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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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leugnen, daß die deutsche Sprache dadurch in
dem Munde unserer Herren und Damen ein
sehr buntscheckiges Ansehen gewinnt. Jeden
Augenblick hört man die Redensarten: "Ist
die Leschanka *) geheizt? Die Kalitka **) steht
offen. Der Plotnik ***) ist gekommen. Hat
man den Pogrebschtschik +) bestellt?" und un-
zählige andere die geduldet werden müssen,
weil sie ohne Affektation nicht verdeutscht wer-
den können. Je unausweichlicher dieser Ue-
belstand ist, um so weniger ist es zu verzeihen,
wenn man ohne Noth russische Worte ge-
braucht, die sich gar füglich durch allgemein

*) Ein Ofen mit einer Ruhebank, auf welcher die
Russen zu schlafen pflegen.
**) Eine kleinere Thüre für Fußgänger, die in dem
Wagenthor angebracht ist.
***) Zimmermann. Da aber der deutsche und russi-
sche Zimmermann auf eine sehr verschiedene Art ihr Ge-
werbe treiben, so muß diese Benennung für den letztern
beyhehalten werden.
+) Weinkelierkerl. Klingt im deutschen pedantisch und
ist nirgend in die Sprache des Umgangs aufgenommen.
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leugnen, daß die deutſche Sprache dadurch in
dem Munde unſerer Herren und Damen ein
ſehr buntſcheckiges Anſehen gewinnt. Jeden
Augenblick hoͤrt man die Redensarten: „Iſt
die Leſchanka *) geheizt? Die Kalitka **) ſteht
offen. Der Plotnik ***) iſt gekommen. Hat
man den Pogrebſchtſchik †) beſtellt?“ und un-
zaͤhlige andere die geduldet werden muͤſſen,
weil ſie ohne Affektation nicht verdeutſcht wer-
den koͤnnen. Je unausweichlicher dieſer Ue-
belſtand iſt, um ſo weniger iſt es zu verzeihen,
wenn man ohne Noth ruſſiſche Worte ge-
braucht, die ſich gar fuͤglich durch allgemein

*) Ein Ofen mit einer Ruhebank, auf welcher die
Ruſſen zu ſchlafen pflegen.
**) Eine kleinere Thuͤre fuͤr Fußgaͤnger, die in dem
Wagenthor angebracht iſt.
***) Zimmermann. Da aber der deutſche und ruſſi-
ſche Zimmermann auf eine ſehr verſchiedene Art ihr Ge-
werbe treiben, ſo muß dieſe Benennung fuͤr den letztern
beyhehalten werden.
†) Weinkelierkerl. Klingt im deutſchen pedantiſch und
iſt nirgend in die Sprache des Umgangs aufgenommen.
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[439/0457] leugnen, daß die deutſche Sprache dadurch in dem Munde unſerer Herren und Damen ein ſehr buntſcheckiges Anſehen gewinnt. Jeden Augenblick hoͤrt man die Redensarten: „Iſt die Leſchanka *) geheizt? Die Kalitka **) ſteht offen. Der Plotnik ***) iſt gekommen. Hat man den Pogrebſchtſchik †) beſtellt?“ und un- zaͤhlige andere die geduldet werden muͤſſen, weil ſie ohne Affektation nicht verdeutſcht wer- den koͤnnen. Je unausweichlicher dieſer Ue- belſtand iſt, um ſo weniger iſt es zu verzeihen, wenn man ohne Noth ruſſiſche Worte ge- braucht, die ſich gar fuͤglich durch allgemein *) Ein Ofen mit einer Ruhebank, auf welcher die Ruſſen zu ſchlafen pflegen. **) Eine kleinere Thuͤre fuͤr Fußgaͤnger, die in dem Wagenthor angebracht iſt. ***) Zimmermann. Da aber der deutſche und ruſſi- ſche Zimmermann auf eine ſehr verſchiedene Art ihr Ge- werbe treiben, ſo muß dieſe Benennung fuͤr den letztern beyhehalten werden. †) Weinkelierkerl. Klingt im deutſchen pedantiſch und iſt nirgend in die Sprache des Umgangs aufgenommen. E e 4

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/457>, abgerufen am 23.11.2024.