Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.ist der scheugewordene Schäfer noch immer muthlos, und vermindert die Glut der Schäferinn in dem Augenblicke, wenn die Liebe ihr alles zu thun befiehlt. Vor seiner Furchtsamkeit entflieht das Ver- gnügen, und er schmachtet alsdann nur noch mehr. Der Schönheit mit Herz und Sinnen ganz er- geben, liebt er die Fußsteige wo sie nur gegangen ist; Wege zum Olymp scheinen ihm diese Fußsteige zu seyn, und Quellen des Paradieses da wo sie ihre Füße wäscht; süßer die Beeren die sie pflückt und reiner das Wasser das er mit ihr trinkt. Nicht der Hund hat den Vorzug, der sich zur Heerde schickt, sondern der den Enona streichelt. Er denkt: nirgend sind so schöne Gesichter, und seine Liebe überschritt alle Grenzen. Nicht jeden verwundet Amors Pfeil so genau und treffend; er schießt immer, aber stark verwundet er selten. Einsmals spielten in den Sommertagen P 2
iſt der ſcheugewordene Schaͤfer noch immer muthlos, und vermindert die Glut der Schaͤferinn in dem Augenblicke, wenn die Liebe ihr alles zu thun befiehlt. Vor ſeiner Furchtſamkeit entflieht das Ver- gnuͤgen, und er ſchmachtet alsdann nur noch mehr. Der Schoͤnheit mit Herz und Sinnen ganz er- geben, liebt er die Fußſteige wo ſie nur gegangen iſt; Wege zum Olymp ſcheinen ihm dieſe Fußſteige zu ſeyn, und Quellen des Paradieſes da wo ſie ihre Fuͤße waͤſcht; ſuͤßer die Beeren die ſie pfluͤckt und reiner das Waſſer das er mit ihr trinkt. Nicht der Hund hat den Vorzug, der ſich zur Heerde ſchickt, ſondern der den Enona ſtreichelt. Er denkt: nirgend ſind ſo ſchoͤne Geſichter, und ſeine Liebe uͤberſchritt alle Grenzen. Nicht jeden verwundet Amors Pfeil ſo genau und treffend; er ſchießt immer, aber ſtark verwundet er ſelten. Einsmals ſpielten in den Sommertagen P 2
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iſt der ſcheugewordene Schaͤfer noch immer
muthlos,
und vermindert die Glut der Schaͤferinn
in dem Augenblicke, wenn die Liebe ihr alles
zu thun befiehlt.
Vor ſeiner Furchtſamkeit entflieht das Ver-
gnuͤgen,
und er ſchmachtet alsdann nur noch mehr.
Der Schoͤnheit mit Herz und Sinnen ganz er-
geben,
liebt er die Fußſteige wo ſie nur gegangen iſt;
Wege zum Olymp ſcheinen ihm dieſe Fußſteige
zu ſeyn,
und Quellen des Paradieſes da wo ſie ihre
Fuͤße waͤſcht;
ſuͤßer die Beeren die ſie pfluͤckt
und reiner das Waſſer das er mit ihr trinkt.
Nicht der Hund hat den Vorzug, der ſich zur
Heerde ſchickt,
ſondern der den Enona ſtreichelt.
Er denkt: nirgend ſind ſo ſchoͤne Geſichter,
und ſeine Liebe uͤberſchritt alle Grenzen.
Nicht jeden verwundet Amors Pfeil ſo genau
und treffend;
er ſchießt immer, aber ſtark verwundet er
ſelten.
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