macht, wenn der Teufel in den "Unmenschen" oder "egoisti¬ schen Menschen" übersetzt wurde, ist dann der Christ weniger vorhanden als vorher? Ist nicht der alte Zwiespalt zwischen Gut und Böse, ist nicht ein Richter über Uns, der Mensch, ist nicht ein Beruf, der Beruf, sich zum Menschen zu machen, geblieben? Nennt man's nicht mehr Beruf, sondern "Auf¬ gabe" oder auch wohl "Pflicht", so ist die Namensänderung ganz richtig, weil "der Mensch" nicht gleich Gott ein persön¬ liches Wesen ist, das "rufen" kann; aber außer dem Namen bleibt die Sache beim Alten.
Es hat Jeder ein Verhältniß zu den Objecten, und zwar verhält sich Jeder anders zu denselben. Wählen Wir als Beispiel jenes Buch, zu welchem Millionen Menschen zweier Jahrtausende ein Verhältniß hatten, die Bibel. Was ist, was war sie einem Jeden? Durchaus nur das, was er aus ihr machte! Wer sich gar nichts aus ihr macht, für den ist sie gar nichts; wer sie als Amulet gebraucht, für den hat sie lediglich den Werth, die Bedeutung eines Zaubermittels; wer, wie Kinder, damit spielt, für den ist sie nichts als ein Spiel¬ zeug u.s.w.
Nun verlangt das Christenthum, daß sie für Alle das¬ selbe sein soll, etwa das heilige Buch oder die "heilige Schrift". Dieß heißt so viel als daß die Ansicht des Christen auch die der andern Menschen sein soll, und daß Niemand sich anders zu jenem Object verhalten dürfe. Damit wird denn die Eigenheit des Verhaltens zerstört, und Ein Sinn, Eine Gesinnung, als der "wahre", der "allein wahre" fest¬ gesetzt. Mit der Freiheit, aus der Bibel zu machen, was Ich
macht, wenn der Teufel in den „Unmenſchen“ oder „egoiſti¬ ſchen Menſchen“ überſetzt wurde, iſt dann der Chriſt weniger vorhanden als vorher? Iſt nicht der alte Zwieſpalt zwiſchen Gut und Böſe, iſt nicht ein Richter über Uns, der Menſch, iſt nicht ein Beruf, der Beruf, ſich zum Menſchen zu machen, geblieben? Nennt man's nicht mehr Beruf, ſondern „Auf¬ gabe“ oder auch wohl „Pflicht“, ſo iſt die Namensänderung ganz richtig, weil „der Menſch“ nicht gleich Gott ein perſön¬ liches Weſen iſt, das „rufen“ kann; aber außer dem Namen bleibt die Sache beim Alten.
Es hat Jeder ein Verhältniß zu den Objecten, und zwar verhält ſich Jeder anders zu denſelben. Wählen Wir als Beiſpiel jenes Buch, zu welchem Millionen Menſchen zweier Jahrtauſende ein Verhältniß hatten, die Bibel. Was iſt, was war ſie einem Jeden? Durchaus nur das, was er aus ihr machte! Wer ſich gar nichts aus ihr macht, für den iſt ſie gar nichts; wer ſie als Amulet gebraucht, für den hat ſie lediglich den Werth, die Bedeutung eines Zaubermittels; wer, wie Kinder, damit ſpielt, für den iſt ſie nichts als ein Spiel¬ zeug u.ſ.w.
