Künstler in Einer Gesellschaft, an Einer Tafel beysammen zu sehen, oder in einem Zirkel von zehn bis zwölf Personen Russen, Deut- sche, Franzosen, Engländer, Spanier und Schweden zu finden. Der erste Vortheil, den diese Amalgamation von Menschen bewirkt, ist -- Toleranz. Das wechselseitige Bedürfniß, zu dulden, um geduldet zu werden; das Ge- fühl des Wohlstands, durch welches die stär- kere Parthey bewogen wird, sich ihrer Ueber- macht zu entäußern, um der schwächern ihr gesellschaftliches Daseyn nicht zu verleiden; endlich, die Gewohnheit, die selbst den fremd- artigsten Gegenständen, Sitten und Meynun- gen ihr Auffallendes nimmt; alle diese Ursa- chen zusammen haben in den Ton der guten Gesellschaft eine so harmonische Stimmung verwebt, daß man eine Zusammenkunft von genauen Bekannten voraussetzen sollte, wo sich in der That Menschen unter den entferntesten Verhältnissen und Standpunkten versammeln. Die erste Forderung an einen guten Gesell- schafter ist natürlich diese: keine Seite zu be- rühren, die bey irgend einem Anwesenden auf eine unschickliche Art das Gefühl seiner Indi-
Kuͤnſtler in Einer Geſellſchaft, an Einer Tafel beyſammen zu ſehen, oder in einem Zirkel von zehn bis zwoͤlf Perſonen Ruſſen, Deut- ſche, Franzoſen, Englaͤnder, Spanier und Schweden zu finden. Der erſte Vortheil, den dieſe Amalgamation von Menſchen bewirkt, iſt — Toleranz. Das wechſelſeitige Beduͤrfniß, zu dulden, um geduldet zu werden; das Ge- fuͤhl des Wohlſtands, durch welches die ſtaͤr- kere Parthey bewogen wird, ſich ihrer Ueber- macht zu entaͤußern, um der ſchwaͤchern ihr geſellſchaftliches Daſeyn nicht zu verleiden; endlich, die Gewohnheit, die ſelbſt den fremd- artigſten Gegenſtaͤnden, Sitten und Meynun- gen ihr Auffallendes nimmt; alle dieſe Urſa- chen zuſammen haben in den Ton der guten Geſellſchaft eine ſo harmoniſche Stimmung verwebt, daß man eine Zuſammenkunft von genauen Bekannten vorausſetzen ſollte, wo ſich in der That Menſchen unter den entfernteſten Verhaͤltniſſen und Standpunkten verſammeln. Die erſte Forderung an einen guten Geſell- ſchafter iſt natuͤrlich dieſe: keine Seite zu be- ruͤhren, die bey irgend einem Anweſenden auf eine unſchickliche Art das Gefuͤhl ſeiner Indi-
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Kuͤnſtler in Einer Geſellſchaft, an Einer Tafel
beyſammen zu ſehen, oder in einem Zirkel
von zehn bis zwoͤlf Perſonen Ruſſen, Deut-
ſche, Franzoſen, Englaͤnder, Spanier und
Schweden zu finden. Der erſte Vortheil, den
dieſe Amalgamation von Menſchen bewirkt, iſt
— Toleranz. Das wechſelſeitige Beduͤrfniß,
zu dulden, um geduldet zu werden; das Ge-
fuͤhl des Wohlſtands, durch welches die ſtaͤr-
kere Parthey bewogen wird, ſich ihrer Ueber-
macht zu entaͤußern, um der ſchwaͤchern ihr
geſellſchaftliches Daſeyn nicht zu verleiden;
endlich, die Gewohnheit, die ſelbſt den fremd-
artigſten Gegenſtaͤnden, Sitten und Meynun-
gen ihr Auffallendes nimmt; alle dieſe Urſa-
chen zuſammen haben in den Ton der guten
Geſellſchaft eine ſo harmoniſche Stimmung
verwebt, daß man eine Zuſammenkunft von
genauen Bekannten vorausſetzen ſollte, wo ſich
in der That Menſchen unter den entfernteſten
Verhaͤltniſſen und Standpunkten verſammeln.
Die erſte Forderung an einen guten Geſell-
ſchafter iſt natuͤrlich dieſe: keine Seite zu be-
ruͤhren, die bey irgend einem Anweſenden auf
eine unſchickliche Art das Gefuͤhl ſeiner Indi-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/447>, abgerufen am 23.11.2024.
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