Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.Mit Gunst, ihr Gesellen, seid still! Es sind heute sechs Wochen, daß wir zuletzt Auflage gehalten haben, es mag gleich kürzer oder länger seyn, so ist hier *) Hand- werksgebrauch und Gewohnheit, daß wir nicht nach fünf, sondern nach sechs Wochen auf der Herberge zu- sammenkommen, Umfrage und Auflage zu halten. Mit Gunst zum ersten Mal bei der Buße! Der Knapp- meister wird dem ehrbaren Handwerk und mir zum Gefallen die Lade auftragen, nach Handwerksgebrauch und Gewohnheit. **) Knappmeister. Mit Gunst, daß ich mag von meinem Sitz abschreiten, fortschreiten, über des Herrn Vaters und der Frau Mutter Stube schreiten und vor günstiger Meister und Gesellen Tisch treten. Altgesell. Es sei Dir wohl vergönnt. Knappmeister. Mit Gunst, daß ich mag die Gesellenlade auf günstiger Meister und Gesellen Tisch setzen, mit Gunst habe ich angefaßt, mit Gunst laß ich ab. Altgesell. Du hast Deinen Abtritt. Knappmeister (wendet sich um). Mit Gunst, daß ich mag abschreiten, fortschreiten, an meinen Ort und Stelle schreiten (setzt sich). Altgesell. Mit Gunst bin ich niedergesessen, mit Gunst, daß ich mag aufstehen, mit Gunst, daß ich mag den Schlüssel in günstiger Meister und Gesellen Lade Schloß stecken, dreimal rechts, dreimal links herumdrehen, auf- schließen, herausräumen alles was günstige Meister und *) In Magdeburg, im achtzehnten Jahrhundert. **) Hier wird also der jüngste Geselle Knappmeister genannt, auch wird
nicht von Gesellen, sondern von dem Handwerk gesprochen; eine doppelte bedeutende Abweichung. Unter Knappen werden Gesellen gemeint, das ist richtig, aber warum nennt der Altgesell den Junggesellen Meister? In der ältesten Zeit der Innungen waren Meister und Gesellen bei den Morgensprachen und Gedingen zusammen, vielleicht hatte da der Altgesell, der dann Knappmeister hieß, die Handwerkslade aufzutragen, nach erfolgter Trennung behielten die Gesellen die oft gehörte Benen- nung bei und übertrugen sie auf den Junggesellen. Mit Gunſt, ihr Geſellen, ſeid ſtill! Es ſind heute ſechs Wochen, daß wir zuletzt Auflage gehalten haben, es mag gleich kürzer oder länger ſeyn, ſo iſt hier *) Hand- werksgebrauch und Gewohnheit, daß wir nicht nach fünf, ſondern nach ſechs Wochen auf der Herberge zu- ſammenkommen, Umfrage und Auflage zu halten. Mit Gunſt zum erſten Mal bei der Buße! Der Knapp- meiſter wird dem ehrbaren Handwerk und mir zum Gefallen die Lade auftragen, nach Handwerksgebrauch und Gewohnheit. **) Knappmeiſter. Mit Gunſt, daß ich mag von meinem Sitz abſchreiten, fortſchreiten, über des Herrn Vaters und der Frau Mutter Stube ſchreiten und vor günſtiger Meiſter und Geſellen Tiſch treten. Altgeſell. Es ſei Dir wohl vergönnt. Knappmeiſter. Mit Gunſt, daß ich mag die Geſellenlade auf günſtiger Meiſter und Geſellen Tiſch ſetzen, mit Gunſt habe ich angefaßt, mit Gunſt laß ich ab. Altgeſell. Du haſt Deinen Abtritt. Knappmeiſter (wendet ſich um). Mit Gunſt, daß ich mag abſchreiten, fortſchreiten, an meinen Ort und Stelle ſchreiten (ſetzt ſich). Altgeſell. Mit Gunſt bin ich niedergeſeſſen, mit Gunſt, daß ich mag aufſtehen, mit Gunſt, daß ich mag den Schlüſſel in günſtiger Meiſter und Geſellen Lade Schloß ſtecken, dreimal rechts, dreimal links herumdrehen, auf- ſchließen, herausräumen alles was günſtige Meiſter und *) In Magdeburg, im achtzehnten Jahrhundert. **) Hier wird alſo der jüngſte Geſelle Knappmeiſter genannt, auch wird
nicht von Geſellen, ſondern von dem Handwerk geſprochen; eine doppelte bedeutende Abweichung. Unter Knappen werden Geſellen gemeint, das iſt richtig, aber warum nennt der Altgeſell den Junggeſellen Meiſter? In der älteſten Zeit der Innungen waren Meiſter und Geſellen bei den Morgenſprachen und Gedingen zuſammen, vielleicht hatte da der Altgeſell, der dann Knappmeiſter hieß, die Handwerkslade aufzutragen, nach erfolgter Trennung behielten die Geſellen die oft gehörte Benen- nung bei und übertrugen ſie auf den Junggeſellen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0088" n="78"/> <list> <item>Mit Gunſt, ihr Geſellen, ſeid ſtill! Es ſind heute ſechs<lb/> Wochen, daß wir zuletzt Auflage gehalten haben, es<lb/> mag gleich kürzer oder länger ſeyn, ſo iſt hier <note place="foot" n="*)">In Magdeburg, im achtzehnten Jahrhundert.