Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

länder, aber nirgend nach Verhältniß so viele
als hier; überall sind diese Ausländer Fremde,
Reisende; hier sind sie größtentheils angeses-
sene Leute. Nirgend findet man es daher noth-
wendig, sich ihrentwegen einen Zwang aufzu-
legen, den man hier duldet, weil ohnedies ein
großer Theil des gesellschaftlichen Vergnügens
verloren gehen würde. Hiezu kommt, daß die
russische Sprache im Auslande nur wenig be-
kannt und ihre Erlernung mit vielen Schwie-
rigkeiten verknüpft ist, fremde Sprachen hin-
gegen bey den gebildetern Klassen der Nation
selbst in der gewöhnlichen Unterhaltung sehr
gangbar sind. Bey alledem ist die russische
Sprache die gebräuchlichste in den Zirkeln der
Eingebornen, und nur aus Gefälligkeit gegen
Ausländer vertauscht man sie mit der allge-
meinbekannten französischen, die das Vereini-
gungsmittel der gemischtesten Gesellschaften ist.

Die Petersburger tragen den Vorwurf,
daß sie die Landessprache durch fremde Wen-
dungen und Konstruktionen verfälschen und in
der Feinheit der Aussprache weit hinter den
Moskowiten zurückbleiben. Dieser Vorwurf
scheint im Allgemeinen, so weit ein Nichtrusse

E e 2

laͤnder, aber nirgend nach Verhaͤltniß ſo viele
als hier; uͤberall ſind dieſe Auslaͤnder Fremde,
Reiſende; hier ſind ſie groͤßtentheils angeſeſ-
ſene Leute. Nirgend findet man es daher noth-
wendig, ſich ihrentwegen einen Zwang aufzu-
legen, den man hier duldet, weil ohnedies ein
großer Theil des geſellſchaftlichen Vergnuͤgens
verloren gehen wuͤrde. Hiezu kommt, daß die
ruſſiſche Sprache im Auslande nur wenig be-
kannt und ihre Erlernung mit vielen Schwie-
rigkeiten verknuͤpft iſt, fremde Sprachen hin-
gegen bey den gebildetern Klaſſen der Nation
ſelbſt in der gewoͤhnlichen Unterhaltung ſehr
gangbar ſind. Bey alledem iſt die ruſſiſche
Sprache die gebraͤuchlichſte in den Zirkeln der
Eingebornen, und nur aus Gefaͤlligkeit gegen
Auslaͤnder vertauſcht man ſie mit der allge-
meinbekannten franzoͤſiſchen, die das Vereini-
gungsmittel der gemiſchteſten Geſellſchaften iſt.

Die Petersburger tragen den Vorwurf,
daß ſie die Landesſprache durch fremde Wen-
dungen und Konſtruktionen verfaͤlſchen und in
der Feinheit der Ausſprache weit hinter den
Moskowiten zuruͤckbleiben. Dieſer Vorwurf
ſcheint im Allgemeinen, ſo weit ein Nichtruſſe

E e 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0453" n="435"/>
la&#x0364;nder, aber nirgend nach Verha&#x0364;ltniß &#x017F;o viele<lb/>
als hier; u&#x0364;berall &#x017F;ind die&#x017F;e Ausla&#x0364;nder Fremde,<lb/>
Rei&#x017F;ende; hier &#x017F;ind &#x017F;ie gro&#x0364;ßtentheils ange&#x017F;e&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ene Leute. Nirgend findet man es daher noth-<lb/>
wendig, &#x017F;ich ihrentwegen einen Zwang aufzu-<lb/>
legen, den man hier duldet, weil ohnedies ein<lb/>
großer Theil des ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Vergnu&#x0364;gens<lb/>
verloren gehen wu&#x0364;rde. Hiezu kommt, daß die<lb/>
ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Sprache im Auslande nur wenig be-<lb/>
kannt und ihre Erlernung mit vielen Schwie-<lb/>
rigkeiten verknu&#x0364;pft i&#x017F;t, fremde Sprachen hin-<lb/>
gegen bey den gebildetern Kla&#x017F;&#x017F;en der Nation<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in der gewo&#x0364;hnlichen Unterhaltung &#x017F;ehr<lb/>
gangbar &#x017F;ind. Bey alledem i&#x017F;t die ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Sprache die gebra&#x0364;uchlich&#x017F;te in den Zirkeln der<lb/>
Eingebornen, und nur aus Gefa&#x0364;lligkeit gegen<lb/>
Ausla&#x0364;nder vertau&#x017F;cht man &#x017F;ie mit der allge-<lb/>
meinbekannten franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen, die das Vereini-<lb/>
gungsmittel der gemi&#x017F;chte&#x017F;ten Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Die Petersburger tragen den Vorwurf,<lb/>
daß &#x017F;ie die Landes&#x017F;prache durch fremde Wen-<lb/>
dungen und Kon&#x017F;truktionen verfa&#x0364;l&#x017F;chen und in<lb/>
der Feinheit der Aus&#x017F;prache weit hinter den<lb/>
Moskowiten zuru&#x0364;ckbleiben. Die&#x017F;er Vorwurf<lb/>
&#x017F;cheint im Allgemeinen, &#x017F;o weit ein Nichtru&#x017F;&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E e 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[435/0453] laͤnder, aber nirgend nach Verhaͤltniß ſo viele als hier; uͤberall ſind dieſe Auslaͤnder Fremde, Reiſende; hier ſind ſie groͤßtentheils angeſeſ- ſene Leute. Nirgend findet man es daher noth- wendig, ſich ihrentwegen einen Zwang aufzu- legen, den man hier duldet, weil ohnedies ein großer Theil des geſellſchaftlichen Vergnuͤgens verloren gehen wuͤrde. Hiezu kommt, daß die ruſſiſche Sprache im Auslande nur wenig be- kannt und ihre Erlernung mit vielen Schwie- rigkeiten verknuͤpft iſt, fremde Sprachen hin- gegen bey den gebildetern Klaſſen der Nation ſelbſt in der gewoͤhnlichen Unterhaltung ſehr gangbar ſind. Bey alledem iſt die ruſſiſche Sprache die gebraͤuchlichſte in den Zirkeln der Eingebornen, und nur aus Gefaͤlligkeit gegen Auslaͤnder vertauſcht man ſie mit der allge- meinbekannten franzoͤſiſchen, die das Vereini- gungsmittel der gemiſchteſten Geſellſchaften iſt. Die Petersburger tragen den Vorwurf, daß ſie die Landesſprache durch fremde Wen- dungen und Konſtruktionen verfaͤlſchen und in der Feinheit der Ausſprache weit hinter den Moskowiten zuruͤckbleiben. Dieſer Vorwurf ſcheint im Allgemeinen, ſo weit ein Nichtruſſe E e 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/453
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/453>, abgerufen am 23.11.2024.