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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Hervorbringung sollte sich auch Jeder betheiligen; es ist seine
Sache, sein Eigenthum, nicht Eigenthum des zünftigen oder
concessionirten Meisters.

Blicken Wir nochmals zurück. Den Kindern dieser Welt,
den Menschenkindern, gehört die Welt; sie ist nicht mehr Got¬
tes, sondern des Menschen Welt. So viel jeder Mensch von
ihr sich verschaffen kann, nenne er das Seinige; nur wird der
wahre Mensch, der Staat, die menschliche Gesellschaft oder die
Menschheit darauf sehen, daß Jeder nichts anderes zum Sei¬
nigen mache, als was er als Mensch, d. h. auf menschliche
Weise sich aneignet. Die unmenschliche Aneignung ist die
vom Menschen nicht bewilligte, d. h. sie ist eine "verbrecherische",
wie umgekehrt die menschliche eine "rechtliche", eine auf dem
"Rechtswege" erworbene ist.

So spricht man seit der Revolution.

Mein Eigenthum aber ist kein Ding, da dieses eine von
Mir unabhängige Existenz hat; mein eigen ist nur meine Ge¬
walt. Nicht dieser Baum, sondern meine Gewalt oder Ver¬
fügung über ihn ist die meinige.

Wie drückt man diese Gewalt nun verkehrter Weise aus?
Man sagt, Ich habe ein Recht auf diesen Baum, oder er sei
mein rechtliches Eigenthum. Erworben also habe Ich
ihn durch Gewalt. Daß die Gewalt fortdauern müsse, damit
er auch behauptet werde, oder besser: daß die Gewalt nicht
ein für sich Existirendes sei, sondern lediglich im gewaltigen
Ich
, in Mir, dem Gewaltigen, Existenz habe, das wird ver¬
gessen. Die Gewalt wird, wie andere meiner Eigenschaf¬
ten
, z. B. die Menschlichkeit, Majestät u. s. w., zu einem
Fürsichseienden erhoben, so daß sie noch existirt, wenn sie längst
nicht mehr meine Gewalt ist. Derart in ein Gespenst ver¬

Hervorbringung ſollte ſich auch Jeder betheiligen; es iſt ſeine
Sache, ſein Eigenthum, nicht Eigenthum des zünftigen oder
conceſſionirten Meiſters.

Blicken Wir nochmals zurück. Den Kindern dieſer Welt,
den Menſchenkindern, gehört die Welt; ſie iſt nicht mehr Got¬
tes, ſondern des Menſchen Welt. So viel jeder Menſch von
ihr ſich verſchaffen kann, nenne er das Seinige; nur wird der
wahre Menſch, der Staat, die menſchliche Geſellſchaft oder die
Menſchheit darauf ſehen, daß Jeder nichts anderes zum Sei¬
nigen mache, als was er als Menſch, d. h. auf menſchliche
Weiſe ſich aneignet. Die unmenſchliche Aneignung iſt die
vom Menſchen nicht bewilligte, d. h. ſie iſt eine „verbrecheriſche“,
wie umgekehrt die menſchliche eine „rechtliche“, eine auf dem
„Rechtswege“ erworbene iſt.

So ſpricht man ſeit der Revolution.

Mein Eigenthum aber iſt kein Ding, da dieſes eine von
Mir unabhängige Exiſtenz hat; mein eigen iſt nur meine Ge¬
walt. Nicht dieſer Baum, ſondern meine Gewalt oder Ver¬
fügung über ihn iſt die meinige.

Wie drückt man dieſe Gewalt nun verkehrter Weiſe aus?
Man ſagt, Ich habe ein Recht auf dieſen Baum, oder er ſei
mein rechtliches Eigenthum. Erworben alſo habe Ich
ihn durch Gewalt. Daß die Gewalt fortdauern müſſe, damit
er auch behauptet werde, oder beſſer: daß die Gewalt nicht
ein für ſich Exiſtirendes ſei, ſondern lediglich im gewaltigen
Ich
, in Mir, dem Gewaltigen, Exiſtenz habe, das wird ver¬
geſſen. Die Gewalt wird, wie andere meiner Eigenſchaf¬
ten
, z. B. die Menſchlichkeit, Majeſtät u. ſ. w., zu einem
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[366/0374] Hervorbringung ſollte ſich auch Jeder betheiligen; es iſt ſeine Sache, ſein Eigenthum, nicht Eigenthum des zünftigen oder conceſſionirten Meiſters. Blicken Wir nochmals zurück. Den Kindern dieſer Welt, den Menſchenkindern, gehört die Welt; ſie iſt nicht mehr Got¬ tes, ſondern des Menſchen Welt. So viel jeder Menſch von ihr ſich verſchaffen kann, nenne er das Seinige; nur wird der wahre Menſch, der Staat, die menſchliche Geſellſchaft oder die Menſchheit darauf ſehen, daß Jeder nichts anderes zum Sei¬ nigen mache, als was er als Menſch, d. h. auf menſchliche Weiſe ſich aneignet. Die unmenſchliche Aneignung iſt die vom Menſchen nicht bewilligte, d. h. ſie iſt eine „verbrecheriſche“, wie umgekehrt die menſchliche eine „rechtliche“, eine auf dem „Rechtswege“ erworbene iſt. So ſpricht man ſeit der Revolution. Mein Eigenthum aber iſt kein Ding, da dieſes eine von Mir unabhängige Exiſtenz hat; mein eigen iſt nur meine Ge¬ walt. Nicht dieſer Baum, ſondern meine Gewalt oder Ver¬ fügung über ihn iſt die meinige. Wie drückt man dieſe Gewalt nun verkehrter Weiſe aus? Man ſagt, Ich habe ein Recht auf dieſen Baum, oder er ſei mein rechtliches Eigenthum. Erworben alſo habe Ich ihn durch Gewalt. Daß die Gewalt fortdauern müſſe, damit er auch behauptet werde, oder beſſer: daß die Gewalt nicht ein für ſich Exiſtirendes ſei, ſondern lediglich im gewaltigen Ich, in Mir, dem Gewaltigen, Exiſtenz habe, das wird ver¬ geſſen. Die Gewalt wird, wie andere meiner Eigenſchaf¬ ten, z. B. die Menſchlichkeit, Majeſtät u. ſ. w., zu einem Fürſichſeienden erhoben, ſo daß ſie noch exiſtirt, wenn ſie längſt nicht mehr meine Gewalt iſt. Derart in ein Geſpenſt ver¬

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/374>, abgerufen am 23.11.2024.