</note> Hand-<lb/> werksgebrauch und Gewohnheit, daß wir nicht nach<lb/> fünf, ſondern nach ſechs Wochen auf der Herberge zu-<lb/> ſammenkommen, Umfrage und Auflage zu halten.</item><lb/> <item>Mit Gunſt zum erſten Mal bei der Buße! Der Knapp-<lb/> meiſter wird dem ehrbaren Handwerk und mir zum<lb/> Gefallen die Lade auftragen, nach Handwerksgebrauch<lb/> und Gewohnheit. <note place="foot" n="**)">Hier wird alſo der jüngſte Geſelle Knappmeiſter genannt, auch wird<lb/> nicht von Geſellen, ſondern von dem Handwerk geſprochen; eine doppelte<lb/> bedeutende Abweichung. Unter Knappen werden Geſellen gemeint, das<lb/> iſt richtig, aber warum nennt der Altgeſell den Junggeſellen Meiſter?<lb/> In der älteſten Zeit der Innungen waren Meiſter und Geſellen bei<lb/> den Morgenſprachen und Gedingen zuſammen, vielleicht hatte da der<lb/> Altgeſell, der dann Knappmeiſter hieß, die Handwerkslade aufzutragen,<lb/> nach erfolgter Trennung behielten die Geſellen die oft gehörte Benen-<lb/> nung bei und übertrugen ſie auf den Junggeſellen.</note></item><lb/> <item><hi rendition="#g">Knappmeiſter</hi>. Mit Gunſt, daß ich mag von meinem<lb/> Sitz abſchreiten, fortſchreiten, über des Herrn Vaters<lb/> und der Frau Mutter Stube ſchreiten und vor günſtiger<lb/> Meiſter und Geſellen Tiſch treten.</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Altgeſell</hi>. Es ſei Dir wohl vergönnt.</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Knappmeiſter</hi>. Mit Gunſt, daß ich mag die Geſellenlade<lb/> auf günſtiger Meiſter und Geſellen Tiſch ſetzen, mit<lb/> Gunſt habe ich angefaßt, mit Gunſt laß ich ab.</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Altgeſell</hi>. Du haſt Deinen Abtritt.</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Knappmeiſter</hi> (wendet ſich um). Mit Gunſt, daß ich mag<lb/> abſchreiten, fortſchreiten, an meinen Ort und Stelle<lb/> ſchreiten (ſetzt ſich).</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Altgeſell</hi>. Mit Gunſt bin ich niedergeſeſſen, mit Gunſt,<lb/> daß ich mag aufſtehen, mit Gunſt, daß ich mag den<lb/> Schlüſſel in günſtiger Meiſter und Geſellen Lade Schloß<lb/> ſtecken, dreimal rechts, dreimal links herumdrehen, auf-<lb/> ſchließen, herausräumen alles was günſtige Meiſter und<lb/></item> </list> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0088]
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werksgebrauch und Gewohnheit, daß wir nicht nach
fünf, ſondern nach ſechs Wochen auf der Herberge zu-
ſammenkommen, Umfrage und Auflage zu halten.
Mit Gunſt zum erſten Mal bei der Buße! Der Knapp-
meiſter wird dem ehrbaren Handwerk und mir zum
Gefallen die Lade auftragen, nach Handwerksgebrauch
und Gewohnheit. **)
Knappmeiſter. Mit Gunſt, daß ich mag von meinem
Sitz abſchreiten, fortſchreiten, über des Herrn Vaters
und der Frau Mutter Stube ſchreiten und vor günſtiger
Meiſter und Geſellen Tiſch treten.
Altgeſell. Es ſei Dir wohl vergönnt.
Knappmeiſter. Mit Gunſt, daß ich mag die Geſellenlade
auf günſtiger Meiſter und Geſellen Tiſch ſetzen, mit
Gunſt habe ich angefaßt, mit Gunſt laß ich ab.
Altgeſell. Du haſt Deinen Abtritt.
Knappmeiſter (wendet ſich um). Mit Gunſt, daß ich mag
abſchreiten, fortſchreiten, an meinen Ort und Stelle
ſchreiten (ſetzt ſich).
Altgeſell. Mit Gunſt bin ich niedergeſeſſen, mit Gunſt,
daß ich mag aufſtehen, mit Gunſt, daß ich mag den
Schlüſſel in günſtiger Meiſter und Geſellen Lade Schloß
ſtecken, dreimal rechts, dreimal links herumdrehen, auf-
ſchließen, herausräumen alles was günſtige Meiſter und
*) In Magdeburg, im achtzehnten Jahrhundert.
**) Hier wird alſo der jüngſte Geſelle Knappmeiſter genannt, auch wird
nicht von Geſellen, ſondern von dem Handwerk geſprochen; eine doppelte
bedeutende Abweichung. Unter Knappen werden Geſellen gemeint, das
iſt richtig, aber warum nennt der Altgeſell den Junggeſellen Meiſter?
In der älteſten Zeit der Innungen waren Meiſter und Geſellen bei
den Morgenſprachen und Gedingen zuſammen, vielleicht hatte da der
Altgeſell, der dann Knappmeiſter hieß, die Handwerkslade aufzutragen,
nach erfolgter Trennung behielten die Geſellen die oft gehörte Benen-
nung bei und übertrugen ſie auf den Junggeſellen.
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