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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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"Recht" dazu und keine "Berechtigung". Auch die Preßfrei¬
heit, wie jede Freiheit, muß Ich Mir "nehmen"; das Volk
"als eben der einzige Richter" kann sie Mir nicht geben.
Es kann sich die Freiheit, welche Ich Mir nehme, gefallen
lassen oder sich dagegen wehren: geben, schenken, gewähren
kann es sie nicht. Ich übe sie trotz dem Volke, rein als
Einzelner, d.h. Ich kämpfe sie dem Volke, meinem -- Feinde,
ab, und erhalte sie nur, wenn Ich sie ihm wirklich abkämpfe,
d.i. Mir nehme. Ich nehme sie aber, weil sie mein Ei¬
genthum ist.

Sander, gegen welchen E. Bauer spricht, nimmt (Seite 99)
die Preßfreiheit "als das Recht und die Freiheit des Bürgers
im Staate
" in Anspruch. Was thut E. Bauer anders?
Auch ihm ist sie nur ein Recht des freien Bürgers.

Auch unter dem Namen eines "allgemein menschlichen
Rechtes" wird die Preßfreiheit gefordert. Dagegen war der
Einwand gegründet: Nicht jeder Mensch wisse sie richtig zu
gebrauchen; denn nicht jeder Einzelne sei wahrhaft Mensch.
Dem Menschen als solchen verweigerte sie niemals eine Re¬
gierung: aber der Mensch schreibt eben nichts, weil er ein
Gespenst ist. Sie verweigerte sie stets nur Einzelnen, und
gab sie Andern, z.B. ihren Organen. Wollte man also sie
für Alle haben, so mußte man gerade behaupten, sie gebühre dem
Einzelnen, Mir, nicht dem Menschen oder nicht dem Einzelnen,
sofern er Mensch sei. Ein Anderer als ein Mensch (z. B.
ein Thier) kann ohnehin von ihr keinen Gebrauch machen.
Die französische Regierung z.B. bestreitet die Preßfreiheit nicht
als Menschenrecht, sie fordert aber vom Einzelnen eine Caution
dafür, daß er wirklich Mensch sei; denn nicht dem Einzelnen,
sondern dem Menschen ertheilt sie die Preßfreiheit.

„Recht“ dazu und keine „Berechtigung“. Auch die Preßfrei¬
heit, wie jede Freiheit, muß Ich Mir „nehmen“; das Volk
„als eben der einzige Richter“ kann ſie Mir nicht geben.
Es kann ſich die Freiheit, welche Ich Mir nehme, gefallen
laſſen oder ſich dagegen wehren: geben, ſchenken, gewähren
kann es ſie nicht. Ich übe ſie trotz dem Volke, rein als
Einzelner, d.h. Ich kämpfe ſie dem Volke, meinem — Feinde,
ab, und erhalte ſie nur, wenn Ich ſie ihm wirklich abkämpfe,
d.i. Mir nehme. Ich nehme ſie aber, weil ſie mein Ei¬
genthum iſt.

Sander, gegen welchen E. Bauer ſpricht, nimmt (Seite 99)
die Preßfreiheit „als das Recht und die Freiheit des Bürgers
im Staate
“ in Anſpruch. Was thut E. Bauer anders?
Auch ihm iſt ſie nur ein Recht des freien Bürgers.

Auch unter dem Namen eines „allgemein menſchlichen
Rechtes“ wird die Preßfreiheit gefordert. Dagegen war der
Einwand gegründet: Nicht jeder Menſch wiſſe ſie richtig zu
gebrauchen; denn nicht jeder Einzelne ſei wahrhaft Menſch.
Dem Menſchen als ſolchen verweigerte ſie niemals eine Re¬
gierung: aber der Menſch ſchreibt eben nichts, weil er ein
Geſpenſt iſt. Sie verweigerte ſie ſtets nur Einzelnen, und
gab ſie Andern, z.B. ihren Organen. Wollte man alſo ſie
für Alle haben, ſo mußte man gerade behaupten, ſie gebühre dem
Einzelnen, Mir, nicht dem Menſchen oder nicht dem Einzelnen,
ſofern er Menſch ſei. Ein Anderer als ein Menſch (z. B.
ein Thier) kann ohnehin von ihr keinen Gebrauch machen.
Die franzöſiſche Regierung z.B. beſtreitet die Preßfreiheit nicht
als Menſchenrecht, ſie fordert aber vom Einzelnen eine Caution
dafür, daß er wirklich Menſch ſei; denn nicht dem Einzelnen,
ſondern dem Menſchen ertheilt ſie die Preßfreiheit.

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[380/0388] „Recht“ dazu und keine „Berechtigung“. Auch die Preßfrei¬ heit, wie jede Freiheit, muß Ich Mir „nehmen“; das Volk „als eben der einzige Richter“ kann ſie Mir nicht geben. Es kann ſich die Freiheit, welche Ich Mir nehme, gefallen laſſen oder ſich dagegen wehren: geben, ſchenken, gewähren kann es ſie nicht. Ich übe ſie trotz dem Volke, rein als Einzelner, d.h. Ich kämpfe ſie dem Volke, meinem — Feinde, ab, und erhalte ſie nur, wenn Ich ſie ihm wirklich abkämpfe, d.i. Mir nehme. Ich nehme ſie aber, weil ſie mein Ei¬ genthum iſt. Sander, gegen welchen E. Bauer ſpricht, nimmt (Seite 99) die Preßfreiheit „als das Recht und die Freiheit des Bürgers im Staate“ in Anſpruch. Was thut E. Bauer anders? Auch ihm iſt ſie nur ein Recht des freien Bürgers. Auch unter dem Namen eines „allgemein menſchlichen Rechtes“ wird die Preßfreiheit gefordert. Dagegen war der Einwand gegründet: Nicht jeder Menſch wiſſe ſie richtig zu gebrauchen; denn nicht jeder Einzelne ſei wahrhaft Menſch. Dem Menſchen als ſolchen verweigerte ſie niemals eine Re¬ gierung: aber der Menſch ſchreibt eben nichts, weil er ein Geſpenſt iſt. Sie verweigerte ſie ſtets nur Einzelnen, und gab ſie Andern, z.B. ihren Organen. Wollte man alſo ſie für Alle haben, ſo mußte man gerade behaupten, ſie gebühre dem Einzelnen, Mir, nicht dem Menſchen oder nicht dem Einzelnen, ſofern er Menſch ſei. Ein Anderer als ein Menſch (z. B. ein Thier) kann ohnehin von ihr keinen Gebrauch machen. Die franzöſiſche Regierung z.B. beſtreitet die Preßfreiheit nicht als Menſchenrecht, ſie fordert aber vom Einzelnen eine Caution dafür, daß er wirklich Menſch ſei; denn nicht dem Einzelnen, ſondern dem Menſchen ertheilt ſie die Preßfreiheit.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/388>, abgerufen am 23.11.2024.