sehr groß, aber er verursacht dennoch keine merklich grelle Schattirungen in dem gesell- schaftlichen Ton, der unter Leuten von Kultur und Erziehung herrscht. Auffallend ist es, daß eben hier, wo man ohne Rang nichts ist, die Vorzüge der Geburt so äußerst wenig gelten.
Ich habe es versucht, den Genuß welchen die gute Gesellschaft dem Weltmanne darbie- tet, und die Forderungen welche sie an ihn macht, neben einander zu stellen. Beydes ge- nau abgewogen, wird die Schaale noch immer zum Vortheil des Käufers sinken. Wer sich auf diesem Marktplatz nur mit der kleinsten Baarschaft versieht, dem kann es nie an Waare fehlen. Und wer so gar arm ist, daß er weder Geld noch Geldeswerth zum Tausche anbieten kann -- nun, für den ist nirgend in der Welt etwas käuflich. So Mancher frey- lich steht mit seinem gefüllten Seckel da, und sucht nach Dingen die er hier nicht suchen müßte; Mancher andere tadelt alles ohne et- was zu kaufen, und Viele finden den Markt- preis zu hoch. Der Meynung bin ich nun nicht. Wer zu genießen versteht, der wird auf diesem Standpunkt selten über Hunger klagen.
ſehr groß, aber er verurſacht dennoch keine merklich grelle Schattirungen in dem geſell- ſchaftlichen Ton, der unter Leuten von Kultur und Erziehung herrſcht. Auffallend iſt es, daß eben hier, wo man ohne Rang nichts iſt, die Vorzuͤge der Geburt ſo aͤußerſt wenig gelten.
Ich habe es verſucht, den Genuß welchen die gute Geſellſchaft dem Weltmanne darbie- tet, und die Forderungen welche ſie an ihn macht, neben einander zu ſtellen. Beydes ge- nau abgewogen, wird die Schaale noch immer zum Vortheil des Kaͤufers ſinken. Wer ſich auf dieſem Marktplatz nur mit der kleinſten Baarſchaft verſieht, dem kann es nie an Waare fehlen. Und wer ſo gar arm iſt, daß er weder Geld noch Geldeswerth zum Tauſche anbieten kann — nun, fuͤr den iſt nirgend in der Welt etwas kaͤuflich. So Mancher frey- lich ſteht mit ſeinem gefuͤllten Seckel da, und ſucht nach Dingen die er hier nicht ſuchen muͤßte; Mancher andere tadelt alles ohne et- was zu kaufen, und Viele finden den Markt- preis zu hoch. Der Meynung bin ich nun nicht. Wer zu genießen verſteht, der wird auf dieſem Standpunkt ſelten uͤber Hunger klagen.
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ſehr groß, aber er verurſacht dennoch keine
merklich grelle Schattirungen in dem geſell-
ſchaftlichen Ton, der unter Leuten von Kultur
und Erziehung herrſcht. Auffallend iſt es, daß
eben hier, wo man ohne Rang nichts iſt, die
Vorzuͤge der Geburt ſo aͤußerſt wenig gelten.
Ich habe es verſucht, den Genuß welchen
die gute Geſellſchaft dem Weltmanne darbie-
tet, und die Forderungen welche ſie an ihn
macht, neben einander zu ſtellen. Beydes ge-
nau abgewogen, wird die Schaale noch immer
zum Vortheil des Kaͤufers ſinken. Wer ſich
auf dieſem Marktplatz nur mit der kleinſten
Baarſchaft verſieht, dem kann es nie an
Waare fehlen. Und wer ſo gar arm iſt, daß
er weder Geld noch Geldeswerth zum Tauſche
anbieten kann — nun, fuͤr den iſt nirgend in
der Welt etwas kaͤuflich. So Mancher frey-
lich ſteht mit ſeinem gefuͤllten Seckel da, und
ſucht nach Dingen die er hier nicht ſuchen
muͤßte; Mancher andere tadelt alles ohne et-
was zu kaufen, und Viele finden den Markt-
preis zu hoch. Der Meynung bin ich nun
nicht. Wer zu genießen verſteht, der wird
auf dieſem Standpunkt ſelten uͤber Hunger
klagen.
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/472>, abgerufen am 23.11.2024.
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