Nun verlangt das Chriſtenthum, daß ſie für Alle daſ¬ ſelbe ſein ſoll, etwa das heilige Buch oder die „heilige Schrift“. Dieß heißt ſo viel als daß die Anſicht des Chriſten auch die der andern Menſchen ſein ſoll, und daß Niemand ſich anders zu jenem Object verhalten dürfe. Damit wird denn die Eigenheit des Verhaltens zerſtört, und Ein Sinn, Eine Geſinnung, als der „wahre“, der „allein wahre“ feſt¬ geſetzt. Mit der Freiheit, aus der Bibel zu machen, was Ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0456"n="448"/>
macht, wenn der Teufel in den „Unmenſchen“ oder „egoiſti¬<lb/>ſchen Menſchen“ überſetzt wurde, iſt dann der Chriſt weniger<lb/>
vorhanden als vorher? Iſt nicht der alte Zwieſpalt zwiſchen<lb/>
Gut und Böſe, iſt nicht ein Richter über Uns, der Menſch,<lb/>
iſt nicht ein Beruf, der Beruf, ſich zum Menſchen zu machen,<lb/>
geblieben? Nennt man's nicht mehr Beruf, ſondern „Auf¬<lb/>
gabe“ oder auch wohl „Pflicht“, ſo iſt die Namensänderung<lb/>
ganz richtig, weil „der Menſch“ nicht gleich Gott ein perſön¬<lb/>
liches Weſen iſt, das „rufen“ kann; aber außer dem Namen<lb/>
bleibt die Sache beim Alten.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Es hat Jeder ein Verhältniß zu den Objecten, und zwar<lb/>
verhält ſich Jeder anders zu denſelben. Wählen Wir als<lb/>
Beiſpiel jenes Buch, zu welchem Millionen Menſchen zweier<lb/>
Jahrtauſende ein Verhältniß hatten, die Bibel. Was iſt, was<lb/>
war ſie einem Jeden? Durchaus nur das, was er <hirendition="#g">aus ihr<lb/>
machte</hi>! Wer ſich gar nichts aus ihr macht, für den iſt<lb/>ſie gar nichts; wer ſie als Amulet gebraucht, für den hat ſie<lb/>
lediglich den Werth, die Bedeutung eines Zaubermittels; wer,<lb/>
wie Kinder, damit ſpielt, für den iſt ſie nichts als ein Spiel¬<lb/>
zeug u.ſ.w.</p><lb/><p>Nun verlangt das Chriſtenthum, daß ſie für <hirendition="#g">Alle daſ</hi>¬<lb/><hirendition="#g">ſelbe ſein</hi>ſoll, etwa das heilige Buch oder die „heilige<lb/>
Schrift“. Dieß heißt ſo viel als daß die Anſicht des Chriſten<lb/>
auch die der andern Menſchen ſein ſoll, und daß Niemand<lb/>ſich anders zu jenem Object verhalten dürfe. Damit wird<lb/>
denn die Eigenheit des Verhaltens zerſtört, und Ein Sinn,<lb/>
Eine Geſinnung, als der „<hirendition="#g">wahre</hi>“, der „allein wahre“ feſt¬<lb/>
geſetzt. Mit der Freiheit, aus der Bibel zu machen, was Ich<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[448/0456]
macht, wenn der Teufel in den „Unmenſchen“ oder „egoiſti¬
ſchen Menſchen“ überſetzt wurde, iſt dann der Chriſt weniger
vorhanden als vorher? Iſt nicht der alte Zwieſpalt zwiſchen
Gut und Böſe, iſt nicht ein Richter über Uns, der Menſch,
iſt nicht ein Beruf, der Beruf, ſich zum Menſchen zu machen,
geblieben? Nennt man's nicht mehr Beruf, ſondern „Auf¬
gabe“ oder auch wohl „Pflicht“, ſo iſt die Namensänderung
ganz richtig, weil „der Menſch“ nicht gleich Gott ein perſön¬
liches Weſen iſt, das „rufen“ kann; aber außer dem Namen
bleibt die Sache beim Alten.
Es hat Jeder ein Verhältniß zu den Objecten, und zwar
verhält ſich Jeder anders zu denſelben. Wählen Wir als
Beiſpiel jenes Buch, zu welchem Millionen Menſchen zweier
Jahrtauſende ein Verhältniß hatten, die Bibel. Was iſt, was
war ſie einem Jeden? Durchaus nur das, was er aus ihr
machte! Wer ſich gar nichts aus ihr macht, für den iſt
ſie gar nichts; wer ſie als Amulet gebraucht, für den hat ſie
lediglich den Werth, die Bedeutung eines Zaubermittels; wer,
wie Kinder, damit ſpielt, für den iſt ſie nichts als ein Spiel¬
zeug u.ſ.w.
Nun verlangt das Chriſtenthum, daß ſie für Alle daſ¬
ſelbe ſein ſoll, etwa das heilige Buch oder die „heilige
Schrift“. Dieß heißt ſo viel als daß die Anſicht des Chriſten
auch die der andern Menſchen ſein ſoll, und daß Niemand
ſich anders zu jenem Object verhalten dürfe. Damit wird
denn die Eigenheit des Verhaltens zerſtört, und Ein Sinn,
Eine Geſinnung, als der „wahre“, der „allein wahre“ feſt¬
geſetzt. Mit der Freiheit, aus der Bibel zu machen, was Ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/456>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.