radetreppe durch ihre Pracht und schöne Bauart merkwürdig.
Der zweyte Stock enthält die Hofkirche, den Audienzsaal, das Kleinodienzimmer, mehrere Maskeraden- und Gesellschaftssäle und die sämt- lichen Wohnzimmer der Kaiserinn und der kaiser- lichen Familie. So sehr sich die erstern durch die ausgesuchteste Pracht und durch den uner- meßlichen Werth der darinn enthaltenen Kostbar- keiten auszeichnen, so überraschend ist die edle Simplicität, die in den eigentlichen Wohnzim- mern der Kaiserinn herrscht, wo die Verschwen- dung nirgend, der Reichthum aber nur unter dem Gepräge der Nützlichkeit und des Geschmacks eine Stelle behauptet. Den Geldwerth der Ge- mälde und Kunstsachen abgerechnet, welche hier zur Befriedigung des geistigen Luxus aufgestellt sind, ist Katharina die Zweyte nicht besser mit Hausgeräthe versehen, als so viele ihrer wohlhabenden und reichen Unterthanen. Ein un- willkührliches Gefühl, die Huldigung die sich moralische Größe immer zu erzwingen weiß, be- meistert sich des Beobachters, wenn ihm der An- blick dieser Gegenstände das Bild der großen Fürstinn sinnlicher und gegenwärtiger macht, für
radetreppe durch ihre Pracht und ſchoͤne Bauart merkwuͤrdig.
Der zweyte Stock enthaͤlt die Hofkirche, den Audienzſaal, das Kleinodienzimmer, mehrere Maskeraden- und Geſellſchaftsſaͤle und die ſaͤmt- lichen Wohnzimmer der Kaiſerinn und der kaiſer- lichen Familie. So ſehr ſich die erſtern durch die ausgeſuchteſte Pracht und durch den uner- meßlichen Werth der darinn enthaltenen Koſtbar- keiten auszeichnen, ſo uͤberraſchend iſt die edle Simplicitaͤt, die in den eigentlichen Wohnzim- mern der Kaiſerinn herrſcht, wo die Verſchwen- dung nirgend, der Reichthum aber nur unter dem Gepraͤge der Nuͤtzlichkeit und des Geſchmacks eine Stelle behauptet. Den Geldwerth der Ge- maͤlde und Kunſtſachen abgerechnet, welche hier zur Befriedigung des geiſtigen Luxus aufgeſtellt ſind, iſt Katharina die Zweyte nicht beſſer mit Hausgeraͤthe verſehen, als ſo viele ihrer wohlhabenden und reichen Unterthanen. Ein un- willkuͤhrliches Gefuͤhl, die Huldigung die ſich moraliſche Groͤße immer zu erzwingen weiß, be- meiſtert ſich des Beobachters, wenn ihm der An- blick dieſer Gegenſtaͤnde das Bild der großen Fuͤrſtinn ſinnlicher und gegenwaͤrtiger macht, fuͤr
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radetreppe durch ihre Pracht und ſchoͤne Bauart
merkwuͤrdig.
Der zweyte Stock enthaͤlt die Hofkirche, den
Audienzſaal, das Kleinodienzimmer, mehrere
Maskeraden- und Geſellſchaftsſaͤle und die ſaͤmt-
lichen Wohnzimmer der Kaiſerinn und der kaiſer-
lichen Familie. So ſehr ſich die erſtern durch
die ausgeſuchteſte Pracht und durch den uner-
meßlichen Werth der darinn enthaltenen Koſtbar-
keiten auszeichnen, ſo uͤberraſchend iſt die edle
Simplicitaͤt, die in den eigentlichen Wohnzim-
mern der Kaiſerinn herrſcht, wo die Verſchwen-
dung nirgend, der Reichthum aber nur unter
dem Gepraͤge der Nuͤtzlichkeit und des Geſchmacks
eine Stelle behauptet. Den Geldwerth der Ge-
maͤlde und Kunſtſachen abgerechnet, welche hier
zur Befriedigung des geiſtigen Luxus aufgeſtellt
ſind, iſt Katharina die Zweyte nicht beſſer
mit Hausgeraͤthe verſehen, als ſo viele ihrer
wohlhabenden und reichen Unterthanen. Ein un-
willkuͤhrliches Gefuͤhl, die Huldigung die ſich
moraliſche Groͤße immer zu erzwingen weiß, be-
meiſtert ſich des Beobachters, wenn ihm der An-
blick dieſer Gegenſtaͤnde das Bild der großen
Fuͤrſtinn ſinnlicher und gegenwaͤrtiger macht, fuͤr
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/76>, abgerufen am 26.11.2024.
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