dauer auf die Erlernung der Nationalsprache, in welcher sie oft zu einer Vollkommenheit ge- langen die das Erstaunen selbst der Eingebor- nen erregt. Beyspiele dieser Art werden dem Leser aus der Geschichte der deutschen Littera- tur und noch mehr aus dem zehnten Abschnitte dieses Buchs erinnerlich seyn. Zu wünschen wäre es, daß diese lobenswürdige Anstrengung nicht zu der Affektation verführte, die hin und wieder in deutschen Häusern herrschend ist, überall und ohne Veranlassung russische Brocken in die Unterredung zu mischen. Ein Theil die- ses Vorwurfs freylich verliert dadurch seine Stärke, daß es oft unmöglich ist, gewisse Na- tionalbenennungen mit eben der Bestimmtheit in einer fremden Sprache auszudrücken, ohne mißverstanden zu werden oder in eine lächer- liche Pedanterie zu verfallen. Beyspiele von solchen Fällen kommen selbst in diesem Buche häufig genug vor. Wer würde sich z. B. ge- trauen, die Worte: Iswoschtschik, Podrjäd- schik, Droschka, Artel, u. a. zu verdeutschen? Eine Menge täglich vorkommender Bedürfnisse und eigenthümlicher Bezeichnungen sind eben so unübersetzbar; aber es ist dennoch nicht zu
dauer auf die Erlernung der Nationalſprache, in welcher ſie oft zu einer Vollkommenheit ge- langen die das Erſtaunen ſelbſt der Eingebor- nen erregt. Beyſpiele dieſer Art werden dem Leſer aus der Geſchichte der deutſchen Littera- tur und noch mehr aus dem zehnten Abſchnitte dieſes Buchs erinnerlich ſeyn. Zu wuͤnſchen waͤre es, daß dieſe lobenswuͤrdige Anſtrengung nicht zu der Affektation verfuͤhrte, die hin und wieder in deutſchen Haͤuſern herrſchend iſt, uͤberall und ohne Veranlaſſung ruſſiſche Brocken in die Unterredung zu miſchen. Ein Theil die- ſes Vorwurfs freylich verliert dadurch ſeine Staͤrke, daß es oft unmoͤglich iſt, gewiſſe Na- tionalbenennungen mit eben der Beſtimmtheit in einer fremden Sprache auszudruͤcken, ohne mißverſtanden zu werden oder in eine laͤcher- liche Pedanterie zu verfallen. Beyſpiele von ſolchen Faͤllen kommen ſelbſt in dieſem Buche haͤufig genug vor. Wer wuͤrde ſich z. B. ge- trauen, die Worte: Iswoſchtſchik, Podrjaͤd- ſchik, Droſchka, Artel, u. a. zu verdeutſchen? Eine Menge taͤglich vorkommender Beduͤrfniſſe und eigenthuͤmlicher Bezeichnungen ſind eben ſo unuͤberſetzbar; aber es iſt dennoch nicht zu
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dauer auf die Erlernung der Nationalſprache,
in welcher ſie oft zu einer Vollkommenheit ge-
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nen erregt. Beyſpiele dieſer Art werden dem
Leſer aus der Geſchichte der deutſchen Littera-
tur und noch mehr aus dem zehnten Abſchnitte
dieſes Buchs erinnerlich ſeyn. Zu wuͤnſchen
waͤre es, daß dieſe lobenswuͤrdige Anſtrengung
nicht zu der Affektation verfuͤhrte, die hin und
wieder in deutſchen Haͤuſern herrſchend iſt,
uͤberall und ohne Veranlaſſung ruſſiſche Brocken
in die Unterredung zu miſchen. Ein Theil die-
ſes Vorwurfs freylich verliert dadurch ſeine
Staͤrke, daß es oft unmoͤglich iſt, gewiſſe Na-
tionalbenennungen mit eben der Beſtimmtheit
in einer fremden Sprache auszudruͤcken, ohne
mißverſtanden zu werden oder in eine laͤcher-
liche Pedanterie zu verfallen. Beyſpiele von
ſolchen Faͤllen kommen ſelbſt in dieſem Buche
haͤufig genug vor. Wer wuͤrde ſich z. B. ge-
trauen, die Worte: Iswoſchtſchik, Podrjaͤd-
ſchik, Droſchka, Artel, u. a. zu verdeutſchen?
Eine Menge taͤglich vorkommender Beduͤrfniſſe
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/456>, abgerufen am 23.11.2024.
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