hier zum Tanzen aufgefordert, und in eben dieser Absicht ist es ihnen auch erlaubt, jähr- lich einmal auf ihrem sehr schön eingerichteten Theater zu spielen. Zuweilen, aber sehr sel- ten, wird ein öffentlicher Ball gegeben, wobey die Kinder aus dem Fräuleinstift zugegen sind. -- So lange die Kadets im Korps erzogen werden, dürfen sie weder Geld noch irgend etwas besitzen, was ihnen nicht nach dem Plan zugestanden ist; es wird daher dem Sohn des reichsten Fürsten nicht erlaubt, fei- nere Wäsche oder Kleider, als der ärmste sei- ner Mitzöglinge zu tragen.
Das Resultat dieser Erziehungsart ist, nach allen vorhandenen Umständen, immer sehr vortheilhaft. Bosheit, Intrigue, Unsittlich- keit, und alle die Laster, die gewöhnlich in großen Erziehungsanstalten zu Hause sind, werden hier nicht gefunden; im Gegentheil ist eine gewisse Gutmüthigkeit und Lenksam- keit, wenigstens bey dem größern Theile, herr- schend. Nach denen seit kurzen entlassenen Zöglingen zu urtheilen, ist kein hervorstechen- der Karakter sichtbar, den man der Erziehungs- methode zuzuschreiben Grund hätte; im Gegen-
T 2
hier zum Tanzen aufgefordert, und in eben dieſer Abſicht iſt es ihnen auch erlaubt, jaͤhr- lich einmal auf ihrem ſehr ſchoͤn eingerichteten Theater zu ſpielen. Zuweilen, aber ſehr ſel- ten, wird ein oͤffentlicher Ball gegeben, wobey die Kinder aus dem Fraͤuleinſtift zugegen ſind. — So lange die Kadets im Korps erzogen werden, duͤrfen ſie weder Geld noch irgend etwas beſitzen, was ihnen nicht nach dem Plan zugeſtanden iſt; es wird daher dem Sohn des reichſten Fuͤrſten nicht erlaubt, fei- nere Waͤſche oder Kleider, als der aͤrmſte ſei- ner Mitzoͤglinge zu tragen.
Das Reſultat dieſer Erziehungsart iſt, nach allen vorhandenen Umſtaͤnden, immer ſehr vortheilhaft. Bosheit, Intrigue, Unſittlich- keit, und alle die Laſter, die gewoͤhnlich in großen Erziehungsanſtalten zu Hauſe ſind, werden hier nicht gefunden; im Gegentheil iſt eine gewiſſe Gutmuͤthigkeit und Lenkſam- keit, wenigſtens bey dem groͤßern Theile, herr- ſchend. Nach denen ſeit kurzen entlaſſenen Zoͤglingen zu urtheilen, iſt kein hervorſtechen- der Karakter ſichtbar, den man der Erziehungs- methode zuzuſchreiben Grund haͤtte; im Gegen-
T 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0327"n="291"/>
hier zum Tanzen aufgefordert, und in eben<lb/>
dieſer Abſicht iſt es ihnen auch erlaubt, jaͤhr-<lb/>
lich einmal auf ihrem ſehr ſchoͤn eingerichteten<lb/>
Theater zu ſpielen. Zuweilen, aber ſehr ſel-<lb/>
ten, wird ein oͤffentlicher Ball gegeben, wobey<lb/>
die Kinder aus dem Fraͤuleinſtift zugegen ſind.<lb/>— So lange die Kadets im Korps erzogen<lb/>
werden, duͤrfen ſie weder Geld noch irgend<lb/>
etwas beſitzen, was ihnen nicht nach dem<lb/>
Plan zugeſtanden iſt; es wird daher dem<lb/>
Sohn des reichſten Fuͤrſten nicht erlaubt, fei-<lb/>
nere Waͤſche oder Kleider, als der aͤrmſte ſei-<lb/>
ner Mitzoͤglinge zu tragen.</p><lb/><p>Das Reſultat dieſer Erziehungsart iſt,<lb/>
nach allen vorhandenen Umſtaͤnden, immer ſehr<lb/>
vortheilhaft. Bosheit, Intrigue, Unſittlich-<lb/>
keit, und alle die Laſter, die gewoͤhnlich in<lb/>
großen Erziehungsanſtalten zu Hauſe ſind,<lb/>
werden hier nicht gefunden; im Gegentheil<lb/>
iſt eine gewiſſe Gutmuͤthigkeit und Lenkſam-<lb/>
keit, wenigſtens bey dem groͤßern Theile, herr-<lb/>ſchend. Nach denen ſeit kurzen entlaſſenen<lb/>
Zoͤglingen zu urtheilen, iſt kein hervorſtechen-<lb/>
der Karakter ſichtbar, den man der Erziehungs-<lb/>
methode zuzuſchreiben Grund haͤtte; im Gegen-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">T 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[291/0327]
hier zum Tanzen aufgefordert, und in eben
dieſer Abſicht iſt es ihnen auch erlaubt, jaͤhr-
lich einmal auf ihrem ſehr ſchoͤn eingerichteten
Theater zu ſpielen. Zuweilen, aber ſehr ſel-
ten, wird ein oͤffentlicher Ball gegeben, wobey
die Kinder aus dem Fraͤuleinſtift zugegen ſind.
— So lange die Kadets im Korps erzogen
werden, duͤrfen ſie weder Geld noch irgend
etwas beſitzen, was ihnen nicht nach dem
Plan zugeſtanden iſt; es wird daher dem
Sohn des reichſten Fuͤrſten nicht erlaubt, fei-
nere Waͤſche oder Kleider, als der aͤrmſte ſei-
ner Mitzoͤglinge zu tragen.
Das Reſultat dieſer Erziehungsart iſt,
nach allen vorhandenen Umſtaͤnden, immer ſehr
vortheilhaft. Bosheit, Intrigue, Unſittlich-
keit, und alle die Laſter, die gewoͤhnlich in
großen Erziehungsanſtalten zu Hauſe ſind,
werden hier nicht gefunden; im Gegentheil
iſt eine gewiſſe Gutmuͤthigkeit und Lenkſam-
keit, wenigſtens bey dem groͤßern Theile, herr-
ſchend. Nach denen ſeit kurzen entlaſſenen
Zoͤglingen zu urtheilen, iſt kein hervorſtechen-
der Karakter ſichtbar, den man der Erziehungs-
methode zuzuſchreiben Grund haͤtte; im Gegen-
T 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/327>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.