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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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Unterhaltung die Farbe. Der Vortheil, der
hieraus entspringt, ist von großem Werthe;
selten oder niemals erhebt sich eine disputir-
süchtige Stimme, die allein gehört zu werden
verlangt; der Egoismus, der dem Gelehrten
vom Metier überall anklebt, verschmilzt in
eine kosmopolitische Nachgiebigkeit, und statt
der chrienmäßigen Auseinandersetzung eines wis-
senschaftlichen Streitpunkts hört man freund-
schaftliche, im Konversationston vorgetragene
Debatten, bey denen die gute Laune der
Gründlichkeit den Schleyer umzuwerfen sucht.
Zirkel dieser Art, die freylich überall zu den
seltnern gehören, sind der befriedigendste Ge-
nuß für den Mann von Kopf und Herz, der
von seinem ernstern Tagewerk ermüdet, auch
in seinen Erholungen Gewinn für beyde
sucht.

So viel über den Stoff unserer Konversa-
tion, und nun ein Wort über die Form der-
selben. So mannigfaltig jener durch die Mi-
schung der Stände und Karaktere wird, ein
so buntes Ansehn erhält diese durch die Viel-
heit der Sprachen die man in Gesellschaften
hört. In allen großen Städten giebt es Aus-

Unterhaltung die Farbe. Der Vortheil, der
hieraus entſpringt, iſt von großem Werthe;
ſelten oder niemals erhebt ſich eine disputir-
ſuͤchtige Stimme, die allein gehoͤrt zu werden
verlangt; der Egoismus, der dem Gelehrten
vom Metier uͤberall anklebt, verſchmilzt in
eine kosmopolitiſche Nachgiebigkeit, und ſtatt
der chrienmaͤßigen Auseinanderſetzung eines wiſ-
ſenſchaftlichen Streitpunkts hoͤrt man freund-
ſchaftliche, im Konverſationston vorgetragene
Debatten, bey denen die gute Laune der
Gruͤndlichkeit den Schleyer umzuwerfen ſucht.
Zirkel dieſer Art, die freylich uͤberall zu den
ſeltnern gehoͤren, ſind der befriedigendſte Ge-
nuß fuͤr den Mann von Kopf und Herz, der
von ſeinem ernſtern Tagewerk ermuͤdet, auch
in ſeinen Erholungen Gewinn fuͤr beyde
ſucht.

So viel uͤber den Stoff unſerer Konverſa-
tion, und nun ein Wort uͤber die Form der-
ſelben. So mannigfaltig jener durch die Mi-
ſchung der Staͤnde und Karaktere wird, ein
ſo buntes Anſehn erhaͤlt dieſe durch die Viel-
heit der Sprachen die man in Geſellſchaften
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[434/0452] Unterhaltung die Farbe. Der Vortheil, der hieraus entſpringt, iſt von großem Werthe; ſelten oder niemals erhebt ſich eine disputir- ſuͤchtige Stimme, die allein gehoͤrt zu werden verlangt; der Egoismus, der dem Gelehrten vom Metier uͤberall anklebt, verſchmilzt in eine kosmopolitiſche Nachgiebigkeit, und ſtatt der chrienmaͤßigen Auseinanderſetzung eines wiſ- ſenſchaftlichen Streitpunkts hoͤrt man freund- ſchaftliche, im Konverſationston vorgetragene Debatten, bey denen die gute Laune der Gruͤndlichkeit den Schleyer umzuwerfen ſucht. Zirkel dieſer Art, die freylich uͤberall zu den ſeltnern gehoͤren, ſind der befriedigendſte Ge- nuß fuͤr den Mann von Kopf und Herz, der von ſeinem ernſtern Tagewerk ermuͤdet, auch in ſeinen Erholungen Gewinn fuͤr beyde ſucht. So viel uͤber den Stoff unſerer Konverſa- tion, und nun ein Wort uͤber die Form der- ſelben. So mannigfaltig jener durch die Mi- ſchung der Staͤnde und Karaktere wird, ein ſo buntes Anſehn erhaͤlt dieſe durch die Viel- heit der Sprachen die man in Geſellſchaften hoͤrt. In allen großen Staͤdten giebt es Aus-

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/452>, abgerufen am 23.11.2024.