mit einer hinlänglichen Dosis Dreistigkeit, setzen ihn in den Stand Entwürfe auszuführen, vor deren Kühnheit der schwerfällige, kalte Deutsche zurückbebt. Aus hundert Beyspielen nur eins.
Bey einem russischen Großen meldet sich einst ein Franzose und wünscht vorgelassen zu werden. Es geschieht; der Fremdling bittet um Protektion, und weiß seine Bitte mit so guter Art anzubringen, daß sie Interesse er- regt. Auf die Frage, in welcher Absicht er hieher gekommen sey, erfolgt die Antwort: pour eclairer la Russic. Der Große, durch diese Insolenz aufgebracht, ist im Begriff, dem Franzosen die Thüre zu weisen, als die- ser, mit einer Manier, die den glücklichen Er- folg seines Einfalls entscheidet, sich erklärt, daß er seinem Gewerbe nach -- ein Lichtzieher sey.
Die Engländer in Petersburg sind größ- tentheils Kaufleute, gewinnen und verzehren viel Geld, leben nach vaterländischer Sitte, und genießen unter allen Ausländern der vor- züglichsten Achtung.
Sie erlernen die Landessprache, weil ihr Gewerbe sie ihnen nothwendig macht, und fü-
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mit einer hinlaͤnglichen Doſis Dreiſtigkeit, ſetzen ihn in den Stand Entwuͤrfe auszufuͤhren, vor deren Kuͤhnheit der ſchwerfaͤllige, kalte Deutſche zuruͤckbebt. Aus hundert Beyſpielen nur eins.
Bey einem ruſſiſchen Großen meldet ſich einſt ein Franzoſe und wuͤnſcht vorgelaſſen zu werden. Es geſchieht; der Fremdling bittet um Protektion, und weiß ſeine Bitte mit ſo guter Art anzubringen, daß ſie Intereſſe er- regt. Auf die Frage, in welcher Abſicht er hieher gekommen ſey, erfolgt die Antwort: pour éclairer la Russic. Der Große, durch dieſe Inſolenz aufgebracht, iſt im Begriff, dem Franzoſen die Thuͤre zu weiſen, als die- ſer, mit einer Manier, die den gluͤcklichen Er- folg ſeines Einfalls entſcheidet, ſich erklaͤrt, daß er ſeinem Gewerbe nach — ein Lichtzieher ſey.
Die Englaͤnder in Petersburg ſind groͤß- tentheils Kaufleute, gewinnen und verzehren viel Geld, leben nach vaterlaͤndiſcher Sitte, und genießen unter allen Auslaͤndern der vor- zuͤglichſten Achtung.
Sie erlernen die Landesſprache, weil ihr Gewerbe ſie ihnen nothwendig macht, und fuͤ-
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mit einer hinlaͤnglichen Doſis Dreiſtigkeit, ſetzen
ihn in den Stand Entwuͤrfe auszufuͤhren, vor
deren Kuͤhnheit der ſchwerfaͤllige, kalte Deutſche
zuruͤckbebt. Aus hundert Beyſpielen nur eins.
Bey einem ruſſiſchen Großen meldet ſich
einſt ein Franzoſe und wuͤnſcht vorgelaſſen zu
werden. Es geſchieht; der Fremdling bittet
um Protektion, und weiß ſeine Bitte mit ſo
guter Art anzubringen, daß ſie Intereſſe er-
regt. Auf die Frage, in welcher Abſicht er
hieher gekommen ſey, erfolgt die Antwort:
pour éclairer la Russic. Der Große, durch
dieſe Inſolenz aufgebracht, iſt im Begriff,
dem Franzoſen die Thuͤre zu weiſen, als die-
ſer, mit einer Manier, die den gluͤcklichen Er-
folg ſeines Einfalls entſcheidet, ſich erklaͤrt,
daß er ſeinem Gewerbe nach — ein Lichtzieher
ſey.
Die Englaͤnder in Petersburg ſind groͤß-
tentheils Kaufleute, gewinnen und verzehren
viel Geld, leben nach vaterlaͤndiſcher Sitte,
und genießen unter allen Auslaͤndern der vor-
zuͤglichſten Achtung.
Sie erlernen die Landesſprache, weil ihr
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/517>, abgerufen am 25.11.2024.
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