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Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779.

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Bei den goldnen Locken; ich wandte mich sträu-
bend; mein Auge

Staunte zurück, vom Blize der göttlichen Augen
getroffen.

Sieh, ich bebte nicht dir; ich bebte der furcht-
baren Göttin.

Sie verschwand; da war mir, als athmet' ich
liebliche Düfte,

Läg' am blumigen Hange des Helikon, unter der
Kühlung

Wehender Schatten, an Aganippens Silberge-
säusel.

Nun erwacht' ich, und zürnte nun wieder, und
grif zu der Leier.

Aber es hatte die jüngste der Musen die Leier
umstimmet,

Daß sie nicht tönte wie sonst, wie Donner, wie
Stimmen der Meere,

Sondern wie Lispel des wankenden Schilfes, wie
zärtliche Klagen

Junger Nachtigalln auf blühenden Zweigen der
Myrten.

Bei den goldnen Locken; ich wandte mich ſtraͤu-
bend; mein Auge

Staunte zuruͤck, vom Blize der goͤttlichen Augen
getroffen.

Sieh, ich bebte nicht dir; ich bebte der furcht-
baren Goͤttin.

Sie verſchwand; da war mir, als athmet’ ich
liebliche Duͤfte,

Laͤg’ am blumigen Hange des Helikon, unter der
Kuͤhlung

Wehender Schatten, an Aganippens Silberge-
ſaͤuſel.

Nun erwacht’ ich, und zuͤrnte nun wieder, und
grif zu der Leier.

Aber es hatte die juͤngſte der Muſen die Leier
umſtimmet,

Daß ſie nicht toͤnte wie ſonſt, wie Donner, wie
Stimmen der Meere,

Sondern wie Liſpel des wankenden Schilfes, wie
zaͤrtliche Klagen

Junger Nachtigalln auf bluͤhenden Zweigen der
Myrten.

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[187/0199] Bei den goldnen Locken; ich wandte mich ſtraͤu- bend; mein Auge Staunte zuruͤck, vom Blize der goͤttlichen Augen getroffen. Sieh, ich bebte nicht dir; ich bebte der furcht- baren Goͤttin. Sie verſchwand; da war mir, als athmet’ ich liebliche Duͤfte, Laͤg’ am blumigen Hange des Helikon, unter der Kuͤhlung Wehender Schatten, an Aganippens Silberge- ſaͤuſel. Nun erwacht’ ich, und zuͤrnte nun wieder, und grif zu der Leier. Aber es hatte die juͤngſte der Muſen die Leier umſtimmet, Daß ſie nicht toͤnte wie ſonſt, wie Donner, wie Stimmen der Meere, Sondern wie Liſpel des wankenden Schilfes, wie zaͤrtliche Klagen Junger Nachtigalln auf bluͤhenden Zweigen der Myrten.

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Zitationshilfe: Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stolbergstolberg_gedichte_1779/199>, abgerufen am 17.05.2024.