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Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779.

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Als der Fremdling sich ermannte,
Sprach der Deutsche: "Sieh den Mann,
Der dies Weib hier liebgewann,
Erst für sie im stillen brannte,
Dann sein Feuer ihr bekannte;
Den sie ihren Trauten nannte,
Der mit seiner Frevelthat
Mir mein Bett beschimpfet hat!
Das ist nun ihr größtes Leiden,
Daß sie ihren Ehemann,
Der solch Leid ihr angethan,
Muß beständig um sich leiden!
Jenes Anblick gab ihr Freuden
Sonst, nun mögt' sie gern ihn meiden,
Doch sie sieht ihn, und beim Mahl
Jst sein Schädel ihr Pokal." --
Als der Fremdling ſich ermannte,
Sprach der Deutſche: „Sieh den Mann,
Der dies Weib hier liebgewann,
Erſt fuͤr ſie im ſtillen brannte,
Dann ſein Feuer ihr bekannte;
Den ſie ihren Trauten nannte,
Der mit ſeiner Frevelthat
Mir mein Bett beſchimpfet hat!
Das iſt nun ihr groͤßtes Leiden,
Daß ſie ihren Ehemann,
Der ſolch Leid ihr angethan,
Muß beſtaͤndig um ſich leiden!
Jenes Anblick gab ihr Freuden
Sonſt, nun moͤgt’ ſie gern ihn meiden,
Doch ſie ſieht ihn, und beim Mahl
Jſt ſein Schaͤdel ihr Pokal.„ —
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[203/0217] Als der Fremdling ſich ermannte, Sprach der Deutſche: „Sieh den Mann, Der dies Weib hier liebgewann, Erſt fuͤr ſie im ſtillen brannte, Dann ſein Feuer ihr bekannte; Den ſie ihren Trauten nannte, Der mit ſeiner Frevelthat Mir mein Bett beſchimpfet hat! Das iſt nun ihr groͤßtes Leiden, Daß ſie ihren Ehemann, Der ſolch Leid ihr angethan, Muß beſtaͤndig um ſich leiden! Jenes Anblick gab ihr Freuden Sonſt, nun moͤgt’ ſie gern ihn meiden, Doch ſie ſieht ihn, und beim Mahl Jſt ſein Schaͤdel ihr Pokal.„ —

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Zitationshilfe: Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stolbergstolberg_gedichte_1779/217>, abgerufen am 17.05.2024.