Zur ersten Klasse rechnen wir die Großen des Hofes und die reichen Landeigenthümer; ihre Lebensart ist die allgemeine europäische, mit mehr oder weniger Nationalsitte versetzt. In die zweyte gehört der feinere Mittelstand, der die wohlhabenden und begüterten Einwoh- ner, die höhern Civil- und Militairbeamten, den Kaufmann, den Gelehrten, den Künstler, und überhaupt alle Ausländer dieser Gattung begreift. Ich zähle alle diese Stände zu Einer Klasse, weil ihre Lebensart, die Schattirungen abgerechnet, welche der größere oder geringere Wohlstand veranlaßt, ungefähr dieselbe ist, weil sie ein eignes Publikum ausmachen, sich unter einander kennen, mit einander umgehen und in Familienverbindungen treten. Der auslän- dische, vorzüglich deutsche Handwerker bildet die dritte Klasse. Seine Lebensart schließt sich an die der vorigen, nüancirt sich aber durch viele Eigenthümlichkeiten. Die vierte und letzte Klasse fängt mit dem geringern russischen Kaufmann an, und begreift die Handwerker dieser Nation und die ganze Volksklasse, die man gemeinhin den Pöbel nennt. Da sie die zahlreichste, unentbehrlichste und hungrigste ist,
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Zur erſten Klaſſe rechnen wir die Großen des Hofes und die reichen Landeigenthuͤmer; ihre Lebensart iſt die allgemeine europaͤiſche, mit mehr oder weniger Nationalſitte verſetzt. In die zweyte gehoͤrt der feinere Mittelſtand, der die wohlhabenden und beguͤterten Einwoh- ner, die hoͤhern Civil- und Militairbeamten, den Kaufmann, den Gelehrten, den Kuͤnſtler, und uͤberhaupt alle Auslaͤnder dieſer Gattung begreift. Ich zaͤhle alle dieſe Staͤnde zu Einer Klaſſe, weil ihre Lebensart, die Schattirungen abgerechnet, welche der groͤßere oder geringere Wohlſtand veranlaßt, ungefaͤhr dieſelbe iſt, weil ſie ein eignes Publikum ausmachen, ſich unter einander kennen, mit einander umgehen und in Familienverbindungen treten. Der auslaͤn- diſche, vorzuͤglich deutſche Handwerker bildet die dritte Klaſſe. Seine Lebensart ſchließt ſich an die der vorigen, nuͤancirt ſich aber durch viele Eigenthuͤmlichkeiten. Die vierte und letzte Klaſſe faͤngt mit dem geringern ruſſiſchen Kaufmann an, und begreift die Handwerker dieſer Nation und die ganze Volksklaſſe, die man gemeinhin den Poͤbel nennt. Da ſie die zahlreichſte, unentbehrlichſte und hungrigſte iſt,
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Zur erſten Klaſſe rechnen wir die Großen
des Hofes und die reichen Landeigenthuͤmer;
ihre Lebensart iſt die allgemeine europaͤiſche,
mit mehr oder weniger Nationalſitte verſetzt.
In die zweyte gehoͤrt der feinere Mittelſtand,
der die wohlhabenden und beguͤterten Einwoh-
ner, die hoͤhern Civil- und Militairbeamten,
den Kaufmann, den Gelehrten, den Kuͤnſtler,
und uͤberhaupt alle Auslaͤnder dieſer Gattung
begreift. Ich zaͤhle alle dieſe Staͤnde zu Einer
Klaſſe, weil ihre Lebensart, die Schattirungen
abgerechnet, welche der groͤßere oder geringere
Wohlſtand veranlaßt, ungefaͤhr dieſelbe iſt, weil
ſie ein eignes Publikum ausmachen, ſich unter
einander kennen, mit einander umgehen und
in Familienverbindungen treten. Der auslaͤn-
diſche, vorzuͤglich deutſche Handwerker bildet
die dritte Klaſſe. Seine Lebensart ſchließt ſich
an die der vorigen, nuͤancirt ſich aber durch
viele Eigenthuͤmlichkeiten. Die vierte und letzte
Klaſſe faͤngt mit dem geringern ruſſiſchen
Kaufmann an, und begreift die Handwerker
dieſer Nation und die ganze Volksklaſſe, die
man gemeinhin den Poͤbel nennt. Da ſie die
zahlreichſte, unentbehrlichſte und hungrigſte iſt,
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/375>, abgerufen am 23.11.2024.
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