Thun beschränkte sich darauf, ihr nur nicht zu unterliegen! Nein, bevor er sich nicht allein mit sich selbst beschäftigt, bevor er es nicht mit seiner Welt, der geistigen, allein zu thun hat, ist er nicht freier Geist, sondern nur der "Geist dieser Welt", der an sie gefesselte. Der Geist ist freier Geist, d. h. wirklich Geist erst in einer ihm eigenen Welt; in "dieser", der irdischen Welt, ist er ein Fremdling. Nur mittelst einer geistigen Welt ist der Geist wirklich Geist, denn "diese" Welt versteht ihn nicht und weiß "das Mädchen aus der Fremde" nicht bei sich zu behalten.
Woher soll ihm diese geistige Welt aber kommen? Woher anders als aus ihm selbst! Er muß sich offenbaren, und die Worte, die er spricht, die Offenbarungen, in denen er sich ent¬ hüllt, die sind seine Welt. Wie ein Phantast nur in den phantastischen Gebilden, die er selber erschafft, lebt und seine Welt hat, wie ein Narr sich seine eigene Traumwelt erzeugt, ohne welche er eben kein Narr zu sein vermöchte, so muß der Geist sich seine Geisterwelt erschaffen, und ist, bevor er sie erschafft, nicht Geist.
Also seine Schöpfungen machen ihn zum Geist, und an den Geschöpfen erkennt man ihn, den Schöpfer: in ihnen lebt er, sie sind seine Welt.
Was ist nun der Geist? Er ist der Schöpfer einer gei¬ stigen Welt! Auch an Dir und Mir erkennt man erst Geist an, wenn man sieht, daß Wir Geistiges Uns angeeignet haben, d. h. Gedanken, mögen sie Uns auch vorgeführt worden sein, doch in Uns zum Leben gebracht haben; denn so lange Wir Kinder waren, hätte man Uns die erbaulichsten Gedanken vorlegen können, ohne daß Wir gewollt oder im Stande ge¬ wesen wären, sie in Uns wiederzuerzeugen. So ist auch der
Thun beſchränkte ſich darauf, ihr nur nicht zu unterliegen! Nein, bevor er ſich nicht allein mit ſich ſelbſt beſchäftigt, bevor er es nicht mit ſeiner Welt, der geiſtigen, allein zu thun hat, iſt er nicht freier Geiſt, ſondern nur der „Geiſt dieſer Welt“, der an ſie gefeſſelte. Der Geiſt iſt freier Geiſt, d. h. wirklich Geiſt erſt in einer ihm eigenen Welt; in „dieſer“, der irdiſchen Welt, iſt er ein Fremdling. Nur mittelſt einer geiſtigen Welt iſt der Geiſt wirklich Geiſt, denn „dieſe“ Welt verſteht ihn nicht und weiß „das Mädchen aus der Fremde“ nicht bei ſich zu behalten.
Woher ſoll ihm dieſe geiſtige Welt aber kommen? Woher anders als aus ihm ſelbſt! Er muß ſich offenbaren, und die Worte, die er ſpricht, die Offenbarungen, in denen er ſich ent¬ hüllt, die ſind ſeine Welt. Wie ein Phantaſt nur in den phantaſtiſchen Gebilden, die er ſelber erſchafft, lebt und ſeine Welt hat, wie ein Narr ſich ſeine eigene Traumwelt erzeugt, ohne welche er eben kein Narr zu ſein vermöchte, ſo muß der Geiſt ſich ſeine Geiſterwelt erſchaffen, und iſt, bevor er ſie erſchafft, nicht Geiſt.
Alſo ſeine Schöpfungen machen ihn zum Geiſt, und an den Geſchöpfen erkennt man ihn, den Schöpfer: in ihnen lebt er, ſie ſind ſeine Welt.
Was iſt nun der Geiſt? Er iſt der Schöpfer einer gei¬ ſtigen Welt! Auch an Dir und Mir erkennt man erſt Geiſt an, wenn man ſieht, daß Wir Geiſtiges Uns angeeignet haben, d. h. Gedanken, mögen ſie Uns auch vorgeführt worden ſein, doch in Uns zum Leben gebracht haben; denn ſo lange Wir Kinder waren, hätte man Uns die erbaulichſten Gedanken vorlegen können, ohne daß Wir gewollt oder im Stande ge¬ weſen wären, ſie in Uns wiederzuerzeugen. So iſt auch der
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Thun beſchränkte ſich darauf, ihr nur nicht zu unterliegen!
Nein, bevor er ſich nicht allein mit ſich ſelbſt beſchäftigt, bevor
er es nicht mit ſeiner Welt, der geiſtigen, allein zu thun
hat, iſt er nicht freier Geiſt, ſondern nur der „Geiſt dieſer
Welt“, der an ſie gefeſſelte. Der Geiſt iſt freier Geiſt, d. h.
wirklich Geiſt erſt in einer ihm eigenen Welt; in „dieſer“,
der irdiſchen Welt, iſt er ein Fremdling. Nur mittelſt einer
geiſtigen Welt iſt der Geiſt wirklich Geiſt, denn „dieſe“ Welt
verſteht ihn nicht und weiß „das Mädchen aus der Fremde“
nicht bei ſich zu behalten.
Woher ſoll ihm dieſe geiſtige Welt aber kommen? Woher
anders als aus ihm ſelbſt! Er muß ſich offenbaren, und die
Worte, die er ſpricht, die Offenbarungen, in denen er ſich ent¬
hüllt, die ſind ſeine Welt. Wie ein Phantaſt nur in den
phantaſtiſchen Gebilden, die er ſelber erſchafft, lebt und ſeine
Welt hat, wie ein Narr ſich ſeine eigene Traumwelt erzeugt,
ohne welche er eben kein Narr zu ſein vermöchte, ſo muß der
Geiſt ſich ſeine Geiſterwelt erſchaffen, und iſt, bevor er ſie
erſchafft, nicht Geiſt.
Alſo ſeine Schöpfungen machen ihn zum Geiſt, und an
den Geſchöpfen erkennt man ihn, den Schöpfer: in ihnen lebt
er, ſie ſind ſeine Welt.
Was iſt nun der Geiſt? Er iſt der Schöpfer einer gei¬
ſtigen Welt! Auch an Dir und Mir erkennt man erſt Geiſt
an, wenn man ſieht, daß Wir Geiſtiges Uns angeeignet haben,
d. h. Gedanken, mögen ſie Uns auch vorgeführt worden ſein,
doch in Uns zum Leben gebracht haben; denn ſo lange Wir
Kinder waren, hätte man Uns die erbaulichſten Gedanken
vorlegen können, ohne daß Wir gewollt oder im Stande ge¬
weſen wären, ſie in Uns wiederzuerzeugen. So iſt auch der
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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