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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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todeswürdige Ketzereien verurtheilt werden. Die "Andersden¬
kenden" vertragen sich. Allein warum sollte Ich nur anders
über eine Sache denken, warum nicht das Andersdenken bis
zu seiner letzten Spitze treiben, nämlich zu der, gar nichts
mehr von der Sache zu halten, also ihr Nichts zu denken,
sie zu ecrasiren? Dann hat die Auffassung selbst ein Ende,
weil nichts mehr aufzufassen ist. Warum soll Ich wohl sagen:
Gott ist nicht Allah, nicht Brahma, nicht Jehovah, sondern
-- Gott; warum aber nicht: Gott ist nichts, als eine Täu¬
schung? Warum brandmarkt man Mich, wenn Ich ein "Got¬
tesleugner" bin? Weil man das Geschöpf über den Schöpfer
setzt ("Sie ehren und dienen dem Geschöpf mehr, denn dem
Schöpfer" *)und ein herrschendes Object braucht, damit
das Subject hübsch unterwürfig diene. Ich soll unter
das Absolute Mich beugen, Ich soll es.

Durch das "Reich der Gedanken" hat das Christenthum
sich vollendet, der Gedanke ist jene Innerlichkeit, in welcher
alle Lichter der Welt erlöschen, alle Existenz existenzlos wird,
der innerliche Mensch (das Herz, der Kopf) Alles in Allem
ist. Dieß Reich der Gedanken harret seiner Erlösung, harret
gleich der Sphinx des ödipischen Räthselwortes, damit es end¬
lich eingehe in seinen Tod. Ich bin der Vernichter seines
Bestandes, denn im Reiche des Schöpfers bildet es kein eige¬
nes Reich mehr, keinen Staat im Staate, sondern ein Ge¬
schöpf meiner schaffenden -- Gedankenlosigkeit. Nur zugleich
und zusammen mit der erstarrten, denkenden Welt kann die
Christenwelt, das Christenthum und die Religion selbst, zu
Grunde gehen; nur wenn die Gedanken ausgehen, giebt es

*) Römer 1, 25.

todeswürdige Ketzereien verurtheilt werden. Die „Andersden¬
kenden“ vertragen ſich. Allein warum ſollte Ich nur anders
über eine Sache denken, warum nicht das Andersdenken bis
zu ſeiner letzten Spitze treiben, nämlich zu der, gar nichts
mehr von der Sache zu halten, alſo ihr Nichts zu denken,
ſie zu ecraſiren? Dann hat die Auffaſſung ſelbſt ein Ende,
weil nichts mehr aufzufaſſen iſt. Warum ſoll Ich wohl ſagen:
Gott iſt nicht Allah, nicht Brahma, nicht Jehovah, ſondern
— Gott; warum aber nicht: Gott iſt nichts, als eine Täu¬
ſchung? Warum brandmarkt man Mich, wenn Ich ein „Got¬
tesleugner“ bin? Weil man das Geſchöpf über den Schöpfer
ſetzt („Sie ehren und dienen dem Geſchöpf mehr, denn dem
Schöpfer“ *)und ein herrſchendes Object braucht, damit
das Subject hübſch unterwürfig diene. Ich ſoll unter
das Abſolute Mich beugen, Ich ſoll es.

Durch das „Reich der Gedanken“ hat das Chriſtenthum
ſich vollendet, der Gedanke iſt jene Innerlichkeit, in welcher
alle Lichter der Welt erlöſchen, alle Exiſtenz exiſtenzlos wird,
der innerliche Menſch (das Herz, der Kopf) Alles in Allem
iſt. Dieß Reich der Gedanken harret ſeiner Erlöſung, harret
gleich der Sphinx des ödipiſchen Räthſelwortes, damit es end¬
lich eingehe in ſeinen Tod. Ich bin der Vernichter ſeines
Beſtandes, denn im Reiche des Schöpfers bildet es kein eige¬
nes Reich mehr, keinen Staat im Staate, ſondern ein Ge¬
ſchöpf meiner ſchaffenden — Gedankenloſigkeit. Nur zugleich
und zuſammen mit der erſtarrten, denkenden Welt kann die
Chriſtenwelt, das Chriſtenthum und die Religion ſelbſt, zu
Grunde gehen; nur wenn die Gedanken ausgehen, giebt es

*) Römer 1, 25.
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[452/0460] todeswürdige Ketzereien verurtheilt werden. Die „Andersden¬ kenden“ vertragen ſich. Allein warum ſollte Ich nur anders über eine Sache denken, warum nicht das Andersdenken bis zu ſeiner letzten Spitze treiben, nämlich zu der, gar nichts mehr von der Sache zu halten, alſo ihr Nichts zu denken, ſie zu ecraſiren? Dann hat die Auffaſſung ſelbſt ein Ende, weil nichts mehr aufzufaſſen iſt. Warum ſoll Ich wohl ſagen: Gott iſt nicht Allah, nicht Brahma, nicht Jehovah, ſondern — Gott; warum aber nicht: Gott iſt nichts, als eine Täu¬ ſchung? Warum brandmarkt man Mich, wenn Ich ein „Got¬ tesleugner“ bin? Weil man das Geſchöpf über den Schöpfer ſetzt („Sie ehren und dienen dem Geſchöpf mehr, denn dem Schöpfer“ *)und ein herrſchendes Object braucht, damit das Subject hübſch unterwürfig diene. Ich ſoll unter das Abſolute Mich beugen, Ich ſoll es. Durch das „Reich der Gedanken“ hat das Chriſtenthum ſich vollendet, der Gedanke iſt jene Innerlichkeit, in welcher alle Lichter der Welt erlöſchen, alle Exiſtenz exiſtenzlos wird, der innerliche Menſch (das Herz, der Kopf) Alles in Allem iſt. Dieß Reich der Gedanken harret ſeiner Erlöſung, harret gleich der Sphinx des ödipiſchen Räthſelwortes, damit es end¬ lich eingehe in ſeinen Tod. Ich bin der Vernichter ſeines Beſtandes, denn im Reiche des Schöpfers bildet es kein eige¬ nes Reich mehr, keinen Staat im Staate, ſondern ein Ge¬ ſchöpf meiner ſchaffenden — Gedankenloſigkeit. Nur zugleich und zuſammen mit der erſtarrten, denkenden Welt kann die Chriſtenwelt, das Chriſtenthum und die Religion ſelbſt, zu Grunde gehen; nur wenn die Gedanken ausgehen, giebt es *) Römer 1, 25.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/460>, abgerufen am 23.11.2024.