Ein Mann ohne Rang gehört, wenn er nicht reich ist, zu den unbedeutendsten Geschöp- fen nach den Begriffen des großen Haufens. Der Ursprung dieser sonderbaren Klassifikation liegt in einer, nach andern Rücksichten sehr lobenswürdigen und zweckmäßigen Staatsein- richtung. Es giebt nämlich für den Civiletat eine Stufenleiter des Ranges, die mit der militairischen in dem abgemessensten Verhält- niß steht. Der Kapitain z. B. entspricht dem Titulairrath; der Kollegienassessor dem Major; der Hofrath dem Obristlieutenant; der Staats- rath dem Obristen, u. s. w. Diese Rangstufen unterscheiden sich wesentlich von den Aemtern, denn zuweilen sind beyde mit einander ver- bunden, zuweilen nicht. Es kann Jemand viele Jahre in einem und dem nämlichen Amte bleiben, und während dieser Zeit eine oder mehrere Stufen im Range steigen. Daher kommt es, daß man sich gewöhnlich nicht nach der Stelle die Jemand bekleidet, sondern im- mer zuerst nach seinem Range erkundigt, um auf eine bestimmte Art sein Verhältniß zu kennen. Der Einfluß, den diese Einrichtung auf die Denkungsart der Menschen hat, ist
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Ein Mann ohne Rang gehoͤrt, wenn er nicht reich iſt, zu den unbedeutendſten Geſchoͤp- fen nach den Begriffen des großen Haufens. Der Urſprung dieſer ſonderbaren Klaſſifikation liegt in einer, nach andern Ruͤckſichten ſehr lobenswuͤrdigen und zweckmaͤßigen Staatsein- richtung. Es giebt naͤmlich fuͤr den Civiletat eine Stufenleiter des Ranges, die mit der militairiſchen in dem abgemeſſenſten Verhaͤlt- niß ſteht. Der Kapitain z. B. entſpricht dem Titulairrath; der Kollegienaſſeſſor dem Major; der Hofrath dem Obriſtlieutenant; der Staats- rath dem Obriſten, u. ſ. w. Dieſe Rangſtufen unterſcheiden ſich weſentlich von den Aemtern, denn zuweilen ſind beyde mit einander ver- bunden, zuweilen nicht. Es kann Jemand viele Jahre in einem und dem naͤmlichen Amte bleiben, und waͤhrend dieſer Zeit eine oder mehrere Stufen im Range ſteigen. Daher kommt es, daß man ſich gewoͤhnlich nicht nach der Stelle die Jemand bekleidet, ſondern im- mer zuerſt nach ſeinem Range erkundigt, um auf eine beſtimmte Art ſein Verhaͤltniß zu kennen. Der Einfluß, den dieſe Einrichtung auf die Denkungsart der Menſchen hat, iſt
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Ein Mann ohne Rang gehoͤrt, wenn er
nicht reich iſt, zu den unbedeutendſten Geſchoͤp-
fen nach den Begriffen des großen Haufens.
Der Urſprung dieſer ſonderbaren Klaſſifikation
liegt in einer, nach andern Ruͤckſichten ſehr
lobenswuͤrdigen und zweckmaͤßigen Staatsein-
richtung. Es giebt naͤmlich fuͤr den Civiletat
eine Stufenleiter des Ranges, die mit der
militairiſchen in dem abgemeſſenſten Verhaͤlt-
niß ſteht. Der Kapitain z. B. entſpricht dem
Titulairrath; der Kollegienaſſeſſor dem Major;
der Hofrath dem Obriſtlieutenant; der Staats-
rath dem Obriſten, u. ſ. w. Dieſe Rangſtufen
unterſcheiden ſich weſentlich von den Aemtern,
denn zuweilen ſind beyde mit einander ver-
bunden, zuweilen nicht. Es kann Jemand
viele Jahre in einem und dem naͤmlichen Amte
bleiben, und waͤhrend dieſer Zeit eine oder
mehrere Stufen im Range ſteigen. Daher
kommt es, daß man ſich gewoͤhnlich nicht nach
der Stelle die Jemand bekleidet, ſondern im-
mer zuerſt nach ſeinem Range erkundigt, um
auf eine beſtimmte Art ſein Verhaͤltniß zu
kennen. Der Einfluß, den dieſe Einrichtung
auf die Denkungsart der Menſchen hat, iſt
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/471>, abgerufen am 23.11.2024.
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