Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

bey einem so beträchtlichen Antheil von Na-
tionalstolz, die Eifersucht gegen Ausländer ge-
ringer, als in Rußland, und nirgend im Reiche
zeigen sich die Spuren derselben schwächer, als
hier. Wie zahlreich sind nicht die Beyspiele,
da russische Große sich der Ausländer anneh-
men, ihnen eine anständige Laufbahn eröffnen,
und sie ihr ganzes Leben hindurch mit der
großmüthigsten Theilnahme auf derselben be-
gleiten. Mir sind Fälle bekannt, daß einzelne
Ausländer von reichen und angesehenen Leu-
ten aus der Nation gleichsam als Glieder ih-
rer Familien aufgenommen worden sind, Zeit-
lebens in ihren Häusern bey ihnen gelebt, und
so beträchtliche Geschenke erhalten haben, daß
sie bey dem frühern Absterben ihrer Wohlthä-
ter ein unabhängiges Schicksal wählen konn-
ten. Es ist etwas ganz gewöhnliches, wenn
Ausländer, zuweilen sogar ohne große An-
sprüche, sich durch Heyrathen mit reichen und
angesehenen russischen Häusern verbinden. In
den Kollegien und Departements, wo Russen
neben Ausländern angestellt sind, ist oft keine
Spur von Partheylichkeit oder Eifersucht sicht-
bar; diese genießen überall gleiche Rechte mit

bey einem ſo betraͤchtlichen Antheil von Na-
tionalſtolz, die Eiferſucht gegen Auslaͤnder ge-
ringer, als in Rußland, und nirgend im Reiche
zeigen ſich die Spuren derſelben ſchwaͤcher, als
hier. Wie zahlreich ſind nicht die Beyſpiele,
da ruſſiſche Große ſich der Auslaͤnder anneh-
men, ihnen eine anſtaͤndige Laufbahn eroͤffnen,
und ſie ihr ganzes Leben hindurch mit der
großmuͤthigſten Theilnahme auf derſelben be-
gleiten. Mir ſind Faͤlle bekannt, daß einzelne
Auslaͤnder von reichen und angeſehenen Leu-
ten aus der Nation gleichſam als Glieder ih-
rer Familien aufgenommen worden ſind, Zeit-
lebens in ihren Haͤuſern bey ihnen gelebt, und
ſo betraͤchtliche Geſchenke erhalten haben, daß
ſie bey dem fruͤhern Abſterben ihrer Wohlthaͤ-
ter ein unabhaͤngiges Schickſal waͤhlen konn-
ten. Es iſt etwas ganz gewoͤhnliches, wenn
Auslaͤnder, zuweilen ſogar ohne große An-
ſpruͤche, ſich durch Heyrathen mit reichen und
angeſehenen ruſſiſchen Haͤuſern verbinden. In
den Kollegien und Departements, wo Ruſſen
neben Auslaͤndern angeſtellt ſind, iſt oft keine
Spur von Partheylichkeit oder Eiferſucht ſicht-
bar; dieſe genießen uͤberall gleiche Rechte mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0528" n="510"/>
bey einem &#x017F;o betra&#x0364;chtlichen Antheil von Na-<lb/>
tional&#x017F;tolz, die Eifer&#x017F;ucht gegen Ausla&#x0364;nder ge-<lb/>
ringer, als in Rußland, und nirgend im Reiche<lb/>
zeigen &#x017F;ich die Spuren der&#x017F;elben &#x017F;chwa&#x0364;cher, als<lb/>
hier. Wie zahlreich &#x017F;ind nicht die Bey&#x017F;piele,<lb/>
da ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Große &#x017F;ich der Ausla&#x0364;nder anneh-<lb/>
men, ihnen eine an&#x017F;ta&#x0364;ndige Laufbahn ero&#x0364;ffnen,<lb/>
und &#x017F;ie ihr ganzes Leben hindurch mit der<lb/>
großmu&#x0364;thig&#x017F;ten Theilnahme auf der&#x017F;elben be-<lb/>
gleiten. Mir &#x017F;ind Fa&#x0364;lle bekannt, daß einzelne<lb/>
Ausla&#x0364;nder von reichen und ange&#x017F;ehenen Leu-<lb/>
ten aus der Nation gleich&#x017F;am als Glieder ih-<lb/>
rer Familien aufgenommen worden &#x017F;ind, Zeit-<lb/>
lebens in ihren Ha&#x0364;u&#x017F;ern bey ihnen gelebt, und<lb/>
&#x017F;o betra&#x0364;chtliche Ge&#x017F;chenke erhalten haben, daß<lb/>
&#x017F;ie bey dem fru&#x0364;hern Ab&#x017F;terben ihrer Wohltha&#x0364;-<lb/>
ter ein unabha&#x0364;ngiges Schick&#x017F;al wa&#x0364;hlen konn-<lb/>
ten. Es i&#x017F;t etwas ganz gewo&#x0364;hnliches, wenn<lb/>
Ausla&#x0364;nder, zuweilen &#x017F;ogar ohne große An-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;che, &#x017F;ich durch Heyrathen mit reichen und<lb/>
ange&#x017F;ehenen ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Ha&#x0364;u&#x017F;ern verbinden. In<lb/>
den Kollegien und Departements, wo Ru&#x017F;&#x017F;en<lb/>
neben Ausla&#x0364;ndern ange&#x017F;tellt &#x017F;ind, i&#x017F;t oft keine<lb/>
Spur von Partheylichkeit oder Eifer&#x017F;ucht &#x017F;icht-<lb/>
bar; die&#x017F;e genießen u&#x0364;berall gleiche Rechte mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[510/0528] bey einem ſo betraͤchtlichen Antheil von Na- tionalſtolz, die Eiferſucht gegen Auslaͤnder ge- ringer, als in Rußland, und nirgend im Reiche zeigen ſich die Spuren derſelben ſchwaͤcher, als hier. Wie zahlreich ſind nicht die Beyſpiele, da ruſſiſche Große ſich der Auslaͤnder anneh- men, ihnen eine anſtaͤndige Laufbahn eroͤffnen, und ſie ihr ganzes Leben hindurch mit der großmuͤthigſten Theilnahme auf derſelben be- gleiten. Mir ſind Faͤlle bekannt, daß einzelne Auslaͤnder von reichen und angeſehenen Leu- ten aus der Nation gleichſam als Glieder ih- rer Familien aufgenommen worden ſind, Zeit- lebens in ihren Haͤuſern bey ihnen gelebt, und ſo betraͤchtliche Geſchenke erhalten haben, daß ſie bey dem fruͤhern Abſterben ihrer Wohlthaͤ- ter ein unabhaͤngiges Schickſal waͤhlen konn- ten. Es iſt etwas ganz gewoͤhnliches, wenn Auslaͤnder, zuweilen ſogar ohne große An- ſpruͤche, ſich durch Heyrathen mit reichen und angeſehenen ruſſiſchen Haͤuſern verbinden. In den Kollegien und Departements, wo Ruſſen neben Auslaͤndern angeſtellt ſind, iſt oft keine Spur von Partheylichkeit oder Eiferſucht ſicht- bar; dieſe genießen uͤberall gleiche Rechte mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/528
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/528>, abgerufen am 26.11.2024.