Menge schöner Kanäle. Der Anblick von Pe- tersburg vergnügt weniger durch das was da ist, als durch die Idee des nach einer so großen und schönen Anlage zu vollendenden Ganzen; eine Idee die sehr natürlich durch das stete ausseror- dentlich schnelle Bauen erweckt wird. In kurzer Zeit sieht man weitläuftige wüste Felder mit Häu- sern bedeckt, und wer einige Jahre hindurch ge- wisse Gegenden nicht besucht hat, wie dies in großen Städten leicht der Fall ist, findet sich oft mit Ueberraschung in unbekannte Gassen versetzt. Der Admiralitätstheil, jetzt die schönste Gegend der Stadt, war noch vor wenigen Jahren so wüste, daß viele Einwohner schon itzt die Palläste bemerken, an deren Stelle sie Morast oder Vieh- triften gesehen haben. Der Fontanka-Kanal, vor zehn Jahren noch ein sumpfiger Bach, der die umliegende Gegend ungesund machte und des- sen Ufer mit hölzernen Hütten bebaut waren, ist itzt in seiner prachtvollen Einfassung die schönste Zierde der Residenz, so wie die Häuserreihe zu beyden Seiten des Ufers in zwanzig Jahren eine der schönsten Gassen in Europa seyn wird, wenn man fortfährt, so viel und so geschmackvoll in derselben zu bauen. -- Indessen ist nicht zu
Menge ſchoͤner Kanaͤle. Der Anblick von Pe- tersburg vergnuͤgt weniger durch das was da iſt, als durch die Idee des nach einer ſo großen und ſchoͤnen Anlage zu vollendenden Ganzen; eine Idee die ſehr natuͤrlich durch das ſtete auſſeror- dentlich ſchnelle Bauen erweckt wird. In kurzer Zeit ſieht man weitlaͤuftige wuͤſte Felder mit Haͤu- ſern bedeckt, und wer einige Jahre hindurch ge- wiſſe Gegenden nicht beſucht hat, wie dies in großen Staͤdten leicht der Fall iſt, findet ſich oft mit Ueberraſchung in unbekannte Gaſſen verſetzt. Der Admiralitaͤtstheil, jetzt die ſchoͤnſte Gegend der Stadt, war noch vor wenigen Jahren ſo wuͤſte, daß viele Einwohner ſchon itzt die Pallaͤſte bemerken, an deren Stelle ſie Moraſt oder Vieh- triften geſehen haben. Der Fontanka-Kanal, vor zehn Jahren noch ein ſumpfiger Bach, der die umliegende Gegend ungeſund machte und deſ- ſen Ufer mit hoͤlzernen Huͤtten bebaut waren, iſt itzt in ſeiner prachtvollen Einfaſſung die ſchoͤnſte Zierde der Reſidenz, ſo wie die Haͤuſerreihe zu beyden Seiten des Ufers in zwanzig Jahren eine der ſchoͤnſten Gaſſen in Europa ſeyn wird, wenn man fortfaͤhrt, ſo viel und ſo geſchmackvoll in derſelben zu bauen. — Indeſſen iſt nicht zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0049"n="15"/>
Menge ſchoͤner Kanaͤle. Der Anblick von Pe-<lb/>
tersburg vergnuͤgt weniger durch das was da iſt,<lb/>
als durch die Idee des nach einer ſo großen und<lb/>ſchoͤnen Anlage zu vollendenden Ganzen; eine<lb/>
Idee die ſehr natuͤrlich durch das ſtete auſſeror-<lb/>
dentlich ſchnelle Bauen erweckt wird. In kurzer<lb/>
Zeit ſieht man weitlaͤuftige wuͤſte Felder mit Haͤu-<lb/>ſern bedeckt, und wer einige Jahre hindurch ge-<lb/>
wiſſe Gegenden nicht beſucht hat, wie dies in<lb/>
großen Staͤdten leicht der Fall iſt, findet ſich oft<lb/>
mit Ueberraſchung in unbekannte Gaſſen verſetzt.<lb/>
Der Admiralitaͤtstheil, jetzt die ſchoͤnſte Gegend<lb/>
der Stadt, war noch vor wenigen Jahren ſo<lb/>
wuͤſte, daß viele Einwohner ſchon itzt die Pallaͤſte<lb/>
bemerken, an deren Stelle ſie Moraſt oder Vieh-<lb/>
triften geſehen haben. Der Fontanka-Kanal,<lb/>
vor zehn Jahren noch ein ſumpfiger Bach, der<lb/>
die umliegende Gegend ungeſund machte und deſ-<lb/>ſen Ufer mit hoͤlzernen Huͤtten bebaut waren, iſt<lb/>
itzt in ſeiner prachtvollen Einfaſſung die ſchoͤnſte<lb/>
Zierde der Reſidenz, ſo wie die Haͤuſerreihe zu<lb/>
beyden Seiten des Ufers in zwanzig Jahren eine<lb/>
der ſchoͤnſten Gaſſen in Europa ſeyn wird, wenn<lb/>
man fortfaͤhrt, ſo viel und ſo geſchmackvoll in<lb/>
derſelben zu bauen. — Indeſſen iſt nicht zu<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[15/0049]
Menge ſchoͤner Kanaͤle. Der Anblick von Pe-
tersburg vergnuͤgt weniger durch das was da iſt,
als durch die Idee des nach einer ſo großen und
ſchoͤnen Anlage zu vollendenden Ganzen; eine
Idee die ſehr natuͤrlich durch das ſtete auſſeror-
dentlich ſchnelle Bauen erweckt wird. In kurzer
Zeit ſieht man weitlaͤuftige wuͤſte Felder mit Haͤu-
ſern bedeckt, und wer einige Jahre hindurch ge-
wiſſe Gegenden nicht beſucht hat, wie dies in
großen Staͤdten leicht der Fall iſt, findet ſich oft
mit Ueberraſchung in unbekannte Gaſſen verſetzt.
Der Admiralitaͤtstheil, jetzt die ſchoͤnſte Gegend
der Stadt, war noch vor wenigen Jahren ſo
wuͤſte, daß viele Einwohner ſchon itzt die Pallaͤſte
bemerken, an deren Stelle ſie Moraſt oder Vieh-
triften geſehen haben. Der Fontanka-Kanal,
vor zehn Jahren noch ein ſumpfiger Bach, der
die umliegende Gegend ungeſund machte und deſ-
ſen Ufer mit hoͤlzernen Huͤtten bebaut waren, iſt
itzt in ſeiner prachtvollen Einfaſſung die ſchoͤnſte
Zierde der Reſidenz, ſo wie die Haͤuſerreihe zu
beyden Seiten des Ufers in zwanzig Jahren eine
der ſchoͤnſten Gaſſen in Europa ſeyn wird, wenn
man fortfaͤhrt, ſo viel und ſo geſchmackvoll in
derſelben zu bauen. — Indeſſen iſt nicht zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/49>, abgerufen am 12.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.