Mütze, Pelz, gefütterte Ueberstiefel und Muff gehören zur Winterbekleidung. Ein lustiger An- blick ists, die kolossalischen Hüllen im Vorzim- mer zu sehen, aus denen sich nach wenigen Minuten die elegantesten Stutzer entwickeln. Der gemeine Russe sorgt nur für warme Be- kleidung der Füße. Mit einem einfachen Pelz versehen, mit unbedecktem Halse und einem zu Eise gefrornem Bart halten Fuhrleute und Kleinverkäufer den ganzen Tag auf offner Straße. Bey einer Kälte von 25 Graden ste- hen Weiber stundenlang auf den Kanälen und spülen Wäsche.
Der Winter vermehrt die Lebensnothwen- digkeiten und der Luxus vergrößert sie. Die Winterkleidung, das Holz und die Lichte gehö- ren in diese Rubrik. Daß hier in Pelzen ein großer Aufwand herrscht, ist vorauszusetzen; die Mode wechselt oft so schnell, daß man mehr als wohlhabend seyn muß, um ihr allemal folgen zu können. Der Holzverbrauch ist unge- heuer. In den Küchen, Bädern und Bedienten- zimmern, die wie Bäder geheizt werden, geht eine unglaubliche Menge dieses ersten Bedürfnisses für unser Klima verloren. Nach einem mäßigen
Muͤtze, Pelz, gefuͤtterte Ueberſtiefel und Muff gehoͤren zur Winterbekleidung. Ein luſtiger An- blick iſts, die koloſſaliſchen Huͤllen im Vorzim- mer zu ſehen, aus denen ſich nach wenigen Minuten die eleganteſten Stutzer entwickeln. Der gemeine Ruſſe ſorgt nur fuͤr warme Be- kleidung der Fuͤße. Mit einem einfachen Pelz verſehen, mit unbedecktem Halſe und einem zu Eiſe gefrornem Bart halten Fuhrleute und Kleinverkaͤufer den ganzen Tag auf offner Straße. Bey einer Kaͤlte von 25 Graden ſte- hen Weiber ſtundenlang auf den Kanaͤlen und ſpuͤlen Waͤſche.
Der Winter vermehrt die Lebensnothwen- digkeiten und der Luxus vergroͤßert ſie. Die Winterkleidung, das Holz und die Lichte gehoͤ- ren in dieſe Rubrik. Daß hier in Pelzen ein großer Aufwand herrſcht, iſt vorauszuſetzen; die Mode wechſelt oft ſo ſchnell, daß man mehr als wohlhabend ſeyn muß, um ihr allemal folgen zu koͤnnen. Der Holzverbrauch iſt unge- heuer. In den Kuͤchen, Baͤdern und Bedienten- zimmern, die wie Baͤder geheizt werden, geht eine unglaubliche Menge dieſes erſten Beduͤrfniſſes fuͤr unſer Klima verloren. Nach einem maͤßigen
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Muͤtze, Pelz, gefuͤtterte Ueberſtiefel und Muff
gehoͤren zur Winterbekleidung. Ein luſtiger An-
blick iſts, die koloſſaliſchen Huͤllen im Vorzim-
mer zu ſehen, aus denen ſich nach wenigen
Minuten die eleganteſten Stutzer entwickeln.
Der gemeine Ruſſe ſorgt nur fuͤr warme Be-
kleidung der Fuͤße. Mit einem einfachen Pelz
verſehen, mit unbedecktem Halſe und einem zu
Eiſe gefrornem Bart halten Fuhrleute und
Kleinverkaͤufer den ganzen Tag auf offner
Straße. Bey einer Kaͤlte von 25 Graden ſte-
hen Weiber ſtundenlang auf den Kanaͤlen und
ſpuͤlen Waͤſche.
Der Winter vermehrt die Lebensnothwen-
digkeiten und der Luxus vergroͤßert ſie. Die
Winterkleidung, das Holz und die Lichte gehoͤ-
ren in dieſe Rubrik. Daß hier in Pelzen ein
großer Aufwand herrſcht, iſt vorauszuſetzen;
die Mode wechſelt oft ſo ſchnell, daß man mehr
als wohlhabend ſeyn muß, um ihr allemal
folgen zu koͤnnen. Der Holzverbrauch iſt unge-
heuer. In den Kuͤchen, Baͤdern und Bedienten-
zimmern, die wie Baͤder geheizt werden, geht eine
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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