noch in dem Mangel an Unternehmern: son- dern in dem herrschenden Ton, der sich gegen eine öffentliche und uneingeschränkte Theilnah- me sträubt. In allen großen Städten die ich kenne, ist dies so sehr der entgegengesetzte Fall, daß sie gerade hierinn sich auf eine karakteri- stische Weise von kleinern Oertern unterschie- den. In Paris, London, Berlin und Wien liebt man vorzüglich solche Belustigungen an denen Jedermann, ohne Einschränkung, Theil nehmen kann. Fast alle Arten von Ergötzun- gen sind öffentlich, das heißt, stehen unter ge- wissen Bedingungen Jedermann frey. Der Genuß derselben ist mit verhältnißmäßig sehr geringen Kosten verknüpft, und wird eben durch die Theilnahme einer großen Menge Menschen um vieles erhöht. Das weibliche Geschlecht ist bey allen Vergnügungen unent- behrlich, und mildert durch seine Gegenwart den allzustrengen oder rauhen Ton, in der auch die bestgewählteste Gesellschaft von Männern leicht verfällt. In St. Petersburg trifft fast von allem diesem das Gegentheil zu. Die so- genannte gute Gesellschaft zieht sich in Fami- lienkreise, Cercles, Klubbs, u. s. w. zusammen,
noch in dem Mangel an Unternehmern: ſon- dern in dem herrſchenden Ton, der ſich gegen eine oͤffentliche und uneingeſchraͤnkte Theilnah- me ſtraͤubt. In allen großen Staͤdten die ich kenne, iſt dies ſo ſehr der entgegengeſetzte Fall, daß ſie gerade hierinn ſich auf eine karakteri- ſtiſche Weiſe von kleinern Oertern unterſchie- den. In Paris, London, Berlin und Wien liebt man vorzuͤglich ſolche Beluſtigungen an denen Jedermann, ohne Einſchraͤnkung, Theil nehmen kann. Faſt alle Arten von Ergoͤtzun- gen ſind oͤffentlich, das heißt, ſtehen unter ge- wiſſen Bedingungen Jedermann frey. Der Genuß derſelben iſt mit verhaͤltnißmaͤßig ſehr geringen Koſten verknuͤpft, und wird eben durch die Theilnahme einer großen Menge Menſchen um vieles erhoͤht. Das weibliche Geſchlecht iſt bey allen Vergnuͤgungen unent- behrlich, und mildert durch ſeine Gegenwart den allzuſtrengen oder rauhen Ton, in der auch die beſtgewaͤhlteſte Geſellſchaft von Maͤnnern leicht verfaͤllt. In St. Petersburg trifft faſt von allem dieſem das Gegentheil zu. Die ſo- genannte gute Geſellſchaft zieht ſich in Fami- lienkreiſe, Cercles, Klubbs, u. ſ. w. zuſammen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0302"n="284"/>
noch in dem Mangel an Unternehmern: ſon-<lb/>
dern in dem herrſchenden Ton, der ſich gegen<lb/>
eine oͤffentliche und uneingeſchraͤnkte Theilnah-<lb/>
me ſtraͤubt. In allen großen Staͤdten die ich<lb/>
kenne, iſt dies ſo ſehr der entgegengeſetzte Fall,<lb/>
daß ſie gerade hierinn ſich auf eine karakteri-<lb/>ſtiſche Weiſe von kleinern Oertern unterſchie-<lb/>
den. In Paris, London, Berlin und Wien<lb/>
liebt man vorzuͤglich ſolche Beluſtigungen an<lb/>
denen Jedermann, ohne Einſchraͤnkung, Theil<lb/>
nehmen kann. Faſt alle Arten von Ergoͤtzun-<lb/>
gen ſind oͤffentlich, das heißt, ſtehen unter ge-<lb/>
wiſſen Bedingungen Jedermann frey. Der<lb/>
Genuß derſelben iſt mit verhaͤltnißmaͤßig ſehr<lb/>
geringen Koſten verknuͤpft, und wird eben<lb/>
durch die Theilnahme einer großen Menge<lb/>
Menſchen um vieles erhoͤht. Das weibliche<lb/>
Geſchlecht iſt bey allen Vergnuͤgungen unent-<lb/>
behrlich, und mildert durch ſeine Gegenwart<lb/>
den allzuſtrengen oder rauhen Ton, in der auch<lb/>
die beſtgewaͤhlteſte Geſellſchaft von Maͤnnern<lb/>
leicht verfaͤllt. In St. Petersburg trifft faſt<lb/>
von allem dieſem das <choice><sic>Gegeutheil</sic><corr>Gegentheil</corr></choice> zu. Die ſo-<lb/>
genannte gute Geſellſchaft zieht ſich in Fami-<lb/>
lienkreiſe, Cercles, Klubbs, u. ſ. w. zuſammen,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[284/0302]
noch in dem Mangel an Unternehmern: ſon-
dern in dem herrſchenden Ton, der ſich gegen
eine oͤffentliche und uneingeſchraͤnkte Theilnah-
me ſtraͤubt. In allen großen Staͤdten die ich
kenne, iſt dies ſo ſehr der entgegengeſetzte Fall,
daß ſie gerade hierinn ſich auf eine karakteri-
ſtiſche Weiſe von kleinern Oertern unterſchie-
den. In Paris, London, Berlin und Wien
liebt man vorzuͤglich ſolche Beluſtigungen an
denen Jedermann, ohne Einſchraͤnkung, Theil
nehmen kann. Faſt alle Arten von Ergoͤtzun-
gen ſind oͤffentlich, das heißt, ſtehen unter ge-
wiſſen Bedingungen Jedermann frey. Der
Genuß derſelben iſt mit verhaͤltnißmaͤßig ſehr
geringen Koſten verknuͤpft, und wird eben
durch die Theilnahme einer großen Menge
Menſchen um vieles erhoͤht. Das weibliche
Geſchlecht iſt bey allen Vergnuͤgungen unent-
behrlich, und mildert durch ſeine Gegenwart
den allzuſtrengen oder rauhen Ton, in der auch
die beſtgewaͤhlteſte Geſellſchaft von Maͤnnern
leicht verfaͤllt. In St. Petersburg trifft faſt
von allem dieſem das Gegentheil zu. Die ſo-
genannte gute Geſellſchaft zieht ſich in Fami-
lienkreiſe, Cercles, Klubbs, u. ſ. w. zuſammen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/302>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.