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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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willen) frei sein müßte. Sie wollen aus ihr eine "Volks¬
sache" machen.

Zum Eigenthum des Volkes geworden ist sie aber noch
weit davon entfernt, das meinige zu sein, vielmehr behält sie
für Mich die untergeordnete Bedeutung einer Erlaubniß.
Das Volk spielt den Richter über meine Gedanken, für die
Ich ihm Rechenschaft schuldig oder verantwortlich bin. Die
Geschworenen haben, wenn ihre fixen Ideen angegriffen werden,
eben so harte Köpfe und Herzen, als die stiersten Despoten
und deren knechtische Beamten.

In den "Liberalen Bestrebungen" *)behauptet E. Bauer,
daß die Preßfreiheit im absolutistischen und im constitutionellen
Staate unmöglich sei, im "freien Staate" hingegen ihre Stelle
finde. "Hier," heißt es, "ist es anerkannt, daß der Einzelne,
weil er nicht mehr einzelner, sondern Mitglied einer wahrhaften
und vernünftigen Allgemeinheit ist, das Recht hat, sich aus¬
zusprechen." Also nicht der Einzelne, sondern das "Mitglied"
hat Preßfreiheit. Muß aber der Einzelne sich zum Behuf der
Preßfreiheit erst über seinen Glauben an das Allgemeine, das
Volk, ausweisen, hat er diese Freiheit nicht durch eigene Ge¬
walt
, so ist sie eine Volksfreiheit, eine Freiheit, die ihm
um seines Glaubens, seiner "Mitgliedschaft" willen verliehen
wird. Umgekehrt, gerade als Einzelnem steht Jedem die Frei¬
heit offen, sich auszusprechen. Aber er hat nicht das "Recht",
jene Freiheit ist allerdings nicht sein "heiliges Recht". Er
hat nur die Gewalt; aber die Gewalt allein macht ihn zum
Eigner. Ich brauche keine Concession zur Preßfreiheit, brauche
nicht die Bewilligung des Volkes dazu, brauche nicht das

*) II, S. 91. ff. (Siehe meine obige Anmerkung.)

willen) frei ſein müßte. Sie wollen aus ihr eine „Volks¬
ſache“ machen.

Zum Eigenthum des Volkes geworden iſt ſie aber noch
weit davon entfernt, das meinige zu ſein, vielmehr behält ſie
für Mich die untergeordnete Bedeutung einer Erlaubniß.
Das Volk ſpielt den Richter über meine Gedanken, für die
Ich ihm Rechenſchaft ſchuldig oder verantwortlich bin. Die
Geſchworenen haben, wenn ihre fixen Ideen angegriffen werden,
eben ſo harte Köpfe und Herzen, als die ſtierſten Despoten
und deren knechtiſche Beamten.

In den „Liberalen Beſtrebungen“ *)behauptet E. Bauer,
daß die Preßfreiheit im abſolutiſtiſchen und im conſtitutionellen
Staate unmöglich ſei, im „freien Staate“ hingegen ihre Stelle
finde. „Hier,“ heißt es, „iſt es anerkannt, daß der Einzelne,
weil er nicht mehr einzelner, ſondern Mitglied einer wahrhaften
und vernünftigen Allgemeinheit iſt, das Recht hat, ſich aus¬
zuſprechen.“ Alſo nicht der Einzelne, ſondern das „Mitglied“
hat Preßfreiheit. Muß aber der Einzelne ſich zum Behuf der
Preßfreiheit erſt über ſeinen Glauben an das Allgemeine, das
Volk, ausweiſen, hat er dieſe Freiheit nicht durch eigene Ge¬
walt
, ſo iſt ſie eine Volksfreiheit, eine Freiheit, die ihm
um ſeines Glaubens, ſeiner „Mitgliedſchaft“ willen verliehen
wird. Umgekehrt, gerade als Einzelnem ſteht Jedem die Frei¬
heit offen, ſich auszuſprechen. Aber er hat nicht das „Recht“,
jene Freiheit iſt allerdings nicht ſein „heiliges Recht“. Er
hat nur die Gewalt; aber die Gewalt allein macht ihn zum
Eigner. Ich brauche keine Conceſſion zur Preßfreiheit, brauche
nicht die Bewilligung des Volkes dazu, brauche nicht das

*) II, S. 91. ff. (Siehe meine obige Anmerkung.)
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[379/0387] willen) frei ſein müßte. Sie wollen aus ihr eine „Volks¬ ſache“ machen. Zum Eigenthum des Volkes geworden iſt ſie aber noch weit davon entfernt, das meinige zu ſein, vielmehr behält ſie für Mich die untergeordnete Bedeutung einer Erlaubniß. Das Volk ſpielt den Richter über meine Gedanken, für die Ich ihm Rechenſchaft ſchuldig oder verantwortlich bin. Die Geſchworenen haben, wenn ihre fixen Ideen angegriffen werden, eben ſo harte Köpfe und Herzen, als die ſtierſten Despoten und deren knechtiſche Beamten. In den „Liberalen Beſtrebungen“ *)behauptet E. Bauer, daß die Preßfreiheit im abſolutiſtiſchen und im conſtitutionellen Staate unmöglich ſei, im „freien Staate“ hingegen ihre Stelle finde. „Hier,“ heißt es, „iſt es anerkannt, daß der Einzelne, weil er nicht mehr einzelner, ſondern Mitglied einer wahrhaften und vernünftigen Allgemeinheit iſt, das Recht hat, ſich aus¬ zuſprechen.“ Alſo nicht der Einzelne, ſondern das „Mitglied“ hat Preßfreiheit. Muß aber der Einzelne ſich zum Behuf der Preßfreiheit erſt über ſeinen Glauben an das Allgemeine, das Volk, ausweiſen, hat er dieſe Freiheit nicht durch eigene Ge¬ walt, ſo iſt ſie eine Volksfreiheit, eine Freiheit, die ihm um ſeines Glaubens, ſeiner „Mitgliedſchaft“ willen verliehen wird. Umgekehrt, gerade als Einzelnem ſteht Jedem die Frei¬ heit offen, ſich auszuſprechen. Aber er hat nicht das „Recht“, jene Freiheit iſt allerdings nicht ſein „heiliges Recht“. Er hat nur die Gewalt; aber die Gewalt allein macht ihn zum Eigner. Ich brauche keine Conceſſion zur Preßfreiheit, brauche nicht die Bewilligung des Volkes dazu, brauche nicht das *) II, S. 91. ff. (Siehe meine obige Anmerkung.)

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/387>, abgerufen am 23.11.2024.