Freudig sagt' es der Mann, und thränend erwie- dert Gotilde: "Wer von uns wird zuerst, o Sveno, den an- dern verlassen? Wer von uns zulezt die Kinder als Waisen ver- lassen?" -- "Wie Gott will! -- Nun so rudert, ihr Kna- ben! Es schwellen die Fluten." Vater und Knaben ruderten rasch; es lächelte weinend, Auf die Augen verbergende Hand gestützet, Gotilde. Gott sah ihre Thränen und rief dem Winde, Schon rauschte Höher die Flut; schon brauste der Sturm; schon tobte die Windsbraut, Daß das Segel zerriß, eh' sie's zu senken ver- mogten. Vater und Knaben ruderten rasch; nun weinte die Mutter Laut empor; es weinten, wie sie, die zagenden Töchter, Bis die Welle sich thürmender hub, den Nachen an Felsen
Freudig ſagt’ es der Mann, und thraͤnend erwie- dert Gotilde: „Wer von uns wird zuerſt, o Sveno, den an- dern verlaſſen? Wer von uns zulezt die Kinder als Waiſen ver- laſſen?„ — „Wie Gott will! — Nun ſo rudert, ihr Kna- ben! Es ſchwellen die Fluten.„ Vater und Knaben ruderten raſch; es laͤchelte weinend, Auf die Augen verbergende Hand geſtuͤtzet, Gotilde. Gott ſah ihre Thraͤnen und rief dem Winde, Schon rauſchte Hoͤher die Flut; ſchon brauſte der Sturm; ſchon tobte die Windsbraut, Daß das Segel zerriß, eh’ ſie’s zu ſenken ver- mogten. Vater und Knaben ruderten raſch; nun weinte die Mutter Laut empor; es weinten, wie ſie, die zagenden Toͤchter, Bis die Welle ſich thuͤrmender hub, den Nachen an Felſen
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Freudig ſagt’ es der Mann, und thraͤnend erwie-
dert Gotilde:
„Wer von uns wird zuerſt, o Sveno, den an-
dern verlaſſen?
Wer von uns zulezt die Kinder als Waiſen ver-
laſſen?„ —
„Wie Gott will! — Nun ſo rudert, ihr Kna-
ben! Es ſchwellen die Fluten.„
Vater und Knaben ruderten raſch; es laͤchelte
weinend,
Auf die Augen verbergende Hand geſtuͤtzet, Gotilde.
Gott ſah ihre Thraͤnen und rief dem Winde,
Schon rauſchte
Hoͤher die Flut; ſchon brauſte der Sturm;
ſchon tobte die Windsbraut,
Daß das Segel zerriß, eh’ ſie’s zu ſenken ver-
mogten.
Vater und Knaben ruderten raſch; nun weinte
die Mutter
Laut empor; es weinten, wie ſie, die zagenden
Toͤchter,
Bis die Welle ſich thuͤrmender hub, den Nachen an
Felſen
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Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stolbergstolberg_gedichte_1779/183>, abgerufen am 24.11.2024.
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