Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite
die Schäfer und versteckten sich; es spielten
auch sie.
Der Schäfer trifft auf die schöne Enona:
bey seinem Anblick ohne Zeugen glühet die
Schäferinn.
Er fand sie zwischen breitzweigigen Linden;
er fand sie und hieng sich an sie, wie eine
Klette.
Enona sagte ihm zwar kein zärtliches Wort,
aber sie verbot ihm auch nichts.
Also ward er kühn, erglühete --
eine Nachtigall auf dem Baume besang seinen
Sieg.
Aber der Schäfer hörte diese Stimme nicht;
der Schäfer ergötzte sich damals nicht an Ge-
sängen.

Folgende Ode über die Größe Gottes hat
eine auffallende Aehnlichkeit mit einzelnen Ge-
danken eines der besten deutschen Dichter.

Der Himmel öffnet sich; mein Gedanke fliegt
hinauf,
dringt in die Ferne, verliert sich,
ohne deren Ende zu finden,
und, von Finsterniß zurückgetrieben,
die Schaͤfer und verſteckten ſich; es ſpielten
auch ſie.
Der Schaͤfer trifft auf die ſchoͤne Enona:
bey ſeinem Anblick ohne Zeugen gluͤhet die
Schaͤferinn.
Er fand ſie zwiſchen breitzweigigen Linden;
er fand ſie und hieng ſich an ſie, wie eine
Klette.
Enona ſagte ihm zwar kein zaͤrtliches Wort,
aber ſie verbot ihm auch nichts.
Alſo ward er kuͤhn, ergluͤhete —
eine Nachtigall auf dem Baume beſang ſeinen
Sieg.
Aber der Schaͤfer hoͤrte dieſe Stimme nicht;
der Schaͤfer ergoͤtzte ſich damals nicht an Ge-
ſaͤngen.

Folgende Ode uͤber die Groͤße Gottes hat
eine auffallende Aehnlichkeit mit einzelnen Ge-
danken eines der beſten deutſchen Dichter.

Der Himmel oͤffnet ſich; mein Gedanke fliegt
hinauf,
dringt in die Ferne, verliert ſich,
ohne deren Ende zu finden,
und, von Finſterniß zuruͤckgetrieben,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0244" n="228"/>
            <l>die Scha&#x0364;fer und ver&#x017F;teckten &#x017F;ich; es &#x017F;pielten</l><lb/>
            <l>auch &#x017F;ie.</l><lb/>
            <l>Der Scha&#x0364;fer trifft auf die &#x017F;cho&#x0364;ne Enona:</l><lb/>
            <l>bey &#x017F;einem Anblick ohne Zeugen glu&#x0364;het die</l><lb/>
            <l>Scha&#x0364;ferinn.</l><lb/>
            <l>Er fand &#x017F;ie zwi&#x017F;chen breitzweigigen Linden;</l><lb/>
            <l>er fand &#x017F;ie und hieng &#x017F;ich an &#x017F;ie, wie eine</l><lb/>
            <l>Klette.</l><lb/>
            <l>Enona &#x017F;agte ihm zwar kein za&#x0364;rtliches Wort,</l><lb/>
            <l>aber &#x017F;ie verbot ihm auch nichts.</l><lb/>
            <l>Al&#x017F;o ward er ku&#x0364;hn, erglu&#x0364;hete &#x2014;</l><lb/>
            <l>eine Nachtigall auf dem Baume be&#x017F;ang &#x017F;einen</l><lb/>
            <l>Sieg.</l><lb/>
            <l>Aber der Scha&#x0364;fer ho&#x0364;rte die&#x017F;e Stimme nicht;</l><lb/>
            <l>der Scha&#x0364;fer ergo&#x0364;tzte &#x017F;ich damals nicht an Ge-</l><lb/>
            <l>&#x017F;a&#x0364;ngen.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Folgende Ode u&#x0364;ber die Gro&#x0364;ße Gottes hat<lb/>
eine auffallende Aehnlichkeit mit einzelnen Ge-<lb/>
danken eines der be&#x017F;ten deut&#x017F;chen Dichter.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Der Himmel o&#x0364;ffnet &#x017F;ich; mein Gedanke fliegt</l><lb/>
              <l>hinauf,</l><lb/>
              <l>dringt in die Ferne, verliert &#x017F;ich,</l><lb/>
              <l>ohne deren Ende zu finden,</l><lb/>
              <l>und, von Fin&#x017F;terniß zuru&#x0364;ckgetrieben,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0244] die Schaͤfer und verſteckten ſich; es ſpielten auch ſie. Der Schaͤfer trifft auf die ſchoͤne Enona: bey ſeinem Anblick ohne Zeugen gluͤhet die Schaͤferinn. Er fand ſie zwiſchen breitzweigigen Linden; er fand ſie und hieng ſich an ſie, wie eine Klette. Enona ſagte ihm zwar kein zaͤrtliches Wort, aber ſie verbot ihm auch nichts. Alſo ward er kuͤhn, ergluͤhete — eine Nachtigall auf dem Baume beſang ſeinen Sieg. Aber der Schaͤfer hoͤrte dieſe Stimme nicht; der Schaͤfer ergoͤtzte ſich damals nicht an Ge- ſaͤngen. Folgende Ode uͤber die Groͤße Gottes hat eine auffallende Aehnlichkeit mit einzelnen Ge- danken eines der beſten deutſchen Dichter. Der Himmel oͤffnet ſich; mein Gedanke fliegt hinauf, dringt in die Ferne, verliert ſich, ohne deren Ende zu finden, und, von Finſterniß zuruͤckgetrieben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/244
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/244>, abgerufen am 23.11.2024.