ist die Familie heilig, so
darf sich Keiner, der zu ihr gehört, lossagen, widrigenfalls er
an der Familie zum "Verbrecher" wird; er darf niemals ein
familienfeindliches Interesse verfolgen, z. B. keine Mißheirath
schließen. Wer das thut, der hat "die Familie entehrt", hat
ihr "Schande gemacht" u. s. w.

Hat nun in einem Einzelnen der egoistische Trieb nicht
Kraft genug, so fügt er sich und schließt eine Heirath, welche
den Ansprüchen der Familie convenirt, ergreift einen Stand,
der mit ihrer Stellung harmonirt u. dergl., kurz er "macht der
Familie Ehre."

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oder Familienliebe, von den Gliedern derſelben beobachtet wird.
Ein Sohn, welchem Aeltern und Geſchwiſter gleichgültig ge¬
worden ſind, iſt Sohn geweſen; denn da die Sohnſchaft
ſich nicht mehr wirkſam beweiſt, ſo hat ſie keine größere Be¬
deutung, als der längſt vergangene Zuſammenhang von Mut¬
ter und Kind durch den Nabelſtrang. Daß man einſt in die¬
ſer leiblichen Verbindung gelebt, das läßt ſich als eine geſche¬
hene Sache nicht ungeſchehen machen, und in ſo weit bleibt
man unwiderruflich der Sohn dieſer Mutter und der Bruder
ihrer übrigen Kinder; aber zu einem fortdauernden Zuſammen¬
hange käme es nur durch fortdauernde Pietät, dieſen Familien¬
geiſt. Die Einzelnen ſind nur dann im vollen Sinne Glieder
einer Familie, wenn ſie das Beſtehen der Familie zu ihrer
Aufgabe machen; nur als conſervativ halten ſie ſich fern
davon, an ihrer Baſis, der Familie, zu zweifeln. Eines muß
jedem Familiengliede feſt und heilig ſein, nämlich die Familie
ſelbſt, oder ſprechender: die Pietät. Daß die Familie beſte¬
hen
ſoll, das bleibt dem Gliede derſelben, ſo lange es ſich
vom familienfeindlichen Egoismus frei erhält, eine unantaſtbare
Wahrheit. Mit Einem Worte —: Iſt die Familie heilig, ſo
darf ſich Keiner, der zu ihr gehört, losſagen, widrigenfalls er
an der Familie zum „Verbrecher“ wird; er darf niemals ein
familienfeindliches Intereſſe verfolgen, z. B. keine Mißheirath
ſchließen. Wer das thut, der hat „die Familie entehrt“, hat
ihr „Schande gemacht“ u. ſ. w.

Hat nun in einem Einzelnen der egoiſtiſche Trieb nicht
Kraft genug, ſo fügt er ſich und ſchließt eine Heirath, welche
den Anſprüchen der Familie convenirt, ergreift einen Stand,
der mit ihrer Stellung harmonirt u. dergl., kurz er „macht der
Familie Ehre.“

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[289/0297] oder Familienliebe, von den Gliedern derſelben beobachtet wird. Ein Sohn, welchem Aeltern und Geſchwiſter gleichgültig ge¬ worden ſind, iſt Sohn geweſen; denn da die Sohnſchaft ſich nicht mehr wirkſam beweiſt, ſo hat ſie keine größere Be¬ deutung, als der längſt vergangene Zuſammenhang von Mut¬ ter und Kind durch den Nabelſtrang. Daß man einſt in die¬ ſer leiblichen Verbindung gelebt, das läßt ſich als eine geſche¬ hene Sache nicht ungeſchehen machen, und in ſo weit bleibt man unwiderruflich der Sohn dieſer Mutter und der Bruder ihrer übrigen Kinder; aber zu einem fortdauernden Zuſammen¬ hange käme es nur durch fortdauernde Pietät, dieſen Familien¬ geiſt. Die Einzelnen ſind nur dann im vollen Sinne Glieder einer Familie, wenn ſie das Beſtehen der Familie zu ihrer Aufgabe machen; nur als conſervativ halten ſie ſich fern davon, an ihrer Baſis, der Familie, zu zweifeln. Eines muß jedem Familiengliede feſt und heilig ſein, nämlich die Familie ſelbſt, oder ſprechender: die Pietät. Daß die Familie beſte¬ hen ſoll, das bleibt dem Gliede derſelben, ſo lange es ſich vom familienfeindlichen Egoismus frei erhält, eine unantaſtbare Wahrheit. Mit Einem Worte —: Iſt die Familie heilig, ſo darf ſich Keiner, der zu ihr gehört, losſagen, widrigenfalls er an der Familie zum „Verbrecher“ wird; er darf niemals ein familienfeindliches Intereſſe verfolgen, z. B. keine Mißheirath ſchließen. Wer das thut, der hat „die Familie entehrt“, hat ihr „Schande gemacht“ u. ſ. w. Hat nun in einem Einzelnen der egoiſtiſche Trieb nicht Kraft genug, ſo fügt er ſich und ſchließt eine Heirath, welche den Anſprüchen der Familie convenirt, ergreift einen Stand, der mit ihrer Stellung harmonirt u. dergl., kurz er „macht der Familie Ehre.“ 19

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/297>, abgerufen am 23.11.2024.