Gliedern, von denen, alle drey Jahre, zwey aus der Bürgerschaft und eben so viele aus dem Bauerstande gewählt werden. Jeder Stand hat es nur mit den Klägern und Beklagten seines Standes zu thun. Das Gewissensge- richt richtet überhaupt, wie alle andere Tribu- nale, nach den Gesetzen; da es aber zu einer Schutzwehre der besondern oder persönlichen Sicherheit angeordnet wird, so sollen seine Re- geln in allen Fällen folgende seyn: allgemeine Menschenliebe, Achtung für den Menschen als solchen, und Abneigung von aller Bedrängniß und Kränkung der Menschheit. Aus dieser Ursache soll das Gewissensgericht nie das Schick- sal irgend eines Menschen erschweren, sondern vielmehr die ihm anvertraute gewissenhafte Er- örterung und mitleidige Beendigung der ihm übertragenen Sachen sich angelegen seyn las- sen. Es mischt sich nie aus eigener Bewegung in irgend eine Sache, sondern nimmt sich der- selben nur auf Befehl der Regierung, auf Kom- munikation eines andern Gerichtshofes oder auf Bitte und Klage an. Die Sachen solcher Verbrecher, die durch einen unglücklichen Zu- fall oder durch den Lauf verschiedener Umstände
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Gliedern, von denen, alle drey Jahre, zwey aus der Buͤrgerſchaft und eben ſo viele aus dem Bauerſtande gewaͤhlt werden. Jeder Stand hat es nur mit den Klaͤgern und Beklagten ſeines Standes zu thun. Das Gewiſſensge- richt richtet uͤberhaupt, wie alle andere Tribu- nale, nach den Geſetzen; da es aber zu einer Schutzwehre der beſondern oder perſoͤnlichen Sicherheit angeordnet wird, ſo ſollen ſeine Re- geln in allen Faͤllen folgende ſeyn: allgemeine Menſchenliebe, Achtung fuͤr den Menſchen als ſolchen, und Abneigung von aller Bedraͤngniß und Kraͤnkung der Menſchheit. Aus dieſer Urſache ſoll das Gewiſſensgericht nie das Schick- ſal irgend eines Menſchen erſchweren, ſondern vielmehr die ihm anvertraute gewiſſenhafte Er- oͤrterung und mitleidige Beendigung der ihm uͤbertragenen Sachen ſich angelegen ſeyn laſ- ſen. Es miſcht ſich nie aus eigener Bewegung in irgend eine Sache, ſondern nimmt ſich der- ſelben nur auf Befehl der Regierung, auf Kom- munikation eines andern Gerichtshofes oder auf Bitte und Klage an. Die Sachen ſolcher Verbrecher, die durch einen ungluͤcklichen Zu- fall oder durch den Lauf verſchiedener Umſtaͤnde
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Gliedern, von denen, alle drey Jahre, zwey
aus der Buͤrgerſchaft und eben ſo viele aus
dem Bauerſtande gewaͤhlt werden. Jeder Stand
hat es nur mit den Klaͤgern und Beklagten
ſeines Standes zu thun. Das Gewiſſensge-
richt richtet uͤberhaupt, wie alle andere Tribu-
nale, nach den Geſetzen; da es aber zu einer
Schutzwehre der beſondern oder perſoͤnlichen
Sicherheit angeordnet wird, ſo ſollen ſeine Re-
geln in allen Faͤllen folgende ſeyn: allgemeine
Menſchenliebe, Achtung fuͤr den Menſchen als
ſolchen, und Abneigung von aller Bedraͤngniß
und Kraͤnkung der Menſchheit. Aus dieſer
Urſache ſoll das Gewiſſensgericht nie das Schick-
ſal irgend eines Menſchen erſchweren, ſondern
vielmehr die ihm anvertraute gewiſſenhafte Er-
oͤrterung und mitleidige Beendigung der ihm
uͤbertragenen Sachen ſich angelegen ſeyn laſ-
ſen. Es miſcht ſich nie aus eigener Bewegung
in irgend eine Sache, ſondern nimmt ſich der-
ſelben nur auf Befehl der Regierung, auf Kom-
munikation eines andern Gerichtshofes oder
auf Bitte und Klage an. Die Sachen ſolcher
Verbrecher, die durch einen ungluͤcklichen Zu-
fall oder durch den Lauf verſchiedener Umſtaͤnde
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/197>, abgerufen am 22.11.2024.
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