den finstern Donner haltend, den Lorbeer und den Oelzweig.
Mit himmelblauen Augen als wie von Zorn entflammet sah mich die Göttinn an. Dies Bild wird nimmermehr in meiner Brust verlöschen. "O Mursa! sprach sie zürnend, du Eitler dünkst dich glücklich, wenn du bey Tag und Nacht auf deiner Leyer spielest, den Zaren Lieder singest. Doch zittre und vernimm die furchtbar große Wahrheit, oft unerkannt, unglaublich der Leidenschaft des Dichters; mich zwingt, sie zu entdecken, Wohlwollen nur für dich. Ist Dichtkunst mehr als Wahnsinn, der Götter höh're Gabe, so singe nur der Dichter die Herrlichkeit der Götter, den Unterricht der Tugend; sein Lied sey nie entweihet durch bloße Schmeicheleyen, vergänglich Lob der Menschen.
den finſtern Donner haltend, den Lorbeer und den Oelzweig.
Mit himmelblauen Augen als wie von Zorn entflammet ſah mich die Goͤttinn an. Dies Bild wird nimmermehr in meiner Bruſt verloͤſchen. „O Murſa! ſprach ſie zuͤrnend, du Eitler duͤnkſt dich gluͤcklich, wenn du bey Tag und Nacht auf deiner Leyer ſpieleſt, den Zaren Lieder ſingeſt. Doch zittre und vernimm die furchtbar große Wahrheit, oft unerkannt, unglaublich der Leidenſchaft des Dichters; mich zwingt, ſie zu entdecken, Wohlwollen nur fuͤr dich. Iſt Dichtkunſt mehr als Wahnſinn, der Goͤtter hoͤh’re Gabe, ſo ſinge nur der Dichter die Herrlichkeit der Goͤtter, den Unterricht der Tugend; ſein Lied ſey nie entweihet durch bloße Schmeicheleyen, vergaͤnglich Lob der Menſchen.
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den finſtern Donner haltend,
den Lorbeer und den Oelzweig.
Mit himmelblauen Augen
als wie von Zorn entflammet
ſah mich die Goͤttinn an.
Dies Bild wird nimmermehr
in meiner Bruſt verloͤſchen.
„O Murſa! ſprach ſie zuͤrnend,
du Eitler duͤnkſt dich gluͤcklich,
wenn du bey Tag und Nacht
auf deiner Leyer ſpieleſt,
den Zaren Lieder ſingeſt.
Doch zittre und vernimm
die furchtbar große Wahrheit,
oft unerkannt, unglaublich
der Leidenſchaft des Dichters;
mich zwingt, ſie zu entdecken,
Wohlwollen nur fuͤr dich.
Iſt Dichtkunſt mehr als Wahnſinn,
der Goͤtter hoͤh’re Gabe,
ſo ſinge nur der Dichter
die Herrlichkeit der Goͤtter,
den Unterricht der Tugend;
ſein Lied ſey nie entweihet
durch bloße Schmeicheleyen,
vergaͤnglich Lob der Menſchen.
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/253>, abgerufen am 23.11.2024.
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