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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Concurriren aber wirklich die Personen? Nein, wie¬
derum nur die Sachen! Die Gelder in erster Reihe u. s. w.

In dem Wettstreit wird immer Einer hinter dem Andern
zurückbleiben (z. B. ein Dichterling hinter einem Dichter).
Allein es macht einen Unterschied, ob die fehlenden Mittel des
unglücklichen Concurrirenden persönliche oder sächliche sind, und
ebenso, ob die sächlichen Mittel durch persönliche Kraft
gewonnen werden können oder nur durch Gnade zu erhalten
sind, nur als Geschenk, und zwar, indem z. B. der Aermere
dem Reichen seinen Reichthum lassen, d. h. schenken muß.
Muß Ich aber überhaupt auf die Genehmigung des
Staates
warten, um die Mittel zu erhalten oder zu gebrau¬
chen (z. B. bei der Promotion), so habe Ich die Mittel durch
die Gnade des Staates. *)

Freie Concurrenz hat also nur folgenden Sinn: Alle gel¬
ten dem Staate als seine gleichen Kinder, und jeder kann
laufen und rennen, um sich die Güter und Gnadenspen¬
den des Staates zu verdienen
. Darum jagen auch
alle nach der Habe, dem Haben, dem Besitz (sei es von Geld
oder Aemtern, Ehrentiteln u. s. w.), nach der Sache.

Nach dem Sinne des Bürgerthums ist Jeder Inhaber
oder "Eigenthümer". Woher kommt es nun, daß doch die
Meisten so viel wie nichts haben? Es kommt daher, weil

*) Auf Gymnasien und Universitäten u. s. w. concurriren Arme mit
Reichen. Aber sie vermögens meist nur durch Stipendien, die -- was
bedeutend -- fast alle aus einer Zeit stammen, wo die freie Concurrenz
noch weit davon entfernt war, als Princip zu walten. Das Princip der
Concurrenz stiftet keine Stipendien, sondern meint: Hilf Dir selbst, d. h.
verschaff Dir die Mittel. Was der Staat zu solchem Zwecke hergiebt,
das legt er auf Interessen an, um sich "Diener" heranzubilden.

Concurriren aber wirklich die Perſonen? Nein, wie¬
derum nur die Sachen! Die Gelder in erſter Reihe u. ſ. w.

In dem Wettſtreit wird immer Einer hinter dem Andern
zurückbleiben (z. B. ein Dichterling hinter einem Dichter).
Allein es macht einen Unterſchied, ob die fehlenden Mittel des
unglücklichen Concurrirenden perſönliche oder ſächliche ſind, und
ebenſo, ob die ſächlichen Mittel durch perſönliche Kraft
gewonnen werden können oder nur durch Gnade zu erhalten
ſind, nur als Geſchenk, und zwar, indem z. B. der Aermere
dem Reichen ſeinen Reichthum laſſen, d. h. ſchenken muß.
Muß Ich aber überhaupt auf die Genehmigung des
Staates
warten, um die Mittel zu erhalten oder zu gebrau¬
chen (z. B. bei der Promotion), ſo habe Ich die Mittel durch
die Gnade des Staates. *)

Freie Concurrenz hat alſo nur folgenden Sinn: Alle gel¬
ten dem Staate als ſeine gleichen Kinder, und jeder kann
laufen und rennen, um ſich die Güter und Gnadenſpen¬
den des Staates zu verdienen
. Darum jagen auch
alle nach der Habe, dem Haben, dem Beſitz (ſei es von Geld
oder Aemtern, Ehrentiteln u. ſ. w.), nach der Sache.

Nach dem Sinne des Bürgerthums iſt Jeder Inhaber
oder „Eigenthümer“. Woher kommt es nun, daß doch die
Meiſten ſo viel wie nichts haben? Es kommt daher, weil

*) Auf Gymnaſien und Univerſitäten u. ſ. w. concurriren Arme mit
Reichen. Aber ſie vermögens meiſt nur durch Stipendien, die — was
bedeutend — faſt alle aus einer Zeit ſtammen, wo die freie Concurrenz
noch weit davon entfernt war, als Princip zu walten. Das Princip der
Concurrenz ſtiftet keine Stipendien, ſondern meint: Hilf Dir ſelbſt, d. h.
verſchaff Dir die Mittel. Was der Staat zu ſolchem Zwecke hergiebt,
das legt er auf Intereſſen an, um ſich „Diener“ heranzubilden.
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[348/0356] Concurriren aber wirklich die Perſonen? Nein, wie¬ derum nur die Sachen! Die Gelder in erſter Reihe u. ſ. w. In dem Wettſtreit wird immer Einer hinter dem Andern zurückbleiben (z. B. ein Dichterling hinter einem Dichter). Allein es macht einen Unterſchied, ob die fehlenden Mittel des unglücklichen Concurrirenden perſönliche oder ſächliche ſind, und ebenſo, ob die ſächlichen Mittel durch perſönliche Kraft gewonnen werden können oder nur durch Gnade zu erhalten ſind, nur als Geſchenk, und zwar, indem z. B. der Aermere dem Reichen ſeinen Reichthum laſſen, d. h. ſchenken muß. Muß Ich aber überhaupt auf die Genehmigung des Staates warten, um die Mittel zu erhalten oder zu gebrau¬ chen (z. B. bei der Promotion), ſo habe Ich die Mittel durch die Gnade des Staates. *) Freie Concurrenz hat alſo nur folgenden Sinn: Alle gel¬ ten dem Staate als ſeine gleichen Kinder, und jeder kann laufen und rennen, um ſich die Güter und Gnadenſpen¬ den des Staates zu verdienen. Darum jagen auch alle nach der Habe, dem Haben, dem Beſitz (ſei es von Geld oder Aemtern, Ehrentiteln u. ſ. w.), nach der Sache. Nach dem Sinne des Bürgerthums iſt Jeder Inhaber oder „Eigenthümer“. Woher kommt es nun, daß doch die Meiſten ſo viel wie nichts haben? Es kommt daher, weil *) Auf Gymnaſien und Univerſitäten u. ſ. w. concurriren Arme mit Reichen. Aber ſie vermögens meiſt nur durch Stipendien, die — was bedeutend — faſt alle aus einer Zeit ſtammen, wo die freie Concurrenz noch weit davon entfernt war, als Princip zu walten. Das Princip der Concurrenz ſtiftet keine Stipendien, ſondern meint: Hilf Dir ſelbſt, d. h. verſchaff Dir die Mittel. Was der Staat zu ſolchem Zwecke hergiebt, das legt er auf Intereſſen an, um ſich „Diener“ heranzubilden.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/356>, abgerufen am 23.11.2